25. Januar 2018 3 Likes

Leben in Blasen

Die Konferenz „Into Worlds“ thematisierte Formen der Immersion

Lesezeit: 3 min.

Viel ist seit dem erschreckenden Aufstieg Donald Trumps von Blasen die Rede, von individuellen Wissens- (oder Unwissens) Räumen, in denen, verstärkt durch die immer größer werdende Bedeutung der sozialen Medien, Menschen nur noch das Lesen, was sie ohnehin glauben, anderslautende Meinungen jedoch immer weniger vorkommen. Auch dies ist ein Aspekt der Immersion, der Individualisierung der Gesellschaft, die am Wochenende Thema der Konferenz „Into Worlds“ war, die im Berliner Martin-Gropius-Bau stattfand.

„Das Handwerk der Entgrenzung“ lautete der Untertitel der von den Berliner Festspielen und der Bundeszentrale für politische Bildung initiierten Konferenz, und dieser ebenso vage wie umfassende Titel deutet schon die Vielfalt der Gedanken an, die 2 ½ Tage verhandelt wurden. In seine Keynote sprach etwa der amerikanische Soziologe Richard Sennett (berühmt geworden durch seine These von den 10.000 Stunden, die es an Training oder Übung bedarf, um in der Kunst, im Sport oder der Musik Meisterschaft zu erlangen) von seinen Erfahrungen als Musiker: Erst wenn er die Musik, das Stück, das er gerade spielt, nicht mehr bewusst wahrnimmt, sondern mittels seines Spiels quasi mit der Musik verschmilzt, ein Teil von ihr wird, die Komposition ihre ganze Schönheit entfalten kann. Und diese Qualität erreicht er erst durch Reibung, durch lange Übung, einen Kampf gegen die Schwierigkeiten des Stücks. Eine Reibung, die im oben angesprochenen Leben in Blasen fehlt und das in Bereichen, die bei aller Bedeutung der Kunst noch eine Spur wichtiger sind: Politik und Gesellschaft.

Doch wie kann man sich dem Sog der Blasen entziehen, sich gegen den Facebook-Nachrichtenstrom wehren, gegen von Algorithmen ausgewählte Nachrichten und Meldungen, die meist nur das Bestätigen, was man ohnehin denkt und weiß? Diese Formen der Konformität aufzuzeigen hat sich das Aktionskollektiv !Mediengruppe Bitnik aufs Programm geschrieben, das in seiner interaktiven Arbeit versucht, Bewusstsein zu schaffen. Bewusstsein für die Daten etwa, die Nutzer des Internets meist unwissend und mit oft erschreckender Gleichgültigkeit von sich preisgeben. Auf der Webpage zu einer Ausstellung schmeißen sie dem Besucher einen Strom von Pop Up-Fenstern entgegen, in denen all die Informationen – von der Anzahl der Besuche auf dieser Seite, über IP-Adresse und Nationalität – stehen, die man unwissentlich mitteilt.

Besonders hübsch und ironisch auch eine Installation namens Random Darknet Shopper, bei dem die Gruppe genau dies programmierte: Einen Bot, der selbstständig das Darknet durchforstete und Produkte bestellte. Mehr oder weniger harmlose wie eine Jeans oder Nike-Sneaker, aber auch problematischere wie eine gefälschte Kreditkarte und schließlich sogar Ecstasy-Pillen. Während einer Ausstellung in St. Gallen fand diese Performance statt, wurden die bestellten Produkte ausgestellt – und schließlich von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Zumindest das Ecstasy, denn an den anderen, ebenso illegalen Produkten störte sich der Staat nicht. Die Frage, ob die Schuld am illegalen Bestellen der Produkte nun die Programmierer, die Kuratoren der Ausstellungen oder doch der Bot – also eine Künstliche Intelligenz – trägt wurde jedoch nicht beantwortet, juristisches Neuland also (noch) nicht betreten.

Beim Begriff Immersion, um den die Konferenz sich in loser Form und angesichts der Breite des Themas auch erwartungsgemäß ohne konkretes Ergebnis drehte, darf eine zunehmend beliebte Technik natürlich nicht fehlen: VR. Wohin der Weg dieser Technik führen soll, in die zwar immer mehr Geld gesteckt wird, die aber bislang erst im Gaming-Bereich wirkliche Erfolge erzielt, ist immer noch offen. Überzeugende, filmähnliche Narrationen gibt es bislang kaum, im besten Fall funktioniert VR als Erlebnisraum, als eben immersive Erfahrung. So etwa das von der stets innovativen isländischen Künstlerin Björm erdachte Video Notget VR (in 2D sieht es so aus), in dem man sich in einen Raum mit einen von Björk gespielten Wesen befindet, einem Wesen, das sich zunehmend aufzulösen scheint, in Lichtfetzen zerfließt und im Laufe des sechsminütigen Videos wächst, als wäre es, ja, eine Göttin. Überragt der Zuschauer dieses Wesens anfangs noch, steht man ihm am Ende zu Füßen, was dann ein schönes Bild für die Haltung ist, die allzu oft von den die Wege der Menschheit bestimmenden Blasen eingenommen wird.

Bild oben © David OReilly, Everything, 2017

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.