13. November 2019 1 Likes

Zeitgeist auf dem Mond

Die Apple TV-Serie „For all Mankind“ ist ein Kind unserer Zeit

Lesezeit: 3 min.

„Ich mache diesen Schritt für den marxistisch-leninistischen Weg“ sagt der Kosmonaut der am 26. Juni 1969 als erster Mensch den Mond betritt. Mit dieser alternativen Historie beginnt die „Apple TV+“-Serie „For all Mankind“, die ihren Titel gleichermaßen unterläuft und bestätigt.

Anfangs werden die legendären Sätze John F. Kennedys zitiert, das Versprechen, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond zu bringen, aber auch der Satz „Wenn wir Scheitern, sind wir gedemütigt“, der wohl ziemlich genau den Zustand erfasste, in dem sich die Supermächte Anfang der 60er Jahre befanden. Ein Kampf der Systeme fand statt, Kapitalismus gegen Kommunismus, und die Mondlandung war so etwas wie der Heilige Gral, ein kaum vorstellbarer Erfolg, der die Überlegenheit des einen oder anderern Systems bestätigen würde.

Kein schlechter Ausgangspunkt für eine Serie, zu imaginieren, wie anders der Weg Amerikas – und damit auch der westlichen Welt – verlaufen wäre, wenn, wie hier erzählt, die Landung einer Apollo-Kapsel wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen worden wäre und der Sowjetunion den Sieg im Wettrennen ermöglicht hätte. Leidtragender dieser Entscheidung war der Astronaut Edward Baldwin (Joel Kinnaman), der seiner Enttäuschung bald Luft macht und degradiert wird. Immer nur zweiter zu sein nagt an der Psyche der so erfolgsverwöhnten Amerikaner und auch am Ego von Präsident Nixon. Ja, der ist auch hier Präsident, wird aber 1972 von Ted Kennedy abgelöst, denn in dieser Welt haben die Ereignisse von Chappaquiddick nicht statt gefunden und auch wenn Nixon den Vietnam-Krieg Ende 1970 beendet, um Ressourcen für das Errichten einer Mond-Station frei zu bekommen, verliert er die Wahl.


Mist. Erst waren die Russen Erster und jetzt sitzt sie auch noch zwischen zwei Männern. „For All Mankind“, Apple TV+

Solche hübschen Momente müssen aber Nebensache bleiben, denn die Qualität einer kontrafaktischen Fiktion besteht in der Originalität, mit der eine Welt imaginiert wird, die nicht völlig anders als die unsere ist, sondern auf markante, interessante Weise von ihr abweicht. Doch was sich die Showrunner Ronald D. Moore, Ben Nedivi und Matt Wolpert hier ausgedacht haben ist allzu sehr dem Zeitgeist verhaftet.

Klar, man kann von einer sündhaft teuren, amerikanischen Serie nicht erwarten, dass sie die Niederlage im Rennen um den ersten Mann auf den Mond dazu verwendet, vom Ende der amerikanischen Sonderstellung zu erzählen. Doch wie bemüht politisch korrekt hier gezeigt wird, wie aus der Niederlage letztlich ein emanzipatorischer Sieg erwächst, wirkt zu gewollt. Denn nachdem die Männer gescheitert sind, beginnt die Ära der Frauen. Nicht nur am Boden, in den Kontroll- und Rechenzentren (so wie es vor zweieinhalb Jahren schon der biographische Spielfilm „Hidden Figures - Unbekannte Heldinnen“ gezeigt hatte), sondern auch im Cockpit selbst. Sehr zum Unwillen der noch ganz dem 60er Jahre Denken verhafteten Männer, die um ihre Vormachtstellung besorgt sind, werden bald Frauen für den nächsten Versuch einer Mondlandung trainiert.

Und um dem gegenwärtigen Zeitgeist noch mehr zu entsprechen, gibt es auch noch eine Nebenhandlung, die von einem mexikanischen Mädchen erzählt, das die erste Mondlandung am Fernseher verfolgte und bald mit ihrem Vater nach Texas migrierte. Dort arbeitet der Vater bald als Putzmann bei der NASA und die Tochter träumt vom Weltall. Wohin das spätestens in der schon geplanten zweiten Staffel führen wird ist unschwer zu erraten. Doch vielleicht besinnen sich die Macher bis dahin auch darauf, mehr zu erzählen, als allzu zeitgeistige Emanzipationsgeschichten und nutzen statt dessen die schön ausgestattete Szenerie dieser alternativen Welt für Gedankensprünge, die den Weiten des Kosmos würdig sind.

For all Mankind • USA 2019 • Showrunner: Ronald D. Moore, Ben Nedivi und Matt Wolpert • Darsteller: Joel Kinnaman, Michael Dorman, Jodi Balfour, Wrenn Schmidt • jetzt bei Apple TV+

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