9. April 2020

Die neun Milliarden Namen Gottes

Arthur C. Clarkes preisgekrönte Erzählung exklusiv und gratis zu Ostern auf diezukunft.de

Lesezeit: 12 min.

1953, als Arthur C. Clarkes Erzählung „Die neun Milliarden Namen Gottes“ erschien, war an Skype-Konferenzen und Zoom-Meetings ebenso wenig zu denken wie an digitale Arbeitsplätze und Homeoffice. Die meisten Computer nahmen mehrere Räume ein und benötigten Gehäuse so groß wie Kühlschränke. Gleichzeitig waren die Menschen auch damals schon fasziniert von den Wundermaschinen, und Clarke bildete dabei keine Ausnahme – doch er dachte, wie immer, nicht nur an die rein technischen und rechnerischen Möglichkeiten. Deswegen spielt seine Geschichte auch in einem tibetanischen Kloster, in dem sich die Mönche einen Computer installieren lassen, der alle Namen Gottes ausdrucken soll, endlose Buchstabenkombinationen, unter denen sich der wahre Name Gottes befinden muss. Doch was passiert, wenn dieser Name entdeckt wird?

 

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Arthur C. Clarke

Die neun Milliarden Namen Gottes

 

»Dies ist ein ziemlich ungewöhnlicher Auftrag«, sagte Dr. Wagner und fand, dass er sich damit noch zurückhaltend ausdrückte. »Soweit ich weiß, ist dies das erste Mal, dass ein tibetanisches Kloster einen automatischen Sequenzrechner bestellt. Ich möchte nicht neugierig erscheinen, aber ich kann mir nicht denken, dass Ihr … äh … Ihre Institution mit einem solchen Computer viel anfangen könnte. Wäre es zuviel verlangt, wenn ich Sie bitte, mir zu erklären, was Sie nun eigentlich damit vorhaben?«

»Gewiss nicht«, erwiderte der Lama, streifte seine weite Seidenrobe zurecht und verstaute bedächtig den Rechenschieber, mit dem er eben einige Währungsumrechnungen angestellt hatte. »Ihr Mark-V-Rechner kann alle üblichen mathematischen Operationen mit bis zu zehn Elementen ausführen. Bei unserem Vorhaben geht es jedoch um Buchstaben, nicht um Zahlen. Es wird nötig sein, den Ausdrucksmechanismus zu modifizieren, aber dann wird die Maschine Wörter und nicht Zahlenkolonnen ausdrucken.«

»Ich verstehe Sie nicht ganz …«

»Es handelt sich um ein Projekt, an dem wir seit gut dreihundert Jahren arbeiten – genauer gesagt, seit der Begründung unseres Klosters. Für Ihre Anschauungen mag das alles recht fremdartig klingen, aber ich hoffe, Sie sind bereit, mich unvoreingenommen anzuhören.«

»Selbstverständlich.«

»Eigentlich ist es ganz einfach. Wir haben uns vorgenommen, eine Liste aller möglichen Namen Gottes zusammenzustellen.«

»Wie bitte?«

»Wir sind zu der Ansicht gelangt«, fuhr der Lama seelenruhig fort, »dass alle diese Namen mit nicht mehr als neun Buchstaben eines eigens von uns entworfenen Alphabets darzustellen sind.«

»Und daran arbeiten Sie seit drei Jahrhunderten?«

»Ja. Wir erwarten, fünfzehntausend Jahre zu brauchen, um unsere Vorhaben zu Ende zu bringen.«

»Oh.« Dr. Wagner wirkte etwas betroffen. »Jetzt verstehe ich, warum Sie einen unserer Rechner mieten wollen. Aber worin liegt der Sinn dieses Projekts?«

Der Lama zögerte einen Sekundenbruchteil, und Wagner fragte sich schon, ob er ihn womöglich beleidigt hatte. Der Antwort des Lamas war indes nicht die Spur einer Verärgerung anzumerken.

