19. Februar 2017 1 Likes

Ein wilder Sturm des 21. Jahrhunderts

The Wild Storm #1 von Warren Ellis & Jon Davis-Hunt: Paranoider Post-Cyberpunk

Lesezeit: 3 min.

Im Jahre 1992 gründeten die angesagten Comic-Künstler Jim Lee, Todd McFarlane, Erik Larsen, Rob Liefeld, Marc Silvestri, Whilce Portacio und Jim Valentino den amerikanischen Image Verlag, wo bis heute unabhängige Comic-Highlights wie „The Walking Dead“ und „Saga“ erscheinen (TWD-Erfinder Robert Kirkman [im Shop] ist der einzige Nichtgründer, der heute Mitbesitzer von Image ist). Damals speiste jeder der populären Image-Gründer durch ein eigenes Studio Comics ins auflagenstarke Verlagsprogramm; Jim Lees Label hieß z. B. WildStorm Productions und gab gleich noch dem fiktiven Kosmos der Serien unter Lees Schirmherrschaft seinen Namen. In den WildStorm-Storys der frühen 90er – über Teams wie Cyberforce, Stormwatch und die Wildcats – wimmelte es vor Cyborgs, fetten Knarren, Regierungsverschwörungen, Aliens, und Black-Operation-Action.

Anno 1996 übernahm der Brite Warren Ellis die Serie „Stormwatch“ und steuerte sie in verrücktere und krassere, zugleich aber realistischere und realwelt-kritischere Science-Fiction-Gefilde. Er inszenierte sogar das Crossover „WildC.A.T.S./Aliens“. Danach transformierte er das von der UN kontrollierte Stormwatch-Team auf den Seiten der Serien-Evolution „The Authority“ in die titelgebende Authority und ferner in eine ungewöhnliche, drastische Superhelden-Truppe, die tut, was auch immer getan werden muss, womit Ellis das Genre heftig durchschüttelte und beeinflusste. Nach seinem Abgang übernahm der Schotte Mark Millar als Autor, der durch „The Authority“ endgültig in die Oberliga aufstieg. Ellis hingegen siedelte in der WildStorm-Realität später noch sein referenzreiches Meisterwerk „Planetary“ an. Inzwischen ist das müde gewordene, etwas aus der Zeit gefallene WildStorm-Universum Teil des DC-Kosmos von Superman und Co. geworden, und die Höhen unter Ellis und Millar sind unerreichte Glanzlichter der Imprint-Historie.

Nach zu vielen belanglosen Geschichten kehrt nun jedoch Warren Ellis höchstpersönlich für eine Neudefinition und Neuinterpretation zurück. Mitte Februar ist das erste Heft der 24-teiligen US-Serie „The Wild Storm“ erschienen. Darin kombiniert Ellis die WildStorm-Figuren mit den weiterentwickelten Themen des Post-Cyberpunk, dem Apple-Hype und aktuellen Verschwörungs-Theorien. Ellis’ Landsmann Jon Davis-Hunt (zuvor Zeichner von u. a. Gail Simones „Clean Room“ bei Vertigo) kleidet die typische, nichtsdestotrotz einsteigertaugliche Ellis-Story über posthumane und außerirdische Nicht-Helden in klare, schicke Bilder. Die erste Ausgabe von „The Wild Storm“ legt als vielversprechender Auftakt zunächst einmal den Grundstein, vibriert in seinem zeitgemäßen SF-Rahmen allerdings schon auf eine coole und relevante Weise, wie es nur ein Ellis-Comic vermag.

Da kann man es dann auch fast verschmerzen, dass der vielbeschäftigte Mr. Ellis für „The Wild Storm“ (und seine eigenständigen Titel „Trees“, „Injection“ und „Shipwreck“ sowie u. a. eine Animationsserie zum Game-Klassiker „Castlevania“ auf Netflix) nach nur zwei Storylines als Autor bei „James Bond 007“ ausgestiegen ist, wo er den harten Bond der Fleming-Romane mit viel Ironie fusionierte und so eine lässige moderne Comic-Inkarnation des weltberühmten Spions erschuf. Übrigens erscheint Ellis’ 007-Abschiedsmission in wenigen Tagen bei Splitter unter dem Titel „Eidolon“ auf Deutsch und führt Bond in die USA, wo ihn eine Routinemission auf die Spur einer internationalen Verschwörung bringt …

Abb.: TM & © 2017 DC Comics. All Rights Reserved.

Warren Ellis, Jon Davis-Hunt: The Wild Storm #1 • DC, Burbank 2017 • 24 Seiten • Heft: $ 3,99 • Sprache: Englisch

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