11. März 2017 1 Likes

Größen-Wahn

In „Duplikat“ von Alastair Reynolds lassen wir das Sonnensystem hinter uns

Lesezeit: 2 min.

Science-Fiction soll bekanntlich einen „sense of wonder“ hervorrufen, ein Staunen, eine Faszination angesichts dessen, was wir „da draußen“ erleben, sehen, lernen. Oft wird dieses Gefühl von schierer Größe hervorgerufen: der Größe des Universums, die uns Menschen klein und unbedeutend macht; der Größe eines sich ins Unendliche erstreckenden Asteroiden; oder einer zeitlichen Größe, die auch kein Zeitreisender je ganz zu erfassen vermag. Unter den zeitgenössischen SF-Autoren gehört Alastair Reynolds zweifelsohne zu denjenigen, die in solchen Größen denken, und das jüngste Produkt dieses Denkens ist Duplikat (im Shop), die Fortsetzung zu Okular (im Shop) und damit der zweite Teil der Poseidon-Trilogie.

Wie auch schon in Okular folgen wir weiterhin der Akinya-Familie, diesmal allerdings der nächsten Generation: Sunday Akinyas Tochter Chiku hat sich klonen lassen, sodass es inzwischen drei von ihr gibt. Danach wurden die drei Persönlichkeiten miteinander verschmolzen, dass keine sagen kann, wer Original und wer Duplikat ist. So ist es Chiku möglich, an drei Orten zugleich zu sein: Chiku Rot versucht, das Rätsel um ihre Urgroßmutter Eunice Akinya zu lösen, Chiku Grün ist an Bord des Holoschiffs Sansibar, eines gigantischen Raumfahrzeugs auf dem Weg zum 28 Lichtjahre entfernten Exoplaneten Crucible, und Chiku Gelb lebt auf der Erde. Das ändert sich, als sie eine seltsame Nachricht von Grün erhält, die sie auf eine Reise durchs Sonnensystem schickt.

Duplikat ist jedoch mitnichten eine simple Wiederholung von Okular, und so liegt der Fokus auch nicht auf Chiku Gelb und ihrer Schnitzeljagd, sondern auf Chiku Grün an Bord der Sansibar. Das Schiff ist ein ausgehöhlter Asteroid, der verschiedene Biome in seinen Kammern beherbergt, und Teil einer ganzen Flotte, die auf dem Weg nach Crucible ist. Doch an Bord gibt es Unstimmigkeiten und Geheimnisse, etwa eine ganze Kammer voll blinder Passagiere – und die Wahrheit über ihr Ziel, denn die Berichte, die über Crucible zur Erde geschickt werden, sind manipuliert worden …

Alastair Reynolds hält in Duplikat die Suppe geschickt am Köcheln: einige der Rätsel, manche von ihnen noch aus Okular, werden aufgelöst, während andere uns wohl noch bis zum dritten Band, Enigma (ab 14.8.2017 in unserem Shop), beschäftigen werden. Von der ersten Seite an ist klar, dass Duplikat mit einem in jeder Hinsicht größeren Maßstab operiert – ein Maßstab, in dem Reynolds sich ganz wie zu Hause zu fühlen scheint und der uns Kapitel für Kapitel eine extragroße Dosis ebenjenes „sense of wonder“ verabreicht.

Alastair Reynolds: Duplikat. Poseidons Kinder, Band 2 • Roman • Aus dem Englischen von Irene Holicki • Wilhelm Heyne Verlag, München 2017 • Taschenbuch • 768 Seiten • € 10,99 • im Shop

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