Ruf der Wildnis
„Fortitude“ auf Scheibe
Ein kleines Nest in der Arktis. Wer hier lebt, hat sich bewusst dafür entschieden, ist gestrandet oder auf der Flucht. Manch einen hat auch schlicht ein Job in die kalte Ödnis verschlagen, aber die Jobs werden seltener. Touristen müssen her, denkt sich die Bürgermeisterin des Kaffs, und stupst die Errichtung eines Eishotels an, das direkt in den Gletscher gebaut werden soll.
Dann geschehen zwei Dinge kurz nacheinander. Zwei Arbeiter finden die Überreste eines Mammuts und schaffen es beiseite, weil sie Geld wittern. Und ein ziemlich grausiger Mord wird verübt. Ganz plötzlich gerät die abgeschiedene, halbwegs heile Welt aus den Fugen, und die Risse in der Gemeide werden zusehends tiefer.
„Fortitude“ ist ein gottverdammtes Meisterwerk. Eine TV-Serie, die all die Superlative, mit denen man die TV-Erzeugnisse à la HBO, Netflix & Co. so gerne übergießt, wirklich verdient. Ein TV-Roman in zwölf Episoden, sorgfältig konstruiert, erwachsen, intelligent, ohne große Effekthascherei, mit einem ganz eigenen Tempo (nämlich eher langsam), was garantiert den einen oder anderen abschreckt.
Dazu kommt, dass das (vermeintlich zentrale) Whodunit sehr schnell gewohnte Pfade verlässt. Wir erfahren viel mehr über die Figuren, als wir für die Krimi-Handlung brauchen, geraten auf Nebenwege, merken bald, dass wir gar nicht in einem echten Krimi sind, werden buchstäblich aufs Glatteis gelenkt. Und dazu immer wieder diese überwältigenden Bilder einer Stadt im Eis, an denen man sich nicht sattsehen kann. Und die der gar nicht so heimliche Hauptdarsteller ist. Denn wer z.B. damit rechnet, dass Stanley Tucci, der größte Star im Ensemble, die Handlung trägt, wird eine bemerkenswerte Überraschung erleben. Aber das gehört dazu, das macht „Fortitude“ so einzigartig.
Eher konservative Krimi-Fans könnten allerdings das kalte Gruseln kriegen, wenn der Plot allmählich in ein anderes Genre driftet. Versierte Science-Fiction-Leser jedoch werden recht früh ahnen, wohin der Schneehase rennt, aber das macht nichts. Im Gegenteil. Die Sache wird so überzeugend eingefädelt, dass man gebannt und zunehmend erfreut verfolgt, in welche Richtung die Handlung läuft.
„Fortitude“ war die erste Serie, die Sky Atlantic selbst produzierte, und war zumindest in England so erfolgreich, dass gerade eine zweite Staffel entsteht (die man aber wirklich nicht braucht). Hier lief die Reihe vor gut einem Jahr auf dem deutschen Ableger von Sky Atlantic und ist nun für Nicht-Pay-TV-Nutzer immerhin auf DVD und Blu-ray erschienen.
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