14. März 2018 2 Likes

Stephen Hawking (1942-2018)

Der britische Astrophysiker ist heute im Alter von 76 Jahren gestorben

Lesezeit: 5 min.

Er war der Rockstar der modernen Physik: Stephen Hawking, dessen Theorien die Kosmologie und unser Verständnis vom Universum geprägt haben, ist heute – am Geburtstag von Albert Einstein, der als Pi-Tag gefeiert wird – am frühen Morgen in seinem Haus in Cambridge im Alter von 76 Jahren gestorben. Das teilten seine Kinder Lucy, Robert und Tim in einem Statement mit: „Er war ein großartiger Wissenschaftler und ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Werk und Vermächtnis noch lange weiterleben wird. Sein Mut und seine Beharrlichkeit, zusammen mit seiner Brillanz und seinem Humor inspirierte Menschen überall auf der Welt.“

Stephen Hawking wurde 8. Januar 1942 geboren und studierte Mathematik und Physik in Oxford. Bei seiner Bachelor-Prüfung 1962 stand seine Note auf der Kippe. Er wusste, dass er einen Ruf als „schwieriger“ Student hatte, und sagte seinen Prüfern, wenn sie ihm die bessere Note gäben, würde er für seine Dissertation nach Cambridge gehen. Sollten sie ihm die schlechtere Note geben, würde er in Oxford promovieren. Sie gaben ihm die bessere Note. 1966 promovierte Hawking in Oxford zu „Eigenschaften sich ausdehnender Universen“.

1963 wurde die Muskel- und Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) bei ihm diagnostiziert, die Ärzte gaben ihm nur noch zwei Jahre zu leben. Hawking war 21 Jahre alt. Doch er hatte eine Form der Krankheit, die sehr langsam fortschritt. Er ging zuerst an Krücken und weigerte sich bis 1968, einen Rollstuhl zu benutzen. Als die Krankheit schließlich so schlimm wurde, dass es nicht mehr anders ging, wurde Hawking berühmt für seine rasante Fahrweise auf den Straßen von Cambridge. Er rollte manchmal auch mit voller Absicht über die Zehen seiner Studenten und schreckte bei Uni-Partys auch vor schnellen Drehungen auf der Tanzfläche nicht zurück.

Sein erster wissenschaftlicher Durchbruch war 1965, noch als Doktorand, als er zusammen mit seinem Mentor Roger Penrose einen mathematischen Beleg der Urknalltheorie lieferte, indem sie die Mathematik für Schwarze Löcher auf das Universum anwandten. Sie konnten theoretisch zeigen, dass tatsächlich ein Urknall, also eine mathematische Singularität, am Anfang der Geschichte des Universums gestanden hat. Diese Singularität ist eine unendliche Krümmung in der Raumzeit – der Ort, an dem der Urknall stattgefunden hat. 1973 veröffentlichte er mit seinen beiden Kollegen J. M. Bardeen und B. Carter eine grundlegende Theorie über Schwarze Löcher mit dem Titel „Die vier Gesetze der Mechanik Schwarzer Löcher“, in Anlehnung an die fundamentalen Gesetze der Thermodynamik. Ein Jahr später zeigte Hawking, dass Schwarze Löcher Materie nicht einfach verschlucken, sondern dass sie eine Strahlung aussenden. Dadurch „verdampfen“ sie gewissermaßen, bis sie verschwunden sind, was jedoch sehr lange dauert. Diese Strahlung wird heute als Hawking-Strahlung bezeichnet. 1974 jedoch löste diese Theorie eine der hitzigsten Debatten in der modernen Astro- und Quantenphysik überhaupt aus, denn Hawking argumentierte, dass alles, was über die Jahre in ein Schwarzes Loch gesogen wurde, nach dem „Tod“ des Schwarzen Loches für immer verloren sei – was eines der Grundgesetze der Quantenmechanik verletzte. Hawking änderte schließlich seine Meinung und sagte, dass die vom Schwarzen Loch eingesogenen Informationen an dessen Ereignishorizont erhalten bleiben und dass sie anschließend als Strahlung wieder ins All entlassen werden würden. Diese 180-Grad-Wende verkündete Hawking der Legende zufolge in einem Pub, in dem er mit Studenten saß. Er drehte den Lautstärkeregler an seinem Sprachcomputer voll auf und brüllte, um die Menge zu übertönen: „Ich gebe es zu!“ Als er sicher war, dass er die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen im Lokal hatte, stellte er den Computer wieder leiser und fuhr fort: „Ich gebe zu, dass es wahrscheinlich keinen Informationsverlust gibt.“

1974 wurde Hawking im Alter von nur 32 Jahren in die Royal Society aufgenommen. Er ging ans Institut für Theoretische Astronomie in Cambridge; fünf Jahre später trat er seine Professur am Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an – wie einst Isaac Newton, Charles Babbage und Paul Dirac -, den er bis 2009 innehatte. In den Achtzigerjahren forschte er zur Quantengravitation und entdeckte 1982 als einer der ersten, dass Quantenfluktuationen, also kleine Variationen in der Materie, sich aufsummieren und so die Ausbreitung von Galaxien im Universum beitragen. In diesen kleinen Variationen liegt der Ursprung aller Sterne, Planeten und dem Leben, wie wir es kennen. Zudem bemühte er sich, Einsteins Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zu vereinen und so eine Art „Weltformel“ zu finden. Doch es war sein populärwissenschaftliches Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“, das ihm 1988 internationale Bekanntheit auch außerhalb akademischer Kreise einbrachte. Das Buch stand ganze 237 Wochen auf der Sunday Times Bestsellerliste und wurde in 40 verschiedene Sprachen übersetzt.

1985 zog Hawkins sich bei einem Besuch am Cern eine Lungenentzündung zu, die nur durch eine Tracheotomie geheilt werden konnte. Dadurch verlor Hawkings die Fähigkeit zu sprechen und war fortan auf einen Sprachcomputer angewiesen. Durch das Fortschreiten seiner ALS war er immer weniger in der Lage, Computer und Rollstuhl mit den Händen zu steuern, weswegen er den Computer so modifizieren ließ, dass er ihn mit den Bewegungen seiner Augen steuern konnte.

Stephen Hawking gewann den Albert Einstein Award, den Wolf Prize, die Copley Medal und den Fundamental Physics Prize. 2009 verlieh ihm Barack Obama die Presidental Medal of Freedom. Der Nobelpreis blieb ihm verwehrt, da er einen experimentellen Nachweis erfordert. Neben seiner wissenschaftlichen Leistungen bliebt er vor allem durch seinen einzigartigen Humor im Gedächtnis: er hatte einen Faible für wissenschaftliche Wetten, die er jedoch häufig verlor. So wettete er mit seinem Kollegen Kip Thorne, dass Cygnus X-1, von dem starke Röntgenstrahlung ausgeht, kein Schwarzes Loch sei. Hawking verlor 1990 und musste Thorne ein Penthouse-Abo bezahlen. 2012 verlor er eine Wette gegen Gordon Kane, in der er behauptet hatte, dass das Higgs-Boson nie entdeckt werden würde, und musste ihm 100 US-Dollar bezahlen. Außerdem gab er eine Champagner-Party für Zeitreisende am 28. Juni 2009, verkündete jedoch erst einen Tag später, dass er diese Party gegeben hatte. Seine Theorie: wenn Zeitreisende in der Zukunft davon erfahren, würden sie in der Zeit zurückreisen, um auf die Party zu gehen. Keiner war gekommen.

Stephen Hawking trat als Gaststar in Serien wie den „Simpsons“, „The Big Bang Theory“ und „Star Trek: The Next Generation“ auf, wo er in einer Holodeck-Simulation gegen Albert Einstein und Commander Data Poker spielt. Er setzte sich stets dafür ein, dass die Menschheit ins All aufbrechen müsse, um zu überleben. In den letzten Jahren trat er vor allem als Mahner auf, etwa gegen Künstliche Intelligenz und KI-Waffensysteme. Er war dreimal verheiratet; aus seiner ersten Ehe gingen seine drei Kinder hervor. Der Tod begleitete ihn sein ganzes Leben lang: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich habe es auch nicht besonders eilig mit dem Sterben. Es gibt so viel, dass ich davor noch machen will.“

Stephen Hawking hinterlässt nicht nur drei Kinder und ein gigantisches wissenschaftliches Vermächtnis, er hinterlässt auch trauernde Fans und Freunde auf der ganzen Welt, die auf Twitter und in Zeitungsartikeln Abschied von ihrem Freund und Vorbild nehmen:

Nachruf von Roger Penrose auf Stephen Hawking (englisch)

Fotostrecke in der SZ

Die Cambridge University hat einen letzten Gruß des Physikers auf YouTube hochgeladen:

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