30. Januar 2019 2 Likes

Ein Schlaglicht in der Dunkelheit

Was wir dank der Raumsonde New Horizons bisher über das Kuiper-Gürtel-Objekt „Ultima Thule“ wissen

Lesezeit: 4 min.

Seit Anbeginn der Zeit treibt eine kleine Welt um unsere Sonne, ganz weiß draußen, wo das Licht sie fast nicht mehr erreichen kann. Ihr wenig poetischer Name lautet 2014 MU69, und im Gegensatz zu all den anderen Gesteinsbrocken in der äußersten Region unseres Sonnensystems ist sie berühmt, denn sie bekam Besuch von uns. Am 1. Januar ist die NASA-Sonde New Horizons mit unglaublichen 50.700 Kilometern pro Stunde an ihr vorbeigezogen und hat dabei eine Reihe von Daten gesammelt, die im Laufe der nächsten 20 Monate zur Erde gesendet werden. Während Ultima Thule, wie MU69 inoffiziell getauft wurde, schon längst wieder im Dunkel des Weltraums liegt, werfen wir erste Blicke darauf.


Drei Mal Ultima Thule: das erste Farbbild entstand aus einer Entfernung von 137.000 Kilometern und zeigt die rötliche Oberfläche, während das mittlere Bild mit dem Long-Range Reconnaissance Imager (LORRI) aufgenommen wurde und mehr Tiefenschärfe aufweist. Das Bild ganz rechts ist eine Kombination dieser beiden Bilder und zeigt, dass die beiden einzelnen Körper eine sehr ähnliche Farbe aufweisen. © NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Die Bilder, die wir bisher erhalten haben, sind noch nicht die besten (die werden bis Ende Februar erwartet), aber sie verraten uns doch schon einiges über Ultima Thule: so sehen höchstwahrscheinlich Kometen aus, ehe sie zu Kometen werden. Es handelt sich um ein Binärsystem, also um zwei Himmelskörper, die einander umkreisen, mit einer Länge von 33 Kilometern und einer Breite von 16 Kilometern. Binärsysteme sind gängig im Kuiper-Gürtel; das prominenteste Beispiel hierfür sind Pluto und Charon. In Ultima Thules Fall berühren sich die beiden einzelnen Gesteinsbrocken sogar, und das schon seit Milliarden von Jahren; ebenfalls nichts Ungewöhnliches bei KBOs – Kuiper Belt Objects, also Objekte im Kuiper-Gürtel. Der erste Komet, den wir je so genau gesehen haben, 1P/Halley, sah so aus; und selbst der Komet, den wir bisher am genauesten unter die Lupe genommen haben, 67P/Churyumov-Gerasimenko, hat diese Form. Es könnte gut sein, dass Ultima Thule und 67P auf eine ganz ähnliche Art und Weise in etwa zur selben Zeit entstanden sind. Bei beiden handelt es sich um zwei Körper, von denen einer etwa halb so viel Masse aufweist wie der andere. Vermutlich haben sie einander zunächst umkreist, bis ihr Orbit durch etwas – beispielsweise einen Einschlag – gestört wurde, sodass sie sich immer weiter angenähert haben. Das kann unter bestimmten Umständen sehr, sehr langsam erfolgen, mit Geschwindigkeiten von weniger als einem Meter pro Sekunde, sodass die beiden Körper an den Kontaktstellen aneinander „kleben bleiben“ und ein „contact binary system“ formen, anstatt komplett miteinander zu verschmelzen und einen großen Himmelskörper zu bilden (mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem englischsprachigen Artikel von David Nesvorný, Joel Parker und David Vokrouhlický im Astronomical Journal). 67P und MU69 scheinen also verwandt zu sein.

Im Gegensatz zu 67P, der auf seiner elliptischen Bahn bis ins innere Sonnensystem vordringt, umkreist Ultima Thule unsere Sonne auf einer Bahn, die fast kreisförmig ist und sich vermutlich seit der Entstehung des Sonnensystems nicht groß verändert hat. Die meisten Kurzperiodischen Kometen (also solche mit Umlaufzeiten von weniger als 200 Jahren, wie beispielsweise der Halleysche Komet oder 67P) stammen vermutlich aus dem Kuiper-Gürtel (während langperiodische Kometen wie Hale-Bopp aus der Oortschen Wolke stammen), wo ihre Umlaufbahnen durch Ereignisse wie Kollisionen so verändert werden, dass sie Richtung Sonne getrieben werden. Ultima Thule ist das offenbar nicht passiert. Die stetig besser werdenden Bilder von New Horizons ermöglichen uns gewissermaßen einen Blick in die Kometen-Kinderstube.


Das bis dato schärfste Bild von Ultima Thule, aufgenommen mit der Weitwinkel-Farbkamera aus einer Entfernung von 6.700 Kilometern nur sieben Minuten vor der größten Annäherung von New Horizon an das KBO. © NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute 

Das neuste Bild, das vor wenigen Tagen von der NASA veröffentlicht wurde, entstand aus einer Entfernung von 6.700 Kilometern und zeigt entsprechend mehr Details von der Oberfläche. Bei den ersten Fotos vom 2. Januar stand die Sonne zudem direkt hinter der Raumsonde, sodass auf dem KBO keine Schatten – und damit auch keine Andeutungen zu Hügeln oder Senken – sichtbar waren. Bei den neueren Bildern trifft das Licht etwas mehr seitlich auf Ultima Thule. Die Oberfläche des KBOs, das sich in rund 15 Stunden einmal um sich selbst dreht, ist rot und sehr, sehr dunkel (sie reflektiert nur 6-13% des einfallenden Sonnenlichts). Beide Objekte haben in etwa dieselbe Dichte wie Wassereis, und bisher konnte keine Atmosphäre entdeckt werden. Auch scheint Ultima Thule keine Monde zu besitzen. Auf dem kleineren der beiden Objekte kann man eine große, kreisförmige Vertiefung mit einem Durchmesser von rund sieben Kilometern erkennen, die aber nicht zwangsläufig ein Einschlagkrater sein muss. Es könnte ebenso gut sein, dass sie beim Kollaps von Strukturen unter der Oberfläche entstanden ist, wir es also mit einer Art Doline zu tun haben. In dieser Senke sind mehrere vergleichsweise helle Flecken zu sehen, und an der Tag-und-Nacht-Grenze auf beiden Objekten sehen wir kleinere Einschlagkrater mit Durchmessern bis zu 700 Metern. An ihnen können die Forscher unter anderem abschätzen, wie viele kleinere Asteroiden, die von der Erde aus nicht sichtbar sind, in dieser Region des Sonnensystems vorhanden sind. Besonders bemerkenswert ist der „Nacken“, also die Verbindungsstelle der beiden Gesteinsbrocken, die die NASA „Ultima“ und „Thule“ getauft hat, die als weißer „Kragen“ erscheint. Wie und warum diese Flecken entstanden sind, wissen wir noch nicht, und das New-Horizons-Team muss auf weitere Daten und Bilder warten, ehe es versuchen kann, eine Antwort auf diese Fragen zu finden (derzeit dauert es über sechs Stunden, ehe die Signale der Sonde die Erde erreichen). Wir dürfen also gespannt sein, was da noch kommt.


NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Mehr Informationen rund um die New-Horizons-Mission finden Sie auf pluto.jhuapl.edu. Die unbearbeiteten Bilder von der Raumsonde können Sie hier einsehen.

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