TV-Tipp - Mittwoch, 21. Juni

Jack Ketchum gehört zu den ganz Großen der US-amerikanischen Horror-Literatur, aber der wohlige Schauer ist seine Sache nicht. Auch nicht der spekulative Griff ins Extreme, obwohl er da gerne verortet wird. Tatsächlich ist Ketchum vor allem ein knallharter Moralist und dabei gar nicht so weit von Harlan Ellison entfernt. Seine Sache ist die Zivilisationskritik, die bei ihm im Kern massive dystopische Züge trägt, selbst wenn es oberflächlich nie Science-Fiction ist. Aber ist die elaboriert-künstlerische Tünche, mit der etwa Margaret Atwood den „Report der Magd“ präsentiert, nicht auch (eher ungewollte) Ablenkung vom eigentlichen Thema – Gewalt gegen Frauen? Eine Verpackung, die Distanz schafft? Ist ja alles nur ausgedacht, weit weg, in der Zukunft, und überhaupt: So wäre das doch gar nicht möglich…

Mit Distanz hat es Ketchum eher nicht. Wer je sein unfassbares Meisterwerk „The Girl Next Door“ (dt. „Evil“) gelesen hat, bekommt eine ziemlich finstere Ahnung davon, was „Gewalt gegen Frauen“ tatsächlich bedeutet. Und wer den gemeinsam mit Lucky McKee verfassten Roman „The Woman“ (dt. „Beuterausch“) gelesen hat, kriegt anschließend den Mund nicht mehr zu, denn auch der Frau im Titel wird Gewalt angetan, aber sie wehrt sich. Und mit der wohlverpackten, stilisierten, stylischen Rache üblicher Vigilantenstoffe hat das nichts mehr zu tun, was „die Frau“ am Schluss anstellt, hat apokalyptische Züge. „Echte“ postapokalyptische Stoffe (bei denen es also draufsteht) verkriechen sich da wimmernd unter einem Stein.

Zeitgleich zum Roman entstand auch Lucky McKees Film „The Woman“ (2011), man darf hier also von einer echten Kollaboration sprechen. Und auch McKees Film ist ein aufs Wesentliche reduzierter, ziemlich unangenehmer Streifen geworden. Der Plot ist denkbar einfach: Mann findet verwilderte Frau im Wald, nimmt sie mit nach Hause zu seiner Familie und will sie zivilisieren. Frau hat keinen Bock.

McKee hat bereits mit „May“ (2002) einen bemerkenswerten „Frauenfilm“ gemacht, aber „The Woman“ ist ziemlich anders. Sehr rau, sehr direkt, voll in die Fresse. Das kann man albern finden, übertrieben, unsensibel, eindimensional und unerträglich, aber es ist mal ein Statement, das in aller Deutlichkeit auf den Punkt kommt.

Tele 5 zeigt „The Woman“ am Mittwoch, den 21. Juni, um 0:00 Uhr. Eine Wiederholung gibt es in der Nacht von Freitag auf Samstag um 3:10 Uhr.