12. Dezember 2018 1 Likes

Interstellar 2

Nach 41 Jahren Reisezeit hat die Raumsonde Voyager 2 den Einflussbereich unserer Sonne verlassen!

Lesezeit: 5 min.

Kurz vor Weihnachten hat die NASA uns mit einem weiteren Weltraum-Highlight beschenkt: Die Raumsonde Voyager 2 hat bereits am 5. November die Heliosphäre, also den Bereich um unsere Sonne herum, in dem der Sonnenwind und ihr Magnetfeld wirksam sind, verlassen, wie die NASA kürzlich mitteilte. Damit tritt sie sechs Jahre nach ihrer Schwestersonde Voyager 1 in die sogenannte Heliopause ein; die Randzone, in der die Sonnenwind-Partikel auf die interstellaren Partikel treffen.

Auf der Jahresversammlung der American Geophysical Union vor wenigen Tagen sprachen mehrere NASA-Wissenschaftler und -Ingenieure über die Zukunft der Sonden, die jetzt beide in einem Bereich operieren, in den die Menschheit bisher noch kaum Einblicke gewonnen hat. Voyager 2 soll fortan untersuchen, wie die Sonnenwind-Partikel mit den interstellaren Partikeln interagieren, und zudem nach kosmischer Strahlung Ausschau halten. Dasselbe macht Voyager 1 seit sechs Jahren, aber Voyager 2 bringt eine Reihe neuer Möglichkeiten mit sich: nicht nur, weil beide Sonden in gegensätzlichen Richtungen die Ekliptik verlassen haben und damit Daten aus verschiedenen Bereichen sammeln können, sondern vor allem, weil bei Voyager 2 das Cosmic Ray Subsystem (CRS), das Plasma Spectrometer (PLS) und das Plasma Wave System (PWS) noch aktiv sind. Bei Voyager 1 sind letztere bereits in den 1980er Jahren ausgefallen. Sowohl die Heliopause, als auch die hochenergetischen kosmischen Strahlen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegen, können von Voyager 2 gemessen werden. Diese Strahlen, so Georgina Denolfo, eine NASA-Astrophysikerin, seien wie kleine Botschafter aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Bisher haben wir die Umgebung unseres Sonnensystems nur durch den Sonnenwind hindurch betrachten können, jetzt haben wir gewissermaßen die Tür aufgemacht. Die könnte jedoch noch einmal zufallen: Unsere Sonne durchläuft verschiedene Aktivitätszyklen und befindet sich derzeit in einer eher ruhigen Phase. Wenn sie wieder in eine Phase gesteigerter Aktivität eintritt, könnte sich die Heliosphäre wieder ausdehnen und Voyager 2 erneut in ihren Einflussbereich eintreten und uns so noch mehr Daten über diese Grenzzone liefern. Darüber hinaus können uns die Daten, die Voyager 2 aus der Heliopause nach Hause schickt, auch einiges über Exoplaneten verraten. Jedes andere Sonnensystem verfügt ebenfalls über Heliosphäre und Heliopause. Je nach der Zusammensetzung dieser Sphären könnten wir einiges über die potenzielle Bewohnbarkeit der Planeten darin verraten.

Dass Voyager 2 überhaupt so weit gekommen ist, ist ein kleines Wunder. Die Sonde startete am 20. August 1977, zwei Wochen vor ihrer Schwester, ins All, und sollte die äußeren Planeten des Sonnensystems untersuchen. Während Voyager 1 sich auf Jupiter und Saturn konzentrierte, ehe sie Richtung interstellarem Raum aufbrach, sah Voyager 2 sich danach noch Uranus und Neptun an – als bisher einzige Raumsonde. Möglich wurde das durch eine besondere Konstellation der äußeren Planeten, die nur einmal alle 176 Jahre auftritt. So konnten beide Voyagers in Swing-by-Manöver die Schwerkraft nutzen, um sich energiesparend von Planet zu Planet zu hangeln.

Auch wenn das Budget nicht ausreichte, um die Instrumente an Bord von Voyager 2 so zu gestalten, dass sie bis Uranus und Neptun durchhalten würden, war die Flugbahn so gestaltet, dass die Sonde die beiden äußersten Planeten auf jeden Fall passieren würde. Als Backup zu Voyager 1 gedacht, waren die wichtigsten Missionsziele von Voyager 2 ebenfalls Jupiter und Saturn – alles danach war ein Bonus. Sollte Voyager 1 ausfallen, wollte man den Kurs der zweiten Sonde so ändern, dass Voyager 2 stattdessen die beiden großen Gasplaneten sah und danach ins All davonflog.

