22. November 2018

Superhackerin Lisbeth lebt

Fede Alvarez „Verschwörung“ ist ein neuer Salander-Film – mehr oder weniger

Lesezeit: 3 min.

Eigentlich ist Lisbeth Salander ja eine Figur, die wie geschaffen ist für die #metoo-Ära, eine selbstbestimmte, selbstbewusste Frau, die an den Männer gelitten hat und immer noch leidet, dem Patriarchat aber mit Intelligenz und ganzem Körpereinsatz entgegentritt. Welche moralischen Abgründe sie bei ihren oft der Selbstjustiz ähnelnden Aktionen betritt, war eine der Stärken der von Stieg Larsson geschriebenen Milleniums-Trilogie, die auch in den drei schwedischen Verfilmungen – mit Noomi Rapace als Salander – und ansatzweise auch in David Finchers stilistisch brillantem, aber irgendwie doch überflüssigem Hollywood-Remake – mit Rooney Mara als Salander – zu spüren war.

Mit weltweit über 80 Millionen verkauften Exemplaren zählt die Milleniums-Trilogie zu den erfolgreichsten Buchserien der Gegenwart und so mag man es keinem Verlag verdenken, diesen Erfolg weiterzuschreiben, auch wenn der ursprüngliche Autor schon verstorben ist. In diesem Fall übernahm das David Lagercrantz, dessen bekanntestes Werk „Ich bin Zlatan“ heißt und die Biographie des bekannten Fußballers und Selbstdarstellers Zlatan Ibrahimovic ist. Unter dem deutschen Titel „Verschwörung“ erschien 2015 die erste Fortsetzung, die nun auch verfilmt wurde. Regie führte der aus Uruguay stammende Fede Alvarez, der sich mit Filmen wie „Evil Dead“ und „Don’t Breathe“ einen Namen als effektiver, aber auch unorigineller Genre-Regisseur gemacht hat.

Kann es deswegen überraschen, dass auch „Verschwörung“ ein durchaus effektiver, aber dann doch bemerkenswert unorigineller Film geworden ist? Zwar heißt die Hauptfiguren auch hier Lisbeth Salander (diesmal gespielt von Claire Foy, zuletzt in „Aufbruch zum Mond“), doch mit der so faszinierenden, weil komplexen und ambivalenten Figur, die sich Larsson einst ausdachte, hat diese Version kaum noch etwas zu tun. Äußerlich ist sie zwar immer noch der tätowierte, vor Piercings strotzende Racheengel, doch wie sie die titelgebende Verschwörung mit Leichtigkeit bekämpft, ähnelt mehr den fast übermenschlichen Fähigkeiten eines James Bonds oder gar eines Comic-Helden.


„Mein Name ist Salander…“


„… Lisbeth Salander.“ – „Verschwörung“

Passenderweise geht es dann auch um ein vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Frans Balder (Stephen Merchant) geschriebenes Programm, mit dem sich sämtliche Nuklearraketen der Welt kontrollieren ließen. Nun hat Balder Zweifel an seinem Werk bekommen und beauftragt Salander, es zu stehlen und zu vernichten. Doch das geht gründlich schief und so hat Salander bald nicht nur den schwedischen Geheimdienst auf den Fersen, sondern auch den NSA-Agenten Edwin Needham (Lakeith Stanfield), vor allem aber ihre verstorben geglaubte – in der Original-Trilogie nur kurz erwähnte – Zwillingsschwester Camilla (Sylvia Hoeks).

Der familiäre Hintergrund spielt jedoch kaum eine Rolle, ebenso wenig wie die Traumata, die Salander zu dem machten, was sie ist. Beziehungsweise war, denn diese Salander hat kaum noch etwas mit der ursprünglichen zu tun, sondern ist stattdessen eine in allen Bereichen überragende Figur: Egal ob es darum geht, in Sekunden die Computer der NSA zu hacken, mit dem Motorrad auf eisglatten Seen davonzurasen oder im Nahkampf zu bestehen: Diese Salander ist unfehlbar und eine dementsprechend eindimensionale Figur. Claire Foy bemüht sich trotz dauerhaft finsterem Gesichtsausdruck zwar redlich um Ambivalenz, doch angesichts der zwar souveränen, aber doch allzu glatten Inszenierung ist hier von Abgründen wenig zu spüren. Ein solider Thriller ist „Verschwörung“ am Ende geworden, schnörkellos, aber eben auch ohne die Ecken und Kanten, die die Salander-Figur einst auszeichnete.

„Verschwörung“ startet am 22. November im Kino. Abb.: Sony Pictures Germany

Verschwörung (The Girl in the Spider’s Web) • UK, Deutschland, Schweden, Kanada, USA 2018 • Regie: Fede Alvarez • Darsteller: Claire Foy, Sverrir Gudnason, Lakeith Stanfield, Sylvia Hoeks, Stephen Merchant, Claes Bang

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