25. Februar 2018 1 Likes

Eiskalte Postapokalypse

Der Comic „Frostbite“ von Joshua Williamson & Jason Shawn Alexander

Lesezeit: 4 min.

Deutschland schlottert vor Kälte und spürt den Biss des Frostes. Der postapokalyptische Comic „Frostbite“ liefert die passende SF-Lektüre für die Kältewelle und den ‚Arctic Outbreak‘ – am Besten in Nähe einer Heizung oder eines Ofens lesen…

Nach der Arbeit an seinen eigenständigen Comic-Serien „Ghosted“ und „Nailbiter“ hat sich Joshua Williamson zu einem der wichtigsten DC-Autoren der aktuellen Rebirth-Ära entwickelt. Nicht nur, dass er seit dem Reboot des Reboots der Welt von Wonder Woman und Co. eine viel gelobte Saga über den Roten Blitz Barry Allen in „Flash“ schreibt. Darüber hinaus inszenierte Williamson die krachende Hauptserie des plakativen Crossovers „Justice League vs. Suicide Squad“ sowie zwei Kapitel des Flash/Batman-Crossovers „The Button“, das wieder mit der Verbindung zwischen den DC-Superhelden und den Watchmen kokettiert und gerade in den Heften der monatlichen „Batman“-Serie auf Deutsch erscheint. Bei all dem ist es fast ein bisschen untergegangen, dass der 1981 geborene Amerikaner mit „Frostbite“ zwischen 2016 und 2017 eine starke postapokalyptische Science-Fiction-Miniserie für DCs legendäres Vertigo-Imprint verfasste – doch das passiert einigen guten Vertigo-Titeln der jüngeren Vergangenheit, seit die Hochtage des Labels vorbei sind, das uns einst „Sandman“, „Preacher“, „DMZ“, „Fables“ und „Scalped“ brachte. Seit einer Weile liegt „Frostbite“ sogar gesammelt als US-Tradepaberback vor, und wer bisher nicht in die kalte Postapokalypse eintauchte, sollte das unbedingt nachholen.

Für „Frostbite“ hat sich Williamson mit dem bekannten US-Künstler Jason Shawn Alexander zusammengetan, und das Künstler ist in seinem Fall wörtlich zu nehmen. Alexander schrieb und zeichnete vor einiger Zeit den düsteren, in die Gefilde von Warren Ellis vorstoßenden Cyberpunk-Comic „Empty Zone“, für den er sich mithilfe seiner Fans auf Kickstarter die nötige Arbeitszeit finanzierte; überdies gestaltete der talentierte Maler und unangepasste Zeichner noch diverse Panel-Geschichten aus den Welten von Hellboy und Batman; zuletzt nahm er auf dem Schleudersitz des Hauptzeichners von Todd McFarlanes unverwüstlicher „Spawn“-Serie Platz, die in den 90ern immerhin den Weg für „The Walking Dead“ und Co. ebnete. In „Frostbite“ hält sich Alexander für seine Verhältnisse relativ zurück, was Schmutz, Raster und andere Verzerrungen angeht. Das Ergebnis sind nach wie vor interessante und kernige, aber äußerst klare Seiten, wobei Alexaner natürlich genau der richtige Mann für ein Schneegestöber ist, das nicht wie bei John Byrne nur aus weißen Seiten besteht.

So kleidet Alexander die Story aus der Feder von Williamson allzeit gut und passend ein, die in einer frostigen Zukunft spielt, in der die Menschheit seit 75 Jahren friert und bibbert: Fatal gescheiterte Experimente mit der Technologie zur kalten Fusion haben eine neue Eiszeit über die Welt gebracht. Selbst in Los Angeles hat es dauerhaft minus 10 Grad, in Mexico City immer noch minus 4 Grad. Außerdem wütet die titelgebende Frostbite-Seuche unter den zerfrorenen Überlebenden, die diese von innen heraus nach und nach zu Eis werden lässt. Die junge Keaton, die einen mächtigen Eistransporter fährt, kennt die kalte Wildnis Kaliforniens wie ihre Westentasche und kommt auch in den ungemütlichen, unsicheren Städten zurecht, in denen Hitze und Energie das teuerste Gut sind und alle Angst vor der nächsten Frostbite-Epidemie haben. Als die taffe Keaton zusagt, einen Wissenschaftler und seine Tochter nach Alcatraz zu bringen, hat die Transportspezialistin auf einmal nicht nur das Schicksal der erfrorenen Welt in den Händen, sondern dank der Aussicht auf ein Heilmittel gegen Frostbite auch mehr Ärger und Verfolger am Hals, als ihr lieb ist …

Man könnte Joshua Williamsons und Jason Shawn Alexanders „Frostbite“ als modernes Gegenstück zu den „Winterworld“-Comics von Chuck Dixon und Jorge Zaffino bezeichnen, und damit würde man gar nicht so viel falsch machen. „Frostbite“ ist allerdings zeitgemäßer in seiner Coolness und eleganter und moderner seinem visuellen Ansatz, aufgrund der Kürze jedoch genauso luftig zwischendurch, im Finale sowieso. Selbst die Hommage an „Mad Max“ fällt am Ende aus dem Rahmen des Weltenaufbaus und stört eher, als dass sie flasht. Dennoch unterhält „Frostbite“ unterm Strich ziemlich gut als eiskalte postapokalyptische Comic-Geschichte. Williamson kann auf wenigen Seiten Figuren erschaffen, die einem nicht völlig kalt lassen, während er mit seinem kalten, brutalen Setting überzeugt; und Alexander gehört sowieso zu den außergewöhnlichsten Künstlern der Szene und hat mit Luis Nct einen Koloristen gefunden, der sein Artwork seit „Empty Zone“ zusätzlich aufwertet.

Der erste Band von „Frostbite“ enthält alle sechs US-Hefte und Cover der Vertigo-Serie und ist in sich weitgehend abgeschlossen, eine Fortsetzung wäre aber problemlos möglich – vielleicht, wenn Netflix oder sonst wer sich die Film/TV-Rechte schnappen sollte?

Abb: TM & © 2017 DC Comics. All Rights Reserved.

Joshua Williamson, Jason Shawn Alexander: Frostbite • DC Vertigo, Burbank 2017 • 24 Seiten • Tradepaperback: $ 16,99 • Sprache: Englisch

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