Doch dazu kam es nicht. Voyager 1 hielt durch, und Voyager 2 durfte auf ihrer Flugbahn bleiben. Sie erreichte Jupiter 1979, vier Monate nach Voyager 1, die schneller unterwegs ist, und nahm dort eine Reihe von Fotos und Daten auf, die man direkt mit denen ihrer Schwestersonde vergleichen konnte. So stellte man unter anderem Veränderungen im Großen Roten Fleck, einem gewaltigen Sturm, fest. Danach ging es weiter zum Saturn. Voyager 2 erreichte ihren nächsten Punkt zu dessen Ringen am 26. August 1981. Durch ihre Kameras beobachteten Wissenschaftler den Stern Delta Scorpii zweieinhalb Stunden lang. Das Flackern des Sterns zeigte ihnen, dass Saturn neben den großen Ringen von mehreren kleinen umgeben ist, von denen der kleinste gerade einmal 100 Meter dick ist.

Fünf Jahre nach der Pflicht erfolgte dann die Kür: Voyager 2 erreichte den Uranus am 24. Januar 1986. Sie stellte fest, dass sein Südpol zur Sonne zeigt, und dass die Atmosphäre zu 85% aus Wasserstoff und zu 15% aus Helium besteht. Dazu entdeckte sie, dass auch der Uranus ein Ringsystem hat. Sie fand 10 neue Uranusmonde und ein Magnetfeld, das um 55 Grad gegen die Rotationsachse des Planeten geneigt ist. Warum, wissen wir bis heute nicht. Daneben schickte Voyager 2 Aufnahmen vom vielleicht seltsamsten Mond im ganzen Sonnensystem: Miranda sieht aus, als sei er mehrmals auseinandergebrochen und wieder zusammengesetzt worden – aber warum und wie, bleibt uns ebenfalls noch ein Rätsel.


Miranda

Weiter zu Neptun, den Voyager 2 am 25. August 1989 erreichte und sich ihm bis auf weniger als 5.000 Kilometer annäherte. Sie entdeckte auch hier neue Monde, fünf an der Zahl, und vier Ringe um den Planeten. Die Bilder, die sie nach Hause schickte, dienen Wissenschaftlern bis heute als Vergleichsmaterial: Hubble sah, sehr zur Überraschung der Forscher, dass sich auf dem Neptun Stürme zusammenbrauen. Voyager 2 schien in einer ruhigen Phase vorbeigekommen zu sein. (Dasselbe gilt übrigens auch für Uranus, auf dem man 2014 gigantische Stürme entdeckte.)

Voyager 2 ist 17.853.556.780 Kilometer von der Sonne entfernt, während ich diese Zeilen schreibe – und es werden sekündlich 17 Kilometer mehr, so schnell ist die Sonde unterwegs. Einfach dauert es sechzehneinhalb Stunden, bis ihre Signale uns erreichen. Und in ein paar Jahren werden selbst die stärksten Empfangsanlagen auf der Erde nicht mehr in der Lage sein, ihre stetig schwächer werdenden Signale aufzufangen. Denn beiden Voyagers geht langsam der Saft aus, den sie vor allem zum Beheizen ihrer Instrumente brauchen. Derzeit operiert Voyager 2 bei einer „Innentemperatur“ von 3,6° Celsius, und jedes Jahr erzeugt sie im Schnitt 4 Watt weniger Energie. Wenn die Sonde, wie von der NASA geplant, bis 2025 durchhalten soll, müssen irgendwann einige der Instrumente abgeschaltet werden. Den Wissenschaftlern stehen also schwierige Entscheidungen bevor.

Aber selbst wenn beiden Sonden endgültig die Puste ausgegangen ist, werden sie weiter ihrem Kurs folgen. Bis zur Oort’schen Wolke, der Grenze unseres Sonnensystems, dauert es noch 300 Jahre. In etwa 30.000 Jahren werden die Voyagers sie dann durchflogen haben. Danach befinden sie sich auf einem langsamen Flug einmal rund um das Zentrum der Milchstraße, der Milliarden Jahre dauern wird. Sie und ihre goldenen Schallplatten sind die ersten Botschafter der Menschheit im All, und vielleicht findet sie ja jemand auf ihrer „Grand Tour“. Ob es uns Menschen dann noch geben wird?

Mehr Informationen zur Voyager Interstellar Mission finden Sie auf voyager.jpl.nasa.gov.

Alle Bilder: NASA/JPL

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