Erster!

Es wackelt und dröhnt. Bilderfetzen zucken über die Leinwand. Instrumente sind zu erkennen, das All, die Atmosphäre, von der das Testflugzeug abgeprallt ist, so dass es nun ins All zurückzugleiten droht und das Leben des Pilotens Jahre vor dem Moment zu beenden droht, für das er weltberühmt werden soll. Neil Armstrong heißt der Pilot, der in der atemberaubenden Eröffnungssequenz von Damien Chazelles „Aufbruch zum Mond“ gerade so sein Flugzeug retten kann und sicher in der Wüste landet. Sein Chef sieht die Fastbruchlandung nicht gern und würde ihn am liebsten aus dem Programm schmeißen. Chuck heißt dieser Chef und wer sich ein bisschen mit dem Weg zur Mondlandung auskennt weiß natürlich, dass das Chuck Yeagar ist, jener legendäre Testpilot, der im Mittelpunkt von Philip Kaufmans „Der Stoff, aus dem die Helden sind“ stand. Als dieser Film 1983 ins Kino kam war Damien Chazelle noch nicht einmal geboren, aber man kann davon ausgehen, dass er den Film nicht nur gesehen, sondern intensiv studiert hat, denn sein „Aufbruch zum Mond“ behandelt zum Teil die gleichen Ereignisse und ähnelt dem Vorbild in vielerlei Hinsicht.

Wie ein Doku-Drama inszeniert Chazelle über weite Strecken, erzählt penibel nach, wie Armstrong zum Teil jenes Programms wurde, das John F. Kennedy Anfang der 60er Jahre mit dem Ziel initiierte, noch vor Ende des Jahrzehntes einen Mann auf den Mond zu bringen. Vor allem um schneller zu sein als die andere Supermacht, die Sowjetunion, die im All lange Zeit stets einen Schritt voraus war: Erstes Lebeswesen im All, erster Mensch im All, erster Weltraumspaziergang.

Zweiter zu sein ist nicht Sache der Amerikaner, doch für die Astronauten selbst, vor allem für Neil Armstrong, war der Flug zum Mond viel mehr als ein Wettkampf der Systeme. Sie hofften, dass das Betreten des Mondes den Blick auf die Erde fundamental ändern würde. Der Blick von Außen auf den kleinen blauen Planeten sollte die Menschheit vereinen, zeigen, dass sie eins war, dass sie gemeinsam am Lösen der großen Probleme arbeiten sollte und sich nicht in all den Kriegen und Konflikten aufreiben sollte, die die 60er Jahre prägten.

Bekanntermaßen kam es anders, doch der Geist dieses hehren Gedankens durchzieht „Aufbruch zum Mond“ und macht ihn zu so einem pathetischen, überwältigenden Erlebnis. Gerade auch weil Chazelle, der in seinen ersten beiden Filmen „Whiplash“ und „La La Land“ oft einen Hang zum Kitsch frönte, hier so zurückhaltend inszeniert wie nie. In Ryan Gosling hat er zudem den idealen Neil Armstrong gefunden, der stets ein wenig introvertiert wirkt, im Verhältnis zu seiner Frau und seinen Kindern geradezu distanziert. Der ihre Ängste sieht, aber zurückweist, der trotz immer neuer Todesfällen bei Testflügen nie daran zweifelt, dass es das Richtige ist, zum Mond zu fliegen.

Und wenn es dann soweit ist, wenn Apollo 11 abhebt, später dann die Landefähre auf dem Weg zum Mond ist und die legendären Sätze von „The Eage has landed“ bis zu „One small step for man, one giant leap for mankind“ fallen, zieht Chazelle alle Register der filmischen Möglichkeiten. Wer auch nur im entferntesten die Möglichkeit hat „Aufbruch zum Mond“ in einem richtigen IMAX-Kino zu sehen, sollte keine Mühen und Kosten scheuen: Denn die Szenen der Mondlandung drehten Chazelle und sein Team im fast quadratischen IMAX-Format, was, zusammen mit dem ebenfalls unvergleichlichen IMAX-Tonsystem ein immersives Erlebnis erzeugt, wie man es im Kino selten erlebt. Näher als hier wird man dem Gefühl, den Mond zu betreten nie sein, vor allem aber dem Gefühl zu ahnen, wie sehr die Mondlandung für zumindest einen Moment die Menschheit einte.

„Aufbruch zum Mond“ startet am 8.11.2018 im Kino. Abb.: Universal Pictures

James R. Hansens Armstrong-Biografie „Aufbruch zum Mond“, auf der der Film basiert, gibt es im Shop.

Aufbruch zum Mond (First Man) • USA 2018 • Regie: Damien Chazelle • Darsteller: Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke