17. Juni 2018

Die dunkle Geschichte von Superman

Superbiografie: Der Comic „Joe Shuster – Vater der Superhelden“

Lesezeit: 4 min.

Vor achtzig Jahren debütierte Superman im legendären Heft „Action Comics“ #1, für das Sammler heute zwischen fünfhunderttausend und drei Millionen Dollar hinlegen. Die darin enthaltene dreizehnseitige Story über den kryptonischen Mann aus Stahl mit dem roten Cape, die von Jerry Siegel (1914–1996) geschrieben und von Joe Shuster (1914–1992) gezeichnet wurde, gilt als Startschuss für das erste, ja das Goldene Zeitalter der Superhelden, die unsere multimediale Popkultur heute wohl stärker dominieren denn je. Siegel und Shuster hatten von ihrer Schöpfung jedoch lange kaum etwas und bekamen erst spät die ihnen zustehende Anerkennung. Daran erinnert nun der Comic-Roman „Joe Shuster – Vater der Superhelden“ von Autor Julian Voloj und Zeichner Thomas Campi, der pünktlich zu Supermans 80. Geburtstag bei Carlsen auf Deutsch erschienen ist.

Voloj und Campi skizzieren den Lebenslauf von Supermans zeichnendem Mitschöpfer aus Kanada, der nach dem Umzug seiner Familie in die USA eines Tages auf den gleichaltrigen Jerry Siegel trifft, der vom großen Wurf als Autor träumt. Gemeinsam überwinden die enthusiastischen jungen Künstler und Freunde aus Cleveland einige Rückschläge, bis sie ihren Helden Superman 1938 endlich gedruckt sehen. Der Mann aus Stahl wird zum Phänomen, Shuster und Siegel zu viel beschäftigten Kreativen. Die neuen Comic-Hefte verkaufen sich obendrein wie geschnitten Brot, was Geschäftsleute, Trittbrettfahrer und Nachahmer anlockt. Das große Geld, das mit Superman gescheffelt wird, bleibt indes vor allem bei den Verlagen und Verlegern hängen, und die Frage nach Urheberschaft, Entlohnung und Markenrechten ist angesichts des Erfolgs eine eher unangenehme, da Shuster und Siegel am Anfang, als niemand mit einem solchen Boom rechnete, blauäugig einen der üblichen Knebelverträge unterschrieben und in diesem alle Rechte an Superman abgetreten haben. Als der Stählerne zur Multimedia-Ikone mutiert, sind Shuster und Siegel schon lange aus der entscheidungstragenden Entourage des Kryptoniers ausgeschieden, und ferner zwei kranke alte Männer, die miese Jobs und allerhand Demütigungen hinter sich haben. Bis die Comic-Community sich ihrer und ihres Schicksals erinnert und in der Ära des ersten „Superman“-Kinofilms mit Christopher Reeve Mitte der 70er anfängt, für Supes’ geistige Väter zu kämpfen …

Der Autor, Journalist und Fotograf Julian Voloj wurde in Münster geboren und lebt seit Jahren in New York. Auf 130 Comic-Seiten verknüpft er souverän die Biografie von Joe Shuster mit der Geschichte des Superhelden-Comics, dem Zeitgeschehen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, den Schicksalen jüdischer Einwanderer, der Entwicklung der Populärkultur und der Massenmedien sowie dem Rechtestreit um Superman. Volojs Graphic Novel funktioniert als sympathische, packende Künstlerbiografie genauso gut wie als Geschichtsstunde über die Vergangenheit der Welt und über die Welt der Comics. Zudem legt sich Voloj auf die richtigen Details im Leben seines Protagonisten und auf die richtigen Momente der Story fest. Dennoch ist genug Platz für z. B. die Anekdote, woher Lois und Clark ihre Namen haben, oder für Gastauftritte von Marvel-Gott Stan Lee (der Siegel später noch mal eine Chance als Autor gab), dem revolutionären Zeichner Neal Adams (der die US-Szene für Shuster/Siegel mobil machte) und Batmans Miterfinder Bob Kane (der für sein anfangs wenig faires Verhalten zur Frage des Urheberrechts am Dunklen Ritter ganz schön sein Fett wegkriegt und am Telefon sogar zum Joker mutiert).

Der italienische Künstler Thomas Campi lebte mehrere Jahre in China und hat sich inzwischen in Australien niedergelassen, weshalb er und Voloj mithilfe von Skype, Dropbox und Co. über mehrere Zeitzonen hinweg arbeiten mussten. Campi visualisierte die Geschichte von Superman und seinen Vätern im selben Stil wie den erst im letzten Jahr auf Deutsch herausgekommenen Comic „Magritte: Dies ist keine Biografie“. Sanfte Pastelltöne und ein deutlicher Norman-Rockwell-Vibe beherrschen also auch wieder den Band über Shuster, Siegel und Supes. Campis weicher Strich und seine warmen Farben, die dem europäischen Comic und dem Animationsfilm am nächsten sind, können schon als Gegenentwurf zum typischen Look der Superhelden bezeichnet werden (wenn man es drauf anlegt, könnte man am ehesten eine Verwandtschaft zu Comic-Maler Alex Ross konstruieren). Und natürlich funktioniert eine realistische, fundierte Auseinandersetzung mit den Anfängen der Superheroes durch diesen optischen Kontrast umso besser. In der einen oder anderen Collage sind zwischendurch noch originale Cover und Comic-Seiten zu sehen, die sich plakativ und gut in das Gesamtbild einfügen.

„Joe Shuster – Vater der Superhelden“ ist eine gelungene Comic-Geschichte, und eine gelungene Comic-Geschichtsstunde. Dass die Macher darin klar Partei ergreifen und Position beziehen, kann man ihnen nur schwer zum Vorwurf machen. Schließlich gehört das Fallbeispiel Shuster/Siegel/Superman zu den unschönen Kapiteln der amerikanischen Superhelden-Historie – und klingt noch heute nach. In anhaltenden Rechtsstreitigkeiten; in spät zugestandenen Credits für die Erschaffer multimedial erfolgreicher Recken; in Alan Moores Zerwürfnis mit DC über die Entlohnung und Rechte in Bezug auf „Watchmen“ und dem davon unbeeindruckten Interesse der Fans an neuen Comics mit den Wächtern; und nicht zuletzt in wichtigen Creator-Owned-Bewegung, deren Macher die volle kreative und rechtliche Kontrolle über ihre Werke und Figuren behalten, und die mittlerweile herausragende Titel wie „Bone“, „Hellboy“, „Sin City“, „The Walking Dead“ und „Saga“ hervorgebracht hat.

Julian Voloj und Thomas Campi bringen ihren Comic-Roman auf Höhe der 70er mit einem Happy End zum Abschluss. Eine weise Entscheidung, denn nach diesem Sieg der Gerechtigkeit, seitdem Shuster und Siegel stets als Superman-Schöpfer benannt werden, gab es noch einige Prozesse zwischen Warner Bros., DC, den Künstlern und zuletzt deren Erben. Dabei wurde es irgendwann immer schwieriger, zwischen korrekten Ansprüchen und schnöder Gier zu unterscheiden. Das wollten die Shuster-Panelbiografien aber nicht mal im Textanhang haben.

Alle Abb.: Joe Shuster © Julian Voloj / Thomas Campi, Carlsen Verlag Hamburg 2018

Julian Voloj, Thomas Campi: Joe Shuster – Vater der Superhelden • Carlsen, Hamburg 2018 • 176 Seiten • Hardcover: 19,99 Euro

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.