2. Januar 2019

Was ist das denn?

„Kin“ ist ein Road Movie, ein Drama, aber am Ende doch Science-Fiction – könnte man sagen

Lesezeit: 3 min.

Was macht einen Film eigentlich zu einem Science-Fiction-Film? Klar, bei Weltraumschlachten, Kampfrobotern oder schleimigen Aliens ist die Frage leicht zu beantworten, aber wie sieht das etwa bei „Stalker“ aus? Optisch gibt sich Andrej Tarkovskys Meisterwerk eigentlich durch nichts als Science-Fiction-Film zu erkennen, hier ist es die Atmosphäre, die Aussage, das Reisen in eine unwirtliche, postapokalyptische Zone, die ihn dem Genre zuordnen. Und das gerade im zeitgenössischen Kino Genre-Grenzen oft verschwimmen, macht die Einordnung nicht leichter.

Bei „Kin“, dem Debütfilm der Brüder Jonathan & Josh Baker stellt man sich diese Frage immer wieder, dann etwa, wenn die Hauptfiguren Eli (Myles Truitt) und sein älterer Bruder Jimmy (Jack Reynor) durch die amerikanische Provinz fahren, zwischenzeitlich begleitet von der Stripperin Milly (Zoe Kravitz), verfolgt von der Polizei und dem latent durchgedrehten Taylor Bolek (James Franco, in exaltiertem Asi-Modus). Was daran Science-Fiction ist? Gar nichts. Man könnte sich diese Geschichte um zwei ungleiche Brüder, der ältere weiß und kriminell, der jüngere schwarz und adoptiert, auch als klassisches Road Movie vorstellen, eine Flucht vor den Problemen zu Hause, eine Coming-of-Age-Geschichte, eine Annährung von ungleichen Charakteren.

Doch ein Element der Geschichte von „Kin“ verändert vielleicht nicht alles, aber doch vieles, spielt zwar lange Zeit kaum eine Rolle und gerät zwischendurch fast in Vergessenheit und ist doch das eine kleine, Element, dass „Kin“ zu Science-Fiction und interessant macht: Eine futuristische Plasma-Wumme, die Eli anfangs in einem verfallenen Gebäude gefunden hat.


Ratlos im Nirgendwo – Zoë Kravitz, Jack Reynor und Myles Truitt in „Kin“

Nur zwei, drei Mal setzt Eli die Waffe im Lauf der Reise ein, doch das reicht, dass sich ein Duo auf seine Spur macht, das mit seinen undurchsichtigen Helmen und coolen Anzügen wie Doppelgänger von Daft Punk wirken, nur noch undurchsichtiger. Wie diese beiden Ebenen zusammenkommen offenbart sich erst ganz am Ende, das eine Fortsetzung unbedingt wünschenswert macht. Ist die bloße Anwesenheit einer offensichtlich außerirdischen Plasma-Wumme nun ausreichend, um „Kin“ als Science-Fiction-Film durchgehen zu lassen?

Auf jeden Fall ist es ein sehr moderner Ansatz, der vermutlich nicht von ungefähr an die „Cloverfield“-Reihe erinnert, besonders an die vorgebliche Fortsetzung „10 Cloverfield Lane“. Die spielte ja über weite Strecken in einem Bunker, wo ein Mann zwei junge Frauen gefangen hält. Die Verbindung zum Originalfilm existierte über 95 % des Films allein durch den Titel, was aber ausreichte, um ein ständiges Nachdenken über die Frage zu verursachen, wo denn nun die Verbindung ist.

Eine durchaus clevere Methode, zusätzlich Spannung zu erzeugen, die in „Kin“ noch auf die Spitze getrieben wird. Plakat und Trailer kann man zwar nur als Etikettenschwindel bezeichnen, denn dort wird ein Maß an Science-Fiction-Action behauptet, der im fertigen Film nur im Ansatz existiert. Doch durch das geschickte, homöopathische Einstreuen eines fantastischen Elements erzeugen die Baker-Brüder die Illusion eines viel größeren Universums, als sie unmittelbar zeigen. Die Fragen, die sich am Ende von „Kin“ stellen, führen dann auch weit über das Gesehene hinaus, was dann zu dem ungewöhnlichen Ergebnis führt, dass das was man nicht gesehen hat, spannender ist als das, was gezeigt wurde.

„Kin“ ist gerade als DVD, Blu-ray und VOD bei Concorde erschienen.

Kin (USA 2018) • Regie: Jonathan & Josh Baker • Darsteller: Myles Truitt, James Franco, Jack Reynor, Zoe Kravitz

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.