25. Februar 2019 3 Likes

Ein Zuhause auf dem Mars …

… ist möglich. Aber hier sind einige Punkte, die wir dabei unbedingt beachten sollten

Lesezeit: 5 min.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der Mars in den Nachrichten auftaucht. Ob es dabei um das ExoMars-Raumsondenprojekt der ESA, den NASA-Rover Curiosity, Kinofilme oder Dokumentationen geht – der vierte Planet unseres Sonnensystems stößt immer auf Interesse, und er hat uns schon immer fasziniert.

Eine der frühesten fiktionalen Darstellungen des Mars stammt von dem deutschen Jesuitenpater und Vielschreiber Athanasius Kircher. In seinem „Itinerarium exstaticum“ von 1656, einer imaginären Planetenreise, beschreibt er den Mars als dunklen Ort voll Feuer und Rauch. Seitdem haben sich Wissenschaft und Science-Fiction bei ihrer eifrigen Suche nach Erkenntnissen über den Roten Planeten immer wieder gegenseitig neue Impulse verliehen. 1877 meinte Giovanni Schiaparelli bei einem Blick durch das Teleskop Meere und Kontinente zu sehen, die denen auf unserer Erde sehr ähnlich sind. Seine Entdeckung inspirierte wiederum H.G. Wells zu seinem Opus Magnum „Krieg der Welten“ und den deutschen Autor Kurd Laßwitz zu „Auf zwei Planeten“ (beide Werke erschienen 1897).

In den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts landeten im Zuge des Viking-Programms zwei Raumsonden der NASA auf dem Mars. Ihre Funde sind auch heute, rund fünfzig Jahre später, weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen – wobei neue Auswertungen der Daten möglicherweise auf Leben auf dem Mars hinweisen.

Die Science-Fiction hat sich schon immer an den aktuellen Forschungsergebnissen orientiert. Da wir inzwischen mehr darüber wissen, was dazu nötig ist, um Menschen auf einen anderen Planeten zu schicken, sind auch unsere Geschichten über den Roten Planeten realistischer geworden. „Der Marsianer“ von Andy Weir oder mein eigener Roman „Habitat“ beschreiben mit den Mitteln der Fiktion die Voraussetzungen, die ein Leben auf dem Mars erst ermöglichen. Dabei sind einige der Hauptfaktoren für den Erfolg dieses Vorhabens ziemlich überraschend.

Erstens: Die Diversität der Crew. Diversität ist mehr als nur ein Modewort. Die NASA hat im Abstand von dreißig Jahren zwei Space-Shuttles aufgrund katastrophaler Fehler verloren. Beide Fälle hatten eine fatale Gemeinsamkeit: Gruppendenken, also das psychologische Phänomen, dass Menschen, die einander ähnlich sind, zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangen und sich darin gegenseitig bestärken. Im Zuge dessen werden dann, wenn auch ungewollt, alle abweichenden Erkenntnisse ignoriert und kleingeredet. Gruppendenken findet überall dort statt, wo wenig Diversität herrscht, sei es in der Wissenschaft, in der Politik oder im örtlichen Kegelverein.

So warnten zum Beispiel am Vorabend der Challenger-Katastrophe Ingenieure von Morton Thiokol, dem Hersteller der Trägerraketen, die NASA davor, dass die O-Ringe an den Boostern nicht richtig dichten würden, da der Start bei ungewöhnlich kaltem Wetter stattfinden sollte. Die Verantwortlichen bei Thiokol und der NASA wollten den Start jedoch nicht verzögern. Nur dreiundsiebzig Sekunden nach dem Start versagten die O-Ringe in einer Höhe von vierzehn Kilometern und sieben Astronauten starben.

Bei der Columbia-Katastrophe führte das Gruppendenken zu Nachlässigkeit. Das Problem, dass sich bei den Starts der Space-Shuttles immer wieder Teile der Schaumstoffisolierung von den Außentanks lösten und gegen die Unterseite der Raumschiffe geschleudert wurden, war seit über zehn Jahren bekannt. Eine Beschädigung des Hitzeschildes sollte immer Anlass zur Besorgnis geben, aber in diesem Fall hatte man sich einfach daran gewöhnt. Um es mit den Worten des Astronauten Scott Kelly auszudrücken: „Keiner von uns allein ist so dumm wie wir alle zusammen“.

Bei der Besatzung des ersten bemannten Marsflugs wird Diversität eine große Rolle dabei spielen, wenn es darum geht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Da der Mars je nach Position auf seiner Umlaufbahn zwischen fünfzig und vierhundert Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist, ist es entscheidend, dass die Crew aus Männern und Frauen verschiedener Nationalitäten mit unterschiedlichem Background sowie unterschiedlichen Fachgebieten besteht, um durch Gruppendenken verursachte Katastrophen zu vermeiden. Ja-Sager werden dabei nicht gebraucht.

Zweitens: Das Mars-Habitat. Ein Aspekt des bemannten Marsflugs wird im Film durchweg falsch dargestellt. Die Erde hat den Vorteil, vollständig von einem dichten Magnetfeld umschlossen zu sein, das sie vor Sonnen- und kosmischer Strahlung schützt. In Richtung Sonne erreicht seine Länge den zehnfachen Radius unseres Planeten, auf der sonnenabgewandten Seite sogar atemberaubende 600.000 Kilometer. Anders als die Sonnenstrahlung kommt die gefährlichere, von Supernovas oder Kollisionen zwischen Neutronensternen stammende kosmische Strahlung aus allen Richtungen. Das Erdmagnetfeld schützt uns davor, doch selbst durch diesen dichten Schutzmantel dringt noch genug Strahlung, um möglicherweise das Krebsrisiko für Piloten und Flugbegleiter zu erhöhen.

Auf dem Mars gibt es kein globales Magnetfeld. Obwohl dort eine Durchschnittstemperatur von -125 °C herrscht, wird seine Oberfläche beständig von Sonnen- und kosmischer Strahlung bombardiert. Auch Andy Weir ist sich bewusst, dass der Astronaut Mark Watney aus „Der Marsianer“ im echten Leben vermutlich Krebs bekommen würde.

Um dem Krebsrisiko entgegenzuwirken, müsste eine längerfristig bewohnte Marsbasis etwa zwei Meter unter dem Regolith (Marsboden) oder in einer Lavahöhle errichtet werden. Statt sich täglich auf der Marsoberfläche aufzuhalten, wären die Astronauten wohl gezwungen, den meisten Teil ihrer Zeit in dieser Basis zu verbringen und von dort aus Drohnen auf der Oberfläche zu steuern.

Die NASA setzt zwar bereits Mars-Rover ein, deren Bewegungen müssen aber wegen der Zeitverzögerung zwischen Senden und Empfangen der Befehle (was zwischen fünfzehn Minuten und über einer Stunde dauern kann) sorgfältig Tage oder sogar Wochen im Voraus geplant werden. Eine Bedienung in Echtzeit würde neue Erkundungsmöglichkeiten eröffnen.

Die Aufrechterhaltung der zum Leben notwendigen Temperatur im Inneren der Basis würde außerdem Wärmeerzeugung erfordern, sodass das Habitat am besten in der Nähe des Äquators errichtet werden sollte, um nicht den extremeren Bedingungen an den Polen ausgesetzt zu sein und die Stromerzeugung der Sonnenkollektoren zu maximieren.

Peter Cawdron: HabitatEine zukünftige Marsbasis wird daher weniger Ähnlichkeit mit den Hochglanzvisionen Hollywoods haben, sondern eher an einen Flugzeugbunker im Nahen Osten erinnern. Man muss sich also ein großes, zum Schutz vor kosmischer Strahlung mit Sand und Steinen bedecktes halbrundes Gewölbe vorstellen.

Und schließlich drittens: die Erde 2.0. Die Erkundung des Mars ist das nächste große Ziel des bemannten Raumflugs. Aber der Mars ist nicht die Erde 2.0. Auf dem Mars zu leben wird eine größere technische Herausforderung sein, als den Mount Everest zu besteigen oder in der Antarktis zu überleben – und gefährlicher dazu. Wir sollten also gut auf die Erde 1.0 aufpassen, denn sie ist der einzige Planet, den wir haben.
 

Peter Cawdron ist in Neuseeland geboren und aufgewachsen, reiste einige Jahre durch die USA und Schottland, bevor er sich in Australien niederließ und sich ganz dem Schreiben widmete. Sein Mars-Roman „Habitat“ (im Shop) ist im Heyne Verlag erschienen.

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