»Für Sie mag das als sinnloses Ritual erscheinen, aber uns gilt es als eine Grundlage unseres Glaubens. Die vielen verschiedenen Namen für das höchste Wesen – Gott, Jehova, Allah und so weiter – sind nur vom Menschen erfundene Bezeichnungen. Ich möchte nicht auf die recht komplizierten philosophischen Probleme eingehen, die dieser Anschauung zugrunde liegen, aber wir glauben, dass unter allen möglichen Kombinationen jener neun Buchstaben auch die sein müssen, die wir die wahren Namen Gottes nennen können. Wir haben versucht, durch systematische Permutation der Buchstaben eine komplette Liste anzulegen.«

»Ich verstehe. Sie haben mit AAAAAAAAA begonnen und wollen sich bis zu ZZZZZZZZZ durcharbeiten.«

»Genau. Obwohl wir, wie gesagt, ein eigenes Alphabet verwenden. Es ist wohl kein Problem, den elektromatischen Ausdrucker darauf umzustellen. Ein interessanteres Problem wird es sein, eine Programmschaltung zu erfinden, die unsinnige Kombinationen eliminiert. Zum Beispiel soll kein Buchstabe mehr als dreimal hintereinander vorkommen.«

»Dreimal? Sie wollten sicher ›zweimal‹ sagen.«

»Dreimal stimmt – ich fürchte, es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen erklärte, warum; selbst wenn Sie unsere Sprache beherrschten.«

»Ja, natürlich«, meinte Wagner schnell. »Bitte, fahren Sie fort.«

»Glücklicherweise wird es recht einfach sein, Ihren automatischen Sequenzrechner für diese Aufgabe anzupassen, da man ihn bloß entsprechend zu programmieren braucht, damit er die Buchstabenpermutationen der Reihe nach ausdruckt. Er wird in rund hundert Tagen vollbringen können, wozu wir fünfzehntausend Jahre gebraucht hätten.«

Dr. Wagner hörte kaum mehr den gedämpften Verkehrslärm aus den Straßen Manhattans weit unter seinem Büro. Er befand sich in einer anderen Welt, in einer Welt hoch aufragender Gebirge, zwischen denen die größten Wolkenkratzer armselig gewirkt hätten. Hoch droben in ihren entlegenen Bergfesten hatten diese Mönche geduldig, Generation um Generation, an ihrer Liste sinnloser Wörter gearbeitet. Wie närrisch Menschen doch sein konnten. Nun, er durfte sich derartige Gedanken jedenfalls nicht anmerken lassen. Der Kunde hatte immer recht.

»Gar keine Frage«, antwortete er, »dass wir den Mark V so modifizieren können, dass er solche Listen ausdruckt. Was mir mehr Sorgen macht, ist das Problem der Aufstellung, die technische Überwachung. Nach Tibet hinzukommen, ist auch heute noch nicht so einfach.«

»Das können wir arrangieren. Die Teile sind klein genug für den Lufttransport – das ist einer der Gründe, warum wir uns für Ihren Rechner entschieden haben. Wenn Sie alles nach Indien bringen können, werden wir für den weiteren Transport sorgen.«

»Und Sie möchten zwei unserer Techniker anheuern?«

»Ja, für die drei Monate, die das Projekt wahrscheinlich dauern wird.«

»Ich bin sicher, dass die Personalabteilung das bewerkstelligen kann.« Dr. Wagner machte sich eine Notiz auf seinen Vormerkblock. »Da gibt es allerdings noch zwei andere Punkte, die …«

Bevor er den Satz beenden konnte, hatte der Lama eine kleine Karte hervorgeholt.

»Dies ist mein verbürgtes Kreditguthaben bei der Asiatischen Bank.«

»Danke sehr. Das ist wohl … äh … ich würde sagen, ausreichend. Der zweite Punkt ist so trivial, dass ich zögere, Sie damit zu behelligen – aber es ist erstaunlich, wie oft man die banalsten Dinge übersieht. Welche Stromquelle haben Sie zur Verfügung?«

»Einen Dieselgenerator, der 50 Kilowatt bei einer Spannung von 110 Volt liefert. Er wurde vor rund fünf Jahren installiert und arbeitet recht zuverlässig. Er hat das Leben in unserem Bergkloster erheblich bequemer gemacht, aber wir haben ihn natürlich vor allem zum Betrieb unserer Gebetsmühlen angeschafft.«

»Natürlich«, seufzte Dr. Wagner. »Daran hätte ich denken müssen.«

 

Der Ausblick von der Terrassenbrüstung war schwindelerregend, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Nach drei Monaten beeindruckte George Hanley weder der gut siebenhundert Meter tiefe Abgrund jenseits der Brüstung noch der ferne Flickenteppich der Felder im Tal unten. Auf die von Wind und Wetter geglätteten Steine gestützt starrte er verdrossen zu den fernen Bergen hinüber, deren Namen herauszufinden er nie der Mühe wert gefunden hatte.

Diese Sache hier, dachte George, war wohl das Verrückteste, das ihm je passiert war. »Projekt Shangri-La« hatte es ein belesener Spaßvogel zu Hause in der technischen Abteilung getauft. Seit Wochen spuckte der Mark V nun schon mit Unsinn bedruckte Papierseiten aus, hektarweise. Geduldig und unermüdlich ordnete der Computer die Buchstaben in immer neuen Kombinationen an, schöpfte sämtliche Möglichkeiten einer Permutationsklasse aus und ging dann zur nächsten über. Was der Drucker an Endlospapier ausspie, zerschnitten die Mönche sorgfältig und klebten die Streifen in mächtige Folianten. Noch eine Woche, und sie würden fertig damit sein. Welche verwickelten Überlegungen die Mönche eigentlich zu der Überzeugung gebracht hatten, dass es nicht nötig war, zu Wörtern von zehn, zwanzig oder hundert Buchstaben überzugehen, wusste George nicht. Einer seiner immer wiederkehrenden Albträume war, dass es irgendeine Änderung in den Plänen geben würde, und dass der Rinpotsche, der dem Kloster vorstand, plötzlich verkünden würde, das Projekt werde sich etwa bis zum Jahr 2060 hinziehen. Dazu waren diese Leute durchaus imstande.

George hörte, wie der Wind die schwere Holztür zuschlug, als Chuck zu ihm heraus auf die Terrasse kam. Wie üblich rauchte Chuck eine der Zigarren, die ihm das Wohlwollen der Mönche sicherten – welche keineswegs übertrieben mönchisch durchaus bereit waren, sämtliche kleineren und die meisten größeren Freuden des Lebens zu genießen. Das musste man ihnen zugute halten: Sie mochten verrückt sein, aber Kostverächter waren sie keine. Diese häufigen Ausflüge ins Dorf hinunter, zum Beispiel …

»Hör mal, George«, sagte Chuck aufgeregt. »Ich habe da etwas erfahren, das uns ganz schön in die Tinte setzen kann.«

»Was ist los? Macht der Rechner Mätzchen?« Das war so ungefähr das scheußlichste Ereignis, das George sich vorstellen konnte. Etwas Derartiges konnte nämlich seine Heimreise verzögern, und nichts erschien ihm entsetzlicher als diese Vorstellung. In seiner augenblicklichen Gemütsverfassung wäre im selbst ein Fernsehwerbefilm wie Manna vom Himmel vorgekommen. Zumindest wäre es eine Erinnerung an zu Hause gewesen.

»Nein – nichts Derartiges.« Chuck ließ sich auf der Brüstung nieder, was ungewöhnlich war, weil er normalerweise den Abgrund scheute. »Ich hab‘ nur gerade herausgefunden, worum es hier überhaupt geht.«

»Was soll das – ich dachte, das wüssten wir längst.«

»Klar – wir wissen, was die Mönche tun wollen. Aber wir wussten nicht, warum sie es tun. Es klingt ja verrückt …«

»Wem sagst du das?«, knurrte George.

»… aber der alte Oberbonze, der Abt, hat mir eben sein Herz ausgeschüttet. Du weißt doch, dass er jeden Nachmittag reinschaut, um zuzusehen, wie das Papier aus der Maschine flutscht. Nun, diesmal schien er ziemlich aufgeregt zu sein, soweit ihm das überhaupt möglich ist. Als ich ihm sagte, dass wir den letzten Zyklus begonnen hätten, fragte er mich in seinem komisch korrekten Englisch, ob wir nicht wissen wollten, was sie zu erreichen versuchten. Ich sagte ›Sicher doch‹, und da erklärte er es mir.«

»Nur weiter. Ich glaub alles.«

»Also, die glauben, wenn sie alle Namen Gottes aufgeschrieben haben – und sie schätzen, dass es ungefähr neun Milliarden davon gibt –, dass dann Gottes Wille erfüllt ist. Dass die Menschheit vollendet hat, wofür sie geschaffen wurde, und dass danach wir und die Welt und alles überflüssig sind. Tatsächlich erscheint ihnen Weiterleben irgendwie als Blasphemie.«

»Na und, was sollen wir tun? Vielleicht Selbstmord begehen?«

»Das ist nicht notwendig. Wenn wir unsere Aufgabe beendet haben, wenn die Liste vollständig ist, kommt Gott und macht Schluss, einfach so … aus und vorbei!«

»Völlig klar. Wenn wir unsere Arbeit abgeschlossen haben, geht die Welt unter.«

Chuck lachte nervös. »Genau das hab‘ ich dem Abt gesagt. Und weißt du, was er tat? Er schaute mich an, als wäre ich ein speziell blöder Novize, und bemerkte: ›Das liegt doch auf der Hand.‹«

George überlegte einige Augenblicke.

»Eine ziemlich drastische Anschauung, würde ich sagen«, meinte er schließlich. »Aber was sollen wir denn dagegen tun? Ich wüsste nicht, was uns das kratzt. Schließlich wussten wir ja schon, dass die Leutchen übergeschnappt sind.«

»Ja – aber verstehst du nicht, was passieren wird? Wenn die Liste vollständig ist und die Posaunen nicht zum Jüngsten Gericht blasen – oder was immer sie sich an Weltuntergang erwarten –, dann werden sie uns die Schuld geben. Unsere Maschine ist es, mit der sie die Arbeit fertiggebracht haben. Ich muss sagen, die Situation gefällt mir gar nicht.«

»Ich verstehe«, sagte George gedehnt. »Da ist was dran. Aber so was hat’s schon früher gegeben, weißt du. Als ich ein Kind war, gab’s bei uns unten in Louisiana einen verrückten Prediger, der behauptete, die Welt würde am nächsten Sonntag untergehen. Hunderte Menschen glaubten ihm – viele verkauften sogar ihre Häuser. Und als gar nichts passierte, wurden sie keineswegs wütend auf ihn, wie man erwarten würde. Sie sagten sich nur, dass er wohl einen Fehler bei seinen Berechnungen gemacht haben müsse und glaubten ihm weiter. Ich weiß nicht, ob manche nicht heute noch auf den Weltuntergang warten.«

»Na, wir sind hier nicht in Louisiana, falls du das nicht bemerkt haben solltest. Wir sind nur zwei gegen Hunderte von Mönchen. Ich mag sie, und der Alte wird mir leid tun, wenn sein Lebenswerk geplatzt ist. Trotzdem wär’s mir lieber, ich wäre woanders.«

»Das wünsche ich mir seit Wochen. Aber wir können nichts tun, bevor die Vertragsfrist abgelaufen ist und das Flugzeug uns abholen kommt.«

»Natürlich«, meinte Chuck nachdenklich, »könnten wir es immer noch ein wenig mit Sabotage versuchen.«

»Teufel nein! Das würde alles nur noch schlimmer machen.«

»Nicht so, wie ich mir’s vorstelle. Sieh die Sache doch mal so an. Der Rechner wird in den nächsten Tagen das Programm durchlaufen, wenn er wie bisher zwanzig Stunden pro Tag in Betrieb ist. Unser Flugzeug kommt in einer Woche. Gut – wir brauchen also nur etwas zu finden, irgendein Teil, das ausgetauscht werden muss, wenn wir die Maschine überprüfen. Etwas, das das Programm ein paar Tage aufhält. Natürlich bringen wir es in Ordnung, aber nicht zu schnell eben. Wenn wir die Zeit genau abschätzen, können wir unten auf dem Landestreifen sein, wenn der Rechner den letzten Namen ausspuckt. Dann können sie uns nicht mehr erwischen.«

»Das gefällt mir nicht«, sagte George. »Es wäre das erste Mal, dass ich einen Job im Stich lasse. Außerdem würden sie wahrscheinlich misstrauisch werden. Nein. Ich bleibe und warte ab, was passiert.«

 

»Es gefällt mir immer noch nicht«, sagte er sieben Tage später, als die zähen, kleinen Gebirgsponys sie den gewundenen Pfad hinuntertrugen. »Glaub bloß nicht, dass ich weglaufe, weil ich irgendwie Angst habe. Mir tun nur diese armen Kerle da oben leid, und ich möchte nicht dabei sein, wenn sie herausfinden, wie sehr sie reingefallen sind. Wie wohl der Alte es aufnehmen wird, wenn er merkt, dass sie ihr gutes Geld zum Fenster hinausgeschmissen haben.«

»Es ist sonderbar«, erwiderte Chuck, »aber als ich mich von ihm verabschiedete, hatte ich den Eindruck, als wüsste er, dass wir ihn im Stich lassen – und es schien ihm nichts auszumachen, weil der Rechner tadellos arbeitet und bald seine Arbeit beendet haben wird. Danach – nun, für ihn gibt es natürlich einfach kein Danach …«

George wandte sich im Sattel um und blickte den Bergpfad zurück. Hier war die letzte Stelle, von der aus man das Kloster auf dem Gipfel sehen konnte. Die niedrigen, massigen Gebäude hoben sich düster gegen den rot leuchtenden Abendhimmel ab; nur da und dort schimmerten in der Silhouette ein paar Lichter wie die erleuchteten Bullaugen in der Bordwand eines Ozeandampfers. Elektrische Lampen natürlich, die vom gleichen Stromkreis gespeist wurden wie der Mark V. Wie lange noch?, fragte sich George. Würden die Mönche in ihrer bitteren Enttäuschung den Computer zerschlagen? Oder würden sie sich einfach ruhig hinsetzen und ihre Berechnungen von neuem beginnen?

Er wusste genau, was in diesem Augenblick oben im Bergkloster vorging. Der Rinpotsche und die anderen ranghöheren Lamas würden in ihren seidenen Roben beisammensitzen und die einzelnen Blätter prüfen, die die Novizen vom Drucker brachten, um sie in die großen Bände einzukleben. Niemand würde sprechen. Das einzige Geräusch würde das unaufhörliche Prasseln der Lettern auf dem Papier sein, ein nicht endender Hagel von Buchstaben. Der Mark V selbst arbeitete natürlich lautlos, während er Tausende von Berechnungen pro Sekunde ausführte. Seit drei Monaten war es so gegangen – das reichte, dachte George, um einen die Wände hochgehen zu lassen.

»Da ist sie!«, rief Chuck und zeigte ins Tal hinunter. »Ist sie nicht herrlich?«

George fand das auch. Die klapprige alte DC 3 lag am Ende der Rollbahn wie ein winziges, silbernes Kreuz. In zwei Stunden würden sie von ihr in die Freiheit eines normalen Lebens zurückgebracht werden. Dieser Gedanke allein war es wert, genossen zu werden wie kostbarer Wein. Und während sein Pony bedächtig den Pfad hinuntertrabte, berauschte sich George förmlich daran.

Die rasch hereinbrechende Nacht des Himalaya hüllte den Abhang nun schon in schattenfleckiges Dunkel. Glücklicherweise war der Weg für örtliche Verhältnisse ausgezeichnet, und sie hatten beide Fackeln mit. Der Ritt war auch im Dunkeln nicht gefährlich, doch sie begannen langsam die Kälte zu spüren. Der Himmel war vollkommen klar und mit Sternen übersät. Zumindest liefen sie nicht Gefahr, dachte George zufrieden, dass der Pilot wegen schlechten Wetters nicht starten konnte. Das war zuletzt seine einzige Sorge gewesen.

Er begann vor sich hinzuträllern, hörte aber nach einer Weile wieder auf. Dieses Rund majestätischer Berge, die weiß und kalt und unnahbar aus dem Dunkel schimmerten, erlaubte keinen Übermut. Schließlich warf George einen Blick auf seine Uhr.

»In einer Stunde sollten wir unten sein«, rief er Chuck über die Schulter zu. Dann dachte er daran, warum sie hier waren, und fügte hinzu: »Ob der Rechner inzwischen mit dem Programm durch ist? Das wäre jetzt ungefähr fällig.«

Chuck antwortete nicht, deