2. April 2018 7 Likes 1

Wie ein Monolith

50 Jahre „2001 – Odyssee im Weltraum“

Lesezeit: 5 min.

Heute vor 50 Jahren, am 2. April 1968, hatte Stanley Kubricks „2001 - Odyssee im Weltraum“ Premiere in den USA. Gut fünf Monate danach, am 11. September, startete der Film auch in Deutschland. Und ohne große Übertreibung kann man sagen, dass Kubrick damit einen Eckpfeiler in die westliche Kulturgeschichte gerammt hat.

Es ist kaum noch vorstellbar, welche Wirkung dieser Film aufs damalige Publikum gehabt haben mag. Lyndon B. Johnson war Präsident der USA und führte Krieg in Vietnam, die NASA bastelte an der ersten Mondlandung und im Kino hatte „Bonnie und Clyde“ einen ersten Hinweis gegeben, dass das „alte Hollywood“ auf dem Abstellgleis gelandet war. In Deutschland war Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler der ersten Großen Koalition und man beschäftigte sich vor allem mit den Notstandsgesetzen. Im Kino liefen „Zum Teufel mit der Penne“,  „Zur Sache, Schätzchen“ und „Das Wunder der Liebe“. Aber Werner Herzog, Peter Fleischmann und Rainer Werner Fassbinder scharrten bereits mit den Hufen.

Und was präsentierte Kubrick, der den Stoff über viele Jahre hinweg gemeinsam mit Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke (im Shop) entwickelt hatte? Erstmal eine dunkle Leinwand. Grummelnde Musik von György Ligeti – aber das erkannten höchstens Spezialisten –, dann eine Konjunktion von Erde, Mond und Sonne, dazu – mächtig! – der Anfang von Richard Strauss‘ Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ (deutlich bekannter als Ligeti, aber auch weit weg von Klassiklieblingen), gefolgt von – Affen. Affen bei dem, was Affen eben tun. Minutenlang. Gefühlte Ewigkeiten. Manch ein Zuschauer dürfte sich gefragt haben, ob er im falschen Saal sitzt. Denn „Planet der Affen“ war wenige Wochen zuvor in die Kinos gekommen. Dessen Affen verhielten sich zwar sehr viel menschlicher, aber auch Kubricks Viecher waren erkennbar verkleidete Schauspieler, selbst wenn sie sich große Mühen gaben, das zu verbergen.

Und dann: der schwarze „Monolith“. Der plötzlich einfach so in der Affenbande steht. Wieder: dräuende Musik. Angst, Panik, wtf? Und dann erkennt einer der pelzigen Gesellen, was man mit einem Knochen anstellen kann.

Schnitt.

Schnitt? Ach was. Der Schnitt. Der bekannteste Schnitt der Filmgeschichte. Millionen Jahre überbrückt mit einem Cut, der alles sagt. Der Monolith war ja schon leicht irre – aber man hatte Charlton Heston im Lendenschurz zwischen Gorillas und Orang-Utans rumtoben sehen, war also Einiges gewohnt –, doch spätestens jetzt dürfte jedem klargeworden sein, dass man etwas Besonderes erlebte. Immerhin, man war im versprochenen Weltraum angekommen – aber so hatte man das im Kino noch nicht gesehen. „An der schönen blauen Donau“ (vom anderen Strauss) füllte das Kino und Raumschiff und Station schienen zu diesem majestätischen, unendlich langen Walzer zu tanzen. Man war in ein anderes Zeitalter katapultiert worden und man fühlte es.

Erst jetzt begann eine Handlung, die man leicht nachvollziehen konnte. Ah, ein anderer Monolith ist auf dem Mond gefunden worden. Man folgt der Spur zum Jupiter, die Odyssee der Discovery One beginnt, an Bord eine kleine Crew – plus HAL 9000. Computer kannte man 1968 höchstens aus Fernsehen und Kino, der C64 war noch 14 Jahre entfernt, aber die rote Lampe HALs wurde zum Synonym für Technik, die ihrem Schöpfer ans Leben will.

Doch mit der Ankunft am Jupiter beginnt die spektakulärste Phase des Films, und wer es sich in der kargen, aber hochspannend erzählten Reisesequenz bequem gemacht hatte, wurde aus der Umlaufbahn beschleudert. Denn im All vor dem Gasriesen schwebt erneut ein Monolith und jetzt fängt für Bowman – dem letzten Überlebenden der Crew – die eigentliche Reise an. Und was das für eine Reise ist und was sie eigentlich bedeutet, das ist seit nun 50 Jahren Stoff unzähliger Diskussionen. Und ganz am Ende dieser rasenden Reise durch psychedelische Farbmuster und seltsame Räume, wenn der Fötus in der Fruchtblase durchs All schwebt, ertönt wieder der Beginn von „Also sprach Zarathustra“, ein Ausrufezeichen, kein Chill Out als Rausschmeißer.

Hatten da wohl schon ein paar Zuschauer den Saal verlassen? Und was war mit denen, die geblieben sind? Schauten sie sich lachend an? Nervös? Irritiert? Ratlos? Begeistert? Auf jeden Fall wird sich die Nachtluft nach dem Verlassen des Kinos anders angefühlt haben als bei sämtlichen Kinobesuchen zuvor. „Was war das denn?“ dürfte für viele die Frage des Abends gewesen sein. Lange vor „Gehen wir noch was trinken?“ oder „Zu dir oder zu mir?“ Viele Zuschauer dürften diesen Abend lebhaft in Erinnerung behalten haben. Man ist nicht oft dabei, wenn Kulturgeschichte schrieben wird.

„2001 – Odyssee im Weltraum“ war ein kommerziell erfolgreicher Film, das sollte man vielleicht anmerken. Kaum vorstellbar heute, aber die Menschen gingen damals ins Kino, um den Film zu sehen. Obwohl sich vermutlich schnell herumsprach, dass das keine „leichte Kost“ ist.

Und die Folgen? Unübersehbar. Der Film hat mehr ikonische Bilder hervorgebracht als jeder andere Streifen der Filmgeschichte, man kennt sie selbst dann, wenn man den Film nie gesehen hat. Die Musik wird heute automatisch mit dem Film assoziiert. Und das Rätsel bleibt. Es gibt gar keine Lösung und es soll auch gar keine geben. Das Rätselhafte und Wunderbare an Kosmos und Leben ist das, was „2001“ in den Raum stellt. Wie einen Monolithen.

 

Hinweise:

Derzeit läuft im Deutschen Filmmuseum eine Ausstellung zum Film.

Arthur C. Clarkes Kurzgeschichte „Der Wächter“, die der Ausgangspunkt des Films ist, findet sich hier.

Einen herausragenden Überblick über die Entstehung des Films liefet Piers Bizony in „The Making of Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey“.

Sämtliche „2001“-Romane von Arthur C. Clarke gibt es auch in einem Band (im Shop).

 

Und im Anschluss noch eine kleine Show mit Filmen:

Die beiden Originaltrailer von 1968 – aufwändig von einem Fan restauriert.

Der Trailer der Wiederaufführung von 2014.

„The Filmmaker’s Voice: 2001: A Space Odyssey“. Eine kurze Würdigung von Filmemachern wie James Cameron, Martin Scorsese, David Fincher, Steven Spielberg u.a.

Die „Schwierigkeit“ von „2001“ wurde schon immer gerne parodiert, hier exemplarisch durch zwei Kurzfassungen – als skizzenhafter Cartoon und mit Legofiguren – repräsentiert.

Der meistzitierte Film aller Zeiten. Eines der schönsten und lustigsten gab es in den „Simpsons“.

„2001“ macht Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ zum Pop-Phänomen. Schon 1973 entstand diese legendäre Jazz-Funk-Version des Brasilianers Eumir Deodato. Zeitlos groovy.

Kommentare

Bild des Benutzers Thorsten Hanisch

Ein wirklich schöner Text!

Und "Kaum vorstellbar heute, aber die Menschen gingen damals ins Kino, um den Film zu sehen. Obwohl sich vermutlich schnell herumsprach, dass das keine „leichte Kost“ ist." - OH JA! ;) *seufz*

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