26. August 2017 2 Likes

Geliebter Feind

Fedor Bondarchuks „Attraction“ ist eine merkwürdige, bemerkenswerte Sci-Fi-Romanze

Lesezeit: 2 min.

Vor einigen Wochen schrieben wir an dieser Stelle anlässlich der Heim-Kino Veröffentlichung von „Guardians“ über das russische Mainstream und Genre-Kino, das mit oft erstaunlichen Filmen überrascht. Damals sah es noch so aus als würde Fedor Bondarchuks „Attraction“ in Deutschland einen Kino-Start bekommen, was nun auf ein paar wenige Vorführungen in ausgewählten Kinos reduziert wurde, bevor das Science-Fiction-Epos in den üblichen Heim-Kino Formaten verfügbar ist. Was ein bisschen Schade ist, denn „Attraction“ ist trotz mancher Schwächen ein bemerkenswerter, oft geradezu visionärer Versuch eines etwas anderen Science-Fiction-Films.

Im Kern erzählt Bondarchuk von einer Alien-Invasion, was gerade in den ersten Minuten, wenn ein kugelartiges Raumschiff in einem Vorort Moskaus mehr abstürzt als landet und dabei eine Spur der Verwüstung hinterlässt, an zahllose ähnliche Szenen aus Hollywood-Filmen denken lässt. Der Vergleich mit Filmen aus der mächtigsten Filmindustrie ist ebenso unvermeidlich wie für eine  geradezu absurd günstige Produktion – das Budget betrug kaum 5 Millionen Euro! – kaum zu gewinnen – zumindest was exzessive Schauwerte angeht.

Es spricht nun in vielerlei Hinsicht für Bondarchuk, dass er diesem Vergleich auf clevere Weise aus dem Weg geht. Was nun nicht heißt, dass „Attraction“ langweilig aussieht, im Gegenteil. Immer wieder hat Bondarchuk in seinen Filmen – ob im Kriegsfilm „Stalingrad“ oder der Strugatzki-Verfilmung „Dark Planet“ – bewiesen, dass er ein hervorragender Stilist ist, der trotz beschränkter Mittel großes, wuchtiges Kino inszenieren kann.

Ein Talent, das er hier in den Dienst einer erstaunlich progressiven Geschichte stellt, die im scharfen Kontrast zu dem Nationalismus steht, der Bondarchuk immer wieder unterstellt wurde. Hier jedoch zeigt er zwar einen wütenden Mob, der sich immer gewalttätiger gegen die vermeintliche Invasion durch Außerirdische (die unter ihren robotorhaften Hightech-Anzügen wie ganz normale Menschen aussehen) wehrt, doch das emotionale Zentrum des Films ist ein menschlich-außerirdisches Paar. Die titelgebende Anziehung zwischen dem Erdenmädchen Yulia und dem Außerirdischen Hekon wird mit der brutalen Realität Russlands konfrontiert, Teilen des Militärs, die das Raumschiff am liebsten früher als später in die Luft jagen würden, dem schon angesprochenen Mob, vor allem aber Yulias Erdenfreund Artyom, der mit rasierten Schädel und Bomberjacke geradezu ein Prototyp des virilen Proleten ist, der Angst vor der Überfremdung seines Landes hat.

Gerade diese Thematik macht „Attraction“ zu einem besonders aktuellen Film, zu einem Science-Fiction-Epos, das zwar nicht mit Schauwerte spart, aber im Kern eine Romanze ist. Das Fremde, der Andere ist hier nicht der größte Feind der Ordnung, die größte Gefahr droht aus dem Inneren. Gerade für einen Blockbuster aus Putins Russland ist das eine erstaunliche erzählerische Variante, die Fedor Bondarchuks „Attraction“ zu einem so ungewöhnlichen Science-Fiction-Film macht.

„Attraction“ ist ab sofort als DVD, Blu-ray, Blu-ray-Steelbook sowie als VOD erhältlich.

Attraction • Russland 2016 • Regie: Fedor Bondarchuk • Darsteller: Irina Starshenbaum, Alexander Petrov, Rinal Mukhametov, Oleg Menshikov

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