Die Welt nach König Zuckerberg
Die neue Vision für Facebook hört sich zu wahr an, um schön zu sein
Mark Zuckerberg hält nichts von rückwärtsgewandten Isolationsutopien. Die Technik schreitet voran, und die Welt hat gefälligst mitzuziehen. Das steht zumindest für den 32-jährigen Facebook-Gründer außer Frage, wie man seinem letzte Woche veröffentlichten, 5732 Worte langen Manifest für die Zukunft von Facebook entnehmen kann.
Nur die Zukunft von Facebook? Natürlich nicht. Mit knapp zwei Milliarden monatlich aktiven Usern, 350 Millionen täglichen Fotouploads und vier Millionen Likes pro Minute hat die Plattform schon jetzt das Zentrum nicht nur des sozialen Medienkonsums für ein Viertel der Weltbevölkerung verschoben. Und da besonders die letzten sechs Monate gezeigt haben, welchen nicht unbedingt positiven Einfluss das Unternehmen schon jetzt auf globale Prozesse hat (*räusper* amerikanische Präsidentschaftswahl), stellt Zuckerberg deshalb gleich zu Beginn die richtungsweisende Frage: „Bauen wir die Welt so, wie wir sie uns alle wünschen?“
Was danach kommt, hinterlässt den faden Beigeschmack, die Frage könnte rhetorisch gemeint sein.
Zuckerberg scheint einen neuen Lieblingsbegriff gefunden zu haben – „soziale Infrastruktur“ –, der irgendwie mit den fünf großen Zielen verwoben ist, die er in seinem Text ausführt – jedoch ohne dass jemals ganz klar hervorgeht, was er darunter versteht. Die genannten Ziele dagegen sind beunruhigend klar: Communities zu bauen, die die User unterstützen, die sicher sind, informiert, zivilengagiert und offen für alle.
Das klingt doch gut. Was also ist daran beunruhigend? Die als selbstverständlich daherkommende Auffassung Zuckerbergs, dass er für all diese Dinge zuständig ist. Es hört sich zwar wie ein Autorenplural an, wenn er davon spricht, dass die globalen Chancen und Herausforderungen, vor denen „wir“ stehen, auch von „uns“ angepackt werden müssen. Doch liest man sich durch seine upgedateten Visionen, entsteht ein anderer Eindruck: Wo „wir“ steht, meint er „Facebook“.
Das Vertrackte ist, dass man ihm daraus kaum einen Vorwurf machen kann. Wie gesagt, es gibt für Zuckerberg nur eine Richtung: nach vorn. Ob er will oder nicht, er ist der CEO des größten sozialen Netzwerks der Welt, und die Erwartung, dass Facebook sich auf seinen Lorbeeren ausruhen oder seinen Einfluss gar einschränken sollte, ist offensichtlich wenn nicht weltfremd, so doch mehr als naiv. Zumal durchaus erkennbar ist, dass Zuckerberg sich reflektiert. Er will endlich solche Dinge wie die Verbreitung von Falschinformationen und die Auswirkungen von Filterblasen angehen, und beinahe möchte man glauben, er meine es ja doch nur gut. Bloß ist der Weg zu diesen Zielen unter anderem mit künstlichen Intelligenzen gesäumt, die verstehen, was wir schreiben, die erkennen, was wir auf unseren Fotos und in unseren Videos tun, und die jede Art von Content auf seinen jeweiligen Grad an Anstößigkeit – je nach Kulturkreis – klassifizieren kann; angeblich, damit Facebook zum Beispiel nicht mehr aus Versehen Kunst mit Pornographie verwechselt. Gepaart mit dem Anspruch, endgültig zum globalen Kreisverkehr für unsere „soziale Infrastruktur“ zu werden, fragt man sich jedoch: Welchen Bereich unseres Lebens möchte Facebook am Ende nicht vereinnahmen?
Denn das ist die unausgesprochene Nebenwirkung von Zuckerbergs Weltverbesserungsambitionen: Wer die Welt verbessern will, muss sie kontrollieren können. Die Frage, die Zuckerberg uns schlussendlich stellt, klingt daher irgendwie weniger nach „Bauen wir die Welt, die wir uns wünschen?“, und mehr nach „Would you kindly?“.
Titelbild © David Paul Morris
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