8. März 2019 2 Likes

Schöner Schein

Auch wenn bei „New Dawn“ nicht alles Gold ist was glänzt, macht die „Far Cry 5“-Fortsetzung durchaus Laune

Lesezeit: 5 min.

Der Natur konnte wohl nichts Besseres als ein Atomkrieg passieren. Dass man das mal im Kontext eines Spiels mit Postapokalypse-Setting sagen darf, ist ohne Übertreibung das größte (und einzige echte) Alleinstellungsmerkmal des jüngsten Ubisoft-Shooters New Dawn (erhältlich für PS4, Xbox One und PC), der erstmals in der Geschichte der Far Cry-Reihe (mit ihren von Kritikern gern oft als arbeitsintensiv beschriebenen offenen Spielwelten) einen direkten Vorgänger storytechnisch fortsetzt.

Ein kleiner Spoiler ist daher kaum zu vermeiden. Denn am Ende von Far Cry 5 steht der nukleare Bombenhagel, als dessen Folge das amerikanische Hinterland von Hope County dem Erdboden gleichgemacht wird. Doch New Dawn ergeht sich nun gerade nicht in zerstörten Ödlandschaften, sondern lässt nach wenigen Jahren eine prächtige Flora und Fauna erblühen, die jede postatomare Tristesse in grellen Neonfarben einfach wegleuchtet.

Ehe es sich die aus ihren Bunkern kriechende Restmenschheit allerdings im floralen Exitus zu bequem beim Neuaufbau machen kann, zieht ihnen eine fiese Gang namens Highwaymen unter der Führung von zwei durchgeknallten Zwillingsschwestern einen dicken Strich unter die Rechnung. Da kommen nun wir als Captain einer Widerstandsbewegung ins Spiel. Nach der geschlechtlichen Auswahl und Ausgestaltung unseres (stummen) Charakters, machen wir nach einem schnittigen Tutorial-Abschnitt Bekanntschaft mit den beiden Schwestern, die – wie schon ihre Schurken-Vorgänger wie Pagan Min oder Vaas – mit viel aufgesetzten Irrsinn ein wenig Charisma vorgaukeln, das der sehr reduzierten und leider ziemlich belanglos vor sich hin pfeifenden Story dann aber weitgehend fehlt. Unser Ziel besteht folglich darin, den Schwestern das Handwerk zu legen und mithilfe des Aufbaus einer prosperierenden Siedlung Hope County zu Frieden und gemeinschaftlichem Wohlstand zu verhelfen.

Spielerisch bedeutet das für uns das übliche Open World-Prozedere aus Map-Erkundung, Ressourcensammeln und dem Abklappern verschiedener Missionstypen, die sich mit Stealth, Ballern, dem Einsatz selbstgemachter Gadgets und einiger nach und nach freigespielter KI-Mitstreiter bestreiten lassen. Neben einem schlauen Hund oder auch bereits bekannten Charakteren wie Chaosrübe Hurk und seinem Raketenwerfer, gibt sich auch eine waschechte Wildsau dabei die Ehre. Die Recken stehen uns wahlweise zur Seite und sind trotz eher bescheidener KI ein wichtiges wie spaßiges Element gerade bei den Missionen. Mal müssen wir ein feindliches Lager einnehmen, mal eine Figur aus den Fängen der Highwaymen befreien oder versteckte Gegenstände in einem vordefinierten Gebiet ausfindig machen.

Was zunächst nicht unbedingt abwechslungsreich klingt, gestaltet sich über die Spielzeit als durchaus launig. Denn gerade die sogenannten Spezialisten, die wir zum Ausbau unserer Basis rekrutieren müssen, verlangen ganz eigene Erledigungen und scheuchen uns etwa durch einen Turm, dessen Wasserstand wir mehrfach regulieren müssen, um dann unter Zeitdruck aus den steigenden Fluten zu entkommen. An anderer Stelle verteidigen wir eine Wasseranlage in bester Tower-Defense-Manier unter Zuhilfenahme von Geschützen und Sprengfallen, während der entsprechende Spezialist ein Baby hütet. Far Cry eben.

Um gerade bei der im Vergleich zu anderen Teilen nicht ganz so üppigen Map nicht zu schnell Ermüdungserscheinungen aufkommen zu lassen, schickt uns New Dawn dazu auf Missionen außerhalb des etatmäßigen Gebiets. In diesen mehrfach spielbaren Einsätzen gilt es ein Paket u.a. auf einem Flugzeugträger oder einer Brückenanlage ausfindig zu machen und dann mittels Helikopterabholpunkt dem Ansturm der Highwaymen mit der Fracht zu entkommen. Sicher, wirklich anders ist das nicht, aber es lockert den Verlauf schon aufgrund der Settingwechsel deutlich auf.

Der bereits angesprochene Basisbau deutet außerdem bereits darauf hin, dass sich New Dawn zumindest in Ansätzen stärker in Richtung RPG entwickelt. Denn neben unserem Charakter dürfen wir Waffen oder Fahrzeuge aus reichhaltig in der Welt verteilten Wertstoffen bauen bzw. modifizieren und die Gegner verfügen nun RPG-typisch über Zahlenskalen, die gut sichtbar über ihren Köpfen bei erlittenen Treffern abnehmen.

Speziell die selbstgebastelte Sägeblatt-Armbrust vermittelt dank mehrfach abprallender Schüsse ein ungewöhnliches Waffenhandling und sorgt neben den Standardwummen zwischen Pistole, MG oder Schrotflinte für eine kleine Prise Umgebungstaktik. Die ist gerade dann nötig, wenn wir auf zunächst stärkere Gegner treffen, die uns mit Flammenwerfern oder Geschützen einheizen und im Verlauf der Kampagne mehr einstecken. Wirklich nötig erscheinen diese Elemente nicht und Crafting-Elemente gehörten, wenn auch schon in wesentlich nervigerer Form (Stichwort „Jage seltene Felle, um Tragebeutel herzustellen“) bereits früher zu Far Cry.

Was trotz alledem unzweifelhaft überzeugt, ist die Präsentation dieses grellbunten Hope County, das uns eben auch ein Wiedersehen mit alten Bekannten beschert. Zwar bleibt Prediger Joseph im zweiten Anlauf wieder nicht mehr als ein überspanntes Klischee, das nun als Anführer und Verbündeter derer, die er zuvor noch gepeinigt hat, sogar erzählerisch noch weniger funktioniert als im Vorgänger. Allerdings gleichen Sympathieträger wie Flieger Nick Rye oder Hurk diese figuralen Schwächen etwas aus.

Eben weil das Gebiet nicht so ausufernd unübersichtlich gehalten ist und man so viel öfter zwischen verschiedenen Punkten wechselt, besteigt uns das Gefühl, dieses Hope County und dessen Geheimnisse wirklich in Gänze erschließen zu können. Technisch zeigt sich der Titel von einer sehr guten Seite und überzeugt mit knackigen Farben, sauberer Performance in den oft herrlich wuchtigen wie gerne auch mal wirren Gefechten (inklusive der beliebten, sehr typischen KI-Aussetzer) und solider Sprachausgabe. Zu letzterem muss man jedoch hinzufügen, dass sich die Macher bei einigen Charakteren im Skript etwas vergriffen und gerade in der deutschen Synchro sogar dezente Peinlichkeiten an der pubertären Fremdschämgrenze im Repertoire haben.

Insgesamt bleibt bei New Dawn der Eindruck hängen, als hätte man es hier mit einem ausufernden DLC-Ansatz zu tun, den man dann eben doch als Stand Alone zum kleineren Preis verkauft hat. Das Spielgefühl ist sehr gut, alles macht irgendwie Spaß, aber bis auf den Look sticht nichts wirklich heraus und setzt neue oder zumindest eigene Maßstäbe. Dazu gesellt sich das ungute Gefühl, dass gerade erzählerisch fast schon naiv Potenzial verschleudert wurde.

Denn im Grunde macht es keinen Unterschied, ob wir uns wie in Teil 5 nun vor der atomaren Zerstörung oder danach durch Hope County ballern. Zwar stimmen einige NPCs immer wieder die Zeit davor an, doch Faktoren wie eine Generation, die das Früher eben nicht kennt oder auch ein spielerischer Unterschied, sind nicht wirklich festzustellen. Wer sich von einer Highwaymen-Schießerei zur nächsten hangelt und sich mit den bemerkenswert aggressiven Wildtieren des Landes anlegt, hätte ohne den Neon-Overkill kaum Anlass dazu, sich nicht in Far Cry 5 zu wähnen.

Allerdings soll das nicht kritischer klingen, als es gemeint ist. New Dawn ist definitiv ein grundsolider Open World-Shooter, der Genrefans gut unterhält. Nur wer etwas Außergewöhnliches, Innovatives oder zumindest Markantes (wie aktuell Metro: Exodus) erwartet, dürfte von der eben nur kosmetischen Aufhellung auf Dauer leicht enttäuscht sein.

Fazit

Für Genreverhältnisse kurzweiliger, nicht so überladender Open World-Shooter mit schick designter Spielwelt, dem es allerdings an fast jeder Ecke am letzten Schuss Brillanz oder Innovation fehlt, um mehr zu sein, als „nur“ ein unterhaltsamer Happen für zwischendurch.

Far Cry: New Dawn • Ubisoft • Open World-Shooter •PS4, Xbox One, PC

Abb. © Ubisoft

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