12. März 2018 3 Likes

Merke: In der Kürze liegt die Würze!

Neo-Noir in Ultra-Zeitlupe: Jessica Jones – Staffel 2

Lesezeit: 3 min.

Jessica Jones feierte 2015 mit der ersten Staffel der gleichnamigen 13-teiligen Netflix-Serie einen gelungenen Einstand ins Serien-Universum von Marvel, der mit sanfter feministischer Attitüde  Superhelden-Motive in ein Neo-Noir-Umfeld einbettete und natürlich Lust auf mehr machte, auch weil die kurz vorher gestartete Umsetzung von „Daredevil“ ebenso die Erwartungen übertraf – offenbar schien sich hier eine wahre Goldgrube für Fans aufzutun: Experimentierfreudige, wagemutige Comic-Adaptionen fürs Heimkino, die dem arg gleichförmigen Geschehen auf der Leinwand zeigten, was eine Harke ist. Allerdings schlich sich mit der zweiten Staffel von „Daredevil“ bereits 2016 eine erste Ernüchterung ein, die typische Serienkrankheit machte sich breit: Eine verhältnismäßig straffe Dramaturgie wich einem Übermaß: Zuviel Figuren erschwerten das emotionale Andocken und dank zu vieler Handlungsstränge blieb die Spannung auf der Strecke, lediglich die gelungenen Martial-Arts-Szenen sorgten noch für Kurzweil.

Leider verhält es sich bei „Jessica Jones“ ähnlich, allerdings kann man rückblickend attestieren, dass sich ein Abknicken bereits in den letzten drei, um sich selbst kreisenden Folgen der ersten Staffel angedeutet hatte. Die zweite Staffel ist im Kern eine klassische Origin-Story, die zudem ein wenig an „Logan“ erinnert. Jones und ihre Freundin Trish Walker entdecken, dass die Privatdetektivin durch eine geheime paramilitärische Gruppe mit Namen IGH, die an Menschen experimentiert, zu ihren Fähigkeiten kam. Im Zuge ihrer Ermittlungen taucht auch Jones’ totgeglaubte Mutter wieder auf, an der ebenfalls rumgebastelt wurde, aber weniger erfolgreich, denn wenn Mama wütend wird, pflastern Leichen ihren Weg.

Das reicht aber natürlich nicht für rund 13 Stunden Laufzeit aus und so wird das Ganze mit zahlreichen Subplots (wie zum Beispiel einen Ausflug in Jessicas und Trishs Vergangenheit, der nicht wirklich etwas Substantielles zu Tage fördert) zerfasert, ein bewährtes Mittel, um „inhaltliche Komplexität“ vorzutäuschen, aber in Wirklichkeit gnadenlos Zeit zu schinden und so drömmelt Staffel zwei oft ganz schön vor sich hin. Zudem kommt nie wirklich Dringlichkeit auf, was daran liegt, das, was besonders beim Gastauftritt von Kilgrave, dem von David Tennant toll gespielten Schurken der ersten Staffel, deutlich wird: ein echter Antagonist fehlt, IGH bleibt als Bedrohung diffus, auch weil deren Mitarbeiter Dr. Karl Malus, der Mann, der für das Unheil verantwortlich ist, sich – im Gegensatz zur Comic-Vorlage – als sympathischer Onkel mit einem Hang zu Grateful-Dead- oder Doors-T-Shirts entpuppt. Jones’ mutierte Killer-Mama verliert spätestens nach der Wiedervereinigung mit ihrer Tochter viel von ihrem Schrecken und Pryce Cheng, ein weiterer, allerdings eher am Rande stattfindender Antagonist, bleibt ebenfalls zu unscharf, man erfährt nie so recht, wer der konkurrierende Ermittler, der im Laufe der Serie zur immer größeren Bedrohung wird, eigentlich ist und was ihn umtreibt.

Das Runde zwei trotzdem – zumindestens in Teilen – funktioniert, liegt in erster Linie an den guten Darstellern, vor allem zwei Ladies trumpfen ganz groß auf: Die unheimlich charismatische Krysten Ritter hat die Rolle ihre Lebens gefunden und lotet zwischen aggressiv und zutiefst verletzlich gekonnt sämtliche Facetten ihrer Figur aus, eine regelrecht magnetische Vorstellung. Und Carrie Anne-Moss, die sich leider wohl bis in alle Ewigkeiten auf den most underrated actresses-Listen dieser Welt finden wird, liefert als Jeri Hogarth einmal mehr ganz großes, dieses Mal besonders subtiles, eindringliches Tennis, das einen weiteren nicht wirklich notwendigen Subplot fast noch aufregender als die eigentliche Handlung macht.      

Staffel 2 ist alles in allem genau das, was man so schön als „mixed bag“ bezeichnet – funktioniert teilweise, teilweise aber so gar nicht.

„Jessica Jones – Staffel 2“ ist seit dem 08.03.2018 auf Netflix abrufbar.

Jessica Jones – Staffel 2 (USA 2018) • Regie: diverse • Darsteller: Krysten Ritter, Rachael Taylor, Terry Chen, J.R. Ramirez, Eka Darville, Jenny Paul, Ashlie Atkinson

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