22. März 2016 1 Likes

Planetares Röntgenbild

Eine neue Karte zeigt Gravitationsanomalien des roten Planeten – und damit einen Blick ins Innere

Lesezeit: 3 min.

Karten vom Mars gibt es zuhauf, und ein Blick auf Google Maps oder NASA Mars Trek verrät, wie detailliert sie sind. Doch bisher ist und alles, was unter der Oberfläche des roten Planeten liegt, noch ein Rätsel. Bei dessen Lösung soll jetzt eine neue, hochauflösende Gravitationskarte helfen, die gestern von der NASA veröffentlicht wurde. Sie verzeichnet feinste Unterschiede in der Gravitation, die die Raumsonden Mars Global Surveyor (MGS), Mars Odyssey (ODY) und dem Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) aus der Umlaufbahn gemessen haben. Solche Unterschiede entstehen, weil die Mars-Oberfläche nicht glatt und eben ist. So ist, vereinfacht gesagt, die Anziehungskraft, die eine Sonde im Orbit erfährt, über einem Berg etwas höher als über einem Tal. Diese Veränderungen beeinflussen die Umlaufbahnen der Sonden, die deswegen ihren Kurs korrigieren müssen. Sie verzeichnen die Veränderungen und ordnen sie einem bestimmten Gebiet zu. Insgesamt 16 Jahre lang wurden diese Daten von einem Forscherteam um Antonio Genova vom MIT gesammelt, ausgewertet und zu einer Karte zusammengestellt, auf der jetzt auch minimalste Abweichungen in Gebieten von 100 Kilometern Länge verzeichnet sind. Die Auswertung, bei der Störfaktoren wie die Kraft der Sonnenstrahlen, die auf die Solarpaneele der Orbiter treffen, oder die Reibung, die in der dünnen obersten Atmosphärenschicht des Mars entsteht, erkannt und ausgeschlossen werden mussten, dauerte noch einmal zwei Jahre.


Die Mars-Gravitationskarte zeigt die Tharsis-Region mit ihren großen Vulkanen sowie die bei ihrer Entstehung verursachten „Schwerkrafttäler“ in der Umgebung. Regionen mit „hoher“ Schwerkraft, verursacht von den Vulkanen, sind weiß/rot dargestellt; Regionen mit „niedriger“ Schwerkraft grün und blau. Sie stammen vermutlich von dem Druck, die die Tharsis-Aufwölbung auf die Lithosphäre ausgewirkt hat. Credits: MIT/UMBC-CRESST/GSFC

Aber nicht nur für eine bessere Kontrolle der Flugbahnen von Orbitern ist die Gravitationskarte interessant. Sie erlaubt den MIT-Wissenschaftlern auch einen Blick ins Innere des Planeten, etwa so, wie ein Röntgenbild es dem Arzt erlaubt, ins Innere seines Patienten zu blicken. Die Dicke der Lithosphäre, also der äußersten, harten Gesteinsschicht eines Planeten, konnte bis auf 120 Kilometer genau bestimmt werden. So können wir auch Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich die Planetenkruste im Laufe der geologischen Geschichte des Mars in einzelnen Regionen verändert hat. Eine Region mit geringerer Schwerkraft zwischen der Tiefebenen Acidalia Planitia und dem Hochland Tempe Terra beispielsweise wurde bisher immer als altes, inzwischen erodiertes Abflusskanalsystem interpretiert, das Wasser und Sedimente von Tempe nach Acidalia transportiert hat, als das Mars-Klima noch wärmer und feuchter war. Die neue Karte zeigt an dieser Stelle jedoch ein System aus Schwerkraftsenken, die nicht nur wesentlich größer ist als das vermutete Kanalsystem, sondern streckenweise quer zu den Abhängen verläuft – und demzufolge nicht von fließendem Wasser verursacht worden sein kann. Wahrscheinlicher ist also, dass diese Gravitationsanomalien verursacht wurden, als die benachbarte Tharsis-Region sich nach oben gewölbt hat. Tharsis ist die Heimat der großen Mars-Vulkane, die ihre beeindruckende Höhe vermutlich der fehlenden Plattentektonik auf dem Mars zu verdanken haben. Vermutlich entstand direkt unter ihnen eine gewaltige Magma-Blase, die die Lithosphäre an dieser Stelle nach oben drückte und für gigantische Vulkanausbrüche gesorgt hat. Als Tharsis immer höher wurde, drückte das erstarrte Magma die Lithosphäre mit der Zeit wieder nach unten und erzeugte gewaltige Spannungsrisse in der Umgebung.

Unter der marsianischen Lithosphäre liegt, auch das konnte Genovas Team im Laufe ihrer Untersuchungen klären, eine Schicht aus geschmolzenem Gestein. Ähnlich wie die Meere auf der Erde vom Mond beeinflusst werden, sodass es zu Ebbe und Flut kommt, erfährt auch diese Schicht auf dem Mars eine Art Tidenhub dank der Anziehungskraft der Sonne (und in einem geringeren Umfang auch der beiden Mars-Monde Phobos und Deimos).


Nord- und Südpol auf der Mars-Gravitationskarte. Credits: MIT/UMBC-CRESST/GSFC

Die bisher genausten Untersuchungen zu Gravitationsanomalien auf dem Mars konzentrierten sich bisher auf die Polregionen. Das Team um Genova konnte anhand der Daten feststellen, dass im jeweiligen nördlichen bzw. südlichen Winter rund drei bis vier Billionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre ausfrieren und als Schnee auf die Polkappen niedergehen – das sind rund 12 bis 16 Prozent der Mars-Atmosphäre, was sich natürlich auch auf die gemessene Gravitation auswirkt. Zum ersten Mal bemerkt wurde dieses Phänomen bereits Ende der Siebzigerjahre von den Viking-Landern der NASA.

Quelle/Bilder: NASA Goddard

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