Heimkino-Highlights im Dezember
Neues und Altes jenseits des großen Saals
Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindestens ein wenig leichter machen!
1. Nine Meals from Chaos
Bei wem? CMV Laservision Als was? DVD, Blu-ray Wann? 14.12.2018
Worum geht’s? … mal wieder maximale Postapokalypse: Nach einer selbstverschuldeten Katastrophe hat sich die Menschheit fast komplett ausgerottet; sämtliche sozialen und kulturellen Strukturen sind zerbröselt, die Überlebenden kämpfen unter niedersten Umständen ums tägliche Brot. Zwei Gruppen haben sich gebildet: die Nomaden und die Sesshaften. Auf der einen Seite eine umherziehende Horde verwaister und verwahrloster Kinder, die raubend und stehlend durch die Botanik ziehen, auf der anderen Seite erwachsene Menschenjäger, die in den Kids eine frische Nahrungsquelle sehen …
Prognose: So kann’s gehen: Erst neulich noch über den immer einfallsloser werdenden wöchentlichen Auswurf an Dystopien gemeckert und schon kommt dieser argentinische Beitrag ums Eck, der sicherlich alles andere als perfekt ist, aber dennoch eine überaus reizvolle Alternative zum Tagesgeschäft darstellt. „Nine Meals from Chaos“ stammt von very-low-budget-Auteur Iván Noel, der in der Vergangenheit unter anderem mit „Ellos Volvieron – Die Rückkehrer“ oder „Limbo – Children of the Night“ auf sich aufmerksam gemacht hat und hier erneut durch fantastische Landschaftsaufnahmen (gedreht wurde unter anderem in der Geisterstadt Epecuén) begeistert, die tausendmal mehr postapokalyptisches Feeling aufkommen lassen als alle Tricks aus der Multimillionen-Hollywood-CGI-Hölle. Toll auch wieder Noels Arbeit mit den größtenteils echten Straßenkindern, die ihre Rollen ganz wunderbar verkörpern – was man von den wenigen erwachsenen Darstellern allerdings nicht so wirklich behaupten kann.
Leider fußt „Nine Meals From Chaos“ auf einem arg dünnen Drehbuch, das abseits des Kernkonflikts nicht viel zu erzählen hat, dafür das wenige an Inhalt mit einem – Gott sei dank nur gelegentlich reinrumpelnden – Offsprecher zukleistert, der ausbuchstabiert, was zu sehen ist und zudem noch mit „zivilisationskritischen“ Kommentaren (unter anderem wird in einer ruhigen, friedlichen Szene doziert, dass es eigentlich ganz toll ist, dass die Kids endlich wieder draußen spielen, anstatt im Zimmer auf Monitore zu starren) dafür sorgt, dass sich einem mehr als einmal die Zehennägel hochrollen.
Trotzdem: Dank der faszinierenden, atmosphärischen Bilder, der authentischen Darsteller und der zuweilen aufkommenden Intensität sollte man diesem Film, der nur mit deutschen Untertiteln veröffentlicht wird, unbedingt eine Chance geben.
Nine Meals from Chaos • Argentinien 2018 • Regie: Iván Noel • Darsteller: Tatiana Gonzales Bozzetto, Joaquin Brizuela, Oscar Mira, Zoe Osan, Emanuel Renzini, Rosana Rossotti, Ismael Stampone

2. Texhnolyze (2003)
Bei wem? Nipponart Als was? DVD, Blu-ray Wann? 30.11.2018
Worum geht’s? … und gleich noch mal Apokalypse, dieses Mal kurz vor: In der unterirdischen, von Verbrechen geplagten Metropole Lukuss wirkt das gute alte Geld nicht mehr ganz so attraktiv – weitaus mehr Anziehungskraft übt Texhnolyze aus! Mit dieser Technologie kann man nämlich menschliche Körperteile durch bionische ersetzen, was das Leben natürlich um einiges lebenswerter und vor allem länger macht. Als sich der junge Boxer Ichiro mit den falschen Leuten einlässt und dafür mit einem Arm und einem Bein büßen muss, schleppt er sich mit letzter Kraft durch die finsteren Gassen und wird von Wissenschaftlerin Eriko Kamata aufgelesen. Kamata ist zufälligerweise gerade mit der Entwicklung eines neuen Texhnolyze-Prototypen beschäftigt und dankbar für die Option ihre Neuentwicklung ausprobieren zu können, weshalb Ichiro ungefragt zu neuen Körperteilen kommt. Doch damit finden seine Probleme kein Ende, denn in Lukuss tobt ein Bandenkrieg, in den der Boxer immer tiefer rein gezogen wird und in dem auch Raffia, ein Rohstoff, der zur Produktion von Texhnolyze benötigt wird, eine gewichtige Rolle spielt …
Prognose: Wer die obige Zusammenfassung der Handlung holprig und unzureichend findet: Schuldig im Sinne der Anklage! Es ist aber auch verdammt schwierig dieses Cyberpunk-Meisterwerk adäquat in Worte zu fassen! „Texhnolyze“ stammt von den Machern solcher Anime-Bretter wie „Haibane Renmei“ (2002) oder dem Evergreen „Serial Experiments Lain“ (1998) und knüpft in Punkto Finsternis vor allen an letzteren an, legt aber in Sachen narrativer Experimentierfreudigkeit noch eine Schippe drauf, was sich bereits in der ersten Episode bemerkbar macht. Während andere Serien in der Regel drum bemüht sind, bereits beim Einstieg mittels knackiger, zugänglicher Erzählweise möglichst viele Zuschauer an sich zu binden, geht Regisseur Hiroshi Himasaki erstmal auf Distanz, gibt sich regelrecht zuschauerfeindlich: In ständigen, schnellen Wechseln wird von Sequenz zu Sequenz gesprungen und mittels rätselhafter Bilder das wichtigste Personal vorgestellt. Dabei dauert es runde zehn Minuten bis überhaupt jemand spricht!
Sowieso, die Serie hat eine ganz eigenen Rhythmus, da „Texhnolyze“ großen Wert auf die unterschiedlich gefärbten, aber zumeist finsteren, Stimmungen legt und einzelne Szenen gerne auskostet – bei den Dialogen in Form von Standbildern, die die Mimiken der Charaktere betonen. Das ist sicherlich nichts für Zuschauer mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne und auch denjenigen, die sich länger als zweieinhalb Minuten konzentrieren können, macht es Regisseur Hiroshi Hamaski nicht leicht, denn die sich in Zeitlupe auffächernde, irgendwo zwischen Philosophiekurs, Thriller und maximalem Nihilismus (das Finale dürfte in Sachen Depri-Vibes ganz vorne bei den niederbügelndsten Enden aller Zeiten stehen) schwebende Story ist komplex und an vielen Stellen rätselhaft. Das mag erstmal prätentiös und fad klingen, aber die Serie schafft es dank toller, von Edward Hopper direkt und indirekt beeinflusster Bilder, sperriger, aber eben auch interessanter Charaktere und einer ganz speziellen, schwer zu greifenden Atmosphäre seine Zuschauer dennoch tief in sich einzusaugen.
Es wundert nicht, dass die 2003 vom alterwürdigen Madhouse-Studio veröffentlichte Produktion bis heute der Anstoß für zahlreiche Diskussionen, Analysen und Interpretationen ist – selbst wenn man keinen so rechten Zugang findet, kehrt man doch immer wieder zurück, in diese seltsame, aber gleichzeitig so faszinierende Welt. „Texhnolyze“ wurde vor über 10 Jahren in Form eine Reihe Einzel-DVDs veröffentlicht, nun liegt eine Komplettedition auf Blu-ray vor. Leider gibt’s keinerlei Extras und billig ist das Ganze auch nicht – aber man sollte trotzdem drüber nachdenken, ob man sich zu Weihnachten nicht mal ein Stück einzigartige Science-Fiction gönnen will.
Texhnolyze • Japan 2003 • Regie: Hiroshi Hamasaki • Sprecher: Satoshi Haga, Shizuka Itô, Shizumi Niki, Hiroshi Tsuchida, Masaya Kitaide, Takashi Inoue

3. Running Man (1987)
Bei wem? Capelight Als was? Mediabook (2 BDs, 1 DVD, 1 CD), Steelbook (2 BDs), Retro Edition im VHS-Design (2 BDs), DVD (2 DVDs) Wann? 14.12.2018
Worum geht’s? Amerika im Jahr 2017 (!). Die Weltwirtschaft ist zusammengebrochen, das Land zu einem Polizeistaat verkommen, die Lebensmittel sind knapp und das totalitäre Regime zensiert wo’s nur geht. Bei Laune gehalten werden soll das Volk ganz klassisch mit Brot und Spiele, was sich in diesem Fall in der populären Gameshow „The Running Man“ manifestiert. In der grell-sadistischen Sendung werden verurteilte Kriminelle durch professionelle, schwer bewaffnete Menschenjäger durch eine in mehrere Sektionen unterteilte Arena gehetzt. Wer alle Abschnitte überlebt, darf sich auf ein Leben in Saus und Braus freuen, aber natürlich überlebt niemand. Bis jetzt – denn der neuste Kandidat heißt Ben Richards und wird von Arnold Schwarzenegger gespielt, der in seiner Filmographie bekannterweise noch nie gern den Kürzeren gezogen hat …
Prognose: Als nach einer unfassbaren Anzahl an Schrott- bis bestenfalls mittelmäßigen und zudem rechtlich oftmals eher zweifelhaften Editionen das Edel-Label Capelight eine Veröffentlichung in mehreren Varianten ankündigte, war die Freude groß. Und mit Sicherheit kann man in qualitativer Hinsicht bedenkenlos zugreifen, die Frage ist nur, ob’s in diesem Fall eine hochpreisige Special Edition tatsächlich braucht oder ob die reguläre Fassung dem Film nicht ebenso Genüge tut. Denn mal ehrlich, so ganz ohne Retro-Tränen in den Augen: Die Stephen-King-Verfilmung pendelt sich selbst in der Grobreiz-Filmographie der steirischen Eiche eher im Mittelmaß ein. Dass der von TV-Onkel Paul Michael Glaser formal unauffällig inszenierte Sci-Fi-Actioner nicht viel vom Buch übrig lässt, ist ja in Ordnung, nur hätte man dann die am Rande pflichtschuldig reingereichte und reichlich verlogen wirkende Gesellschaftskritik auch gleich weglassen können. Zudem fällt die Actionabteilung eher unspektakulär aus und trotz bunt-alberner Kostüme wird der Gaga-Pegel nie so richtig in die Höhe geschraubt.
Sicher, „The Running Man“ ist dank einer Reihe dummer Sprüche, der göttlichen Maria Conchita Alonso (die einzig ernstzunehmende Schauspielerin in dieser Knallchargen-Versammlung) und einem flotten Tempo ganz Ok, aber es gibt gerade in Schwarzeneggers Œuvre deutlich Besseres und vor allem Ehrlicheres.
Running Man • USA 1987 • Regie: Paul Michael Glaser • Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Maria Conchita Alonso, Yaphet Kotto, Jim Brown, Jesse Ventura, Erland van Lidth

4. Solis (2018)
Bei wem? Capelight Als was? Blu-ray, DVD, VOD Wann? 21.12.2018
Worum geht’s? Eine diese simpel-knackigen Prämissen, die fähige Regisseur normalerweise zu Goldklumpen formen: Astronaut Troy Holloway erwacht an Bord einer Raumkapsel. Erst ist Orientierungslosigkeit, dann Panik angesagt: Holloway ist der einzige Überlebende, sein Schiff fast manövrierunfähig und rast unaufhaltsam auf die Sonne zu. Dank einer instabilen Funkverbindung hat er zwar Kontakt zum weit entfernten Rettungsteam unter Führung von Commander Robert, aber die Chancen, dass die Truppe rechtzeitig eintrifft, sind gering. Wenn Holloway nicht bald was einfällt, nutzt auch die beste Sonnencreme nichts mehr.
Prognose: Low-Budget-Science-Fiction aus Großbritannien, die offenbar in Richtung „Gravity“ schielt, aber natürlich nur mit einem Bruchteil von dessen Budget auskommen muss, was an sich nichts ausmacht, da Regisseur Carl Strathie mit einer stimmungsvollen Kulisse, schöner Ausleuchtung und einem sparsamen, aber gezielten Einsatz von Effekten viel Wohlwollen an Land holt. Was man ihm aber durchaus ankreiden kann ist der Inhalt: Haupt- und mehr oder weniger einziger Darsteller Steven Ogg (Simon aus der achten Staffel von „The Walking Dead“) und Alice Lowe („Sightseers“), von der im Film nur die Stimme zu hören ist, geben sich zwar alle Mühe, schaffen es aber trotzdem nicht ganz die vielen Klischees, Wiederholungen und gestelzten Dialoge des ebenfalls von Strathie verfassten Skripts zu überspielen. Zurück bleibt ein wunderbarer Kandidat für die „regnerischer Sonntagnachmittag“-Schublade; kann man ganz gut weggucken, aber wird man danach auch echt nie wieder gucken.
Solis • Großbritannien 2018 • Regie: Carl Strathie • Darsteller: Steven Ogg, Alice Lowe, Kate Coogan, Henry Douthwaite, Charlette Kilby, Sid Phoenix

5. The Curse (1987)
Bei wem? Wicked Vision Als was? Mediabook (2 BDs) Wann? 14.12.2018
Worum geht’s? Ein Komet schlägt hinter der Farm von Zacks Familie ein und löst sich auf. Bald darauf schmeckt das Wasser komisch, verfaulen die Früchte, die Tiere sind auch nicht mehr so niedlich wie früher und die Menschen mutieren langsam, aber stetig zu fiesen Kreaturen. Nur Zack und seine Schwester bleiben verschont von den Auswirkungen, dafür trachtet die eigene Familie den beiden nach dem Leben – lediglich Dr. Alan Forbes kann nun noch helfen …
Prognose: Alles in allem gelungene Verfilmung der großartigen Kurzgeschichte „Die Farbe aus dem All“ von cosmic-horror-Fürst H.P. Lovecraft, die gekonnt zwischen Familientragödie, Coming-of-Age-Motiven und Science-Fiction-Horror pendelt und es tatsächlich schafft trotz einer Reihe herrlich glibbriger Schleim-Effekte, an denen ein gewisser Louis Fulci (Exakt! Ein Pseudonym! Und zwar für … na?) beteiligt war, eine unheilschwangere Atmosphäre heraufzubeschwören und nie zu konkret zu werden. Sicherlich nicht die allerletzte Weisheit zum Thema Lovecraft, aber allemal sehenswert.
The Curse • USA/Italien 1987 • Regie: David Keith • Darsteller: Wil Wheaton, Claude Akins, Malcolm Danare, Cooper Huckabee, John Schneider, Amy Wheaton, Steve Carlisle

… und was gibt’s im TV & Internet?
• Counterpart, Staffel 2 – ab 09.12.2018, Starzplay: Die zweite Season des hochgelobten Science-Fiction-Thrillers um zwei Welten, der allein schon mit Hauptdarsteller J.K. Simmons ein echtes Pfund auf der Waage hat.
• Future Man, Staffel 1 – ab 14.12.2018, Amazon Prime Video: Science-Fiction-Comedy von Howard Overman („Misfits“, „Dirk Gently“) über einen Hausmeister, der die Welt retten muss.
• Travelers, Staffel 3 – ab 14.12.2018, Netflix: Fortsetzung der dicht gewebten Zeitreise-Serie von Brad Wright („Stargate SG-1“).
• Voltron: Legendary Defender , Staffel 8 – ab 14.12.2018, Netflix: Runde acht der populären Mecha-Serie über einen Riesenroboter.
• 12 Monkeys , Staffel 3 – ab 15.12.2018, Amazon Prime: Auch die wenig geglückte Serienverwurstung des Terry-Gilliam-Klassikers wird fortgesetzt.
• Tales of Arcadia: 3Below, Staffel 1 – ab 21.12.2018, Netflix: Die Sequel-Serie zu Guillermo del Toros „Trollhunters“ (zur Besprechung!)
Großes Bild ganz oben: Nine Meals from Chaos/CMV Laservision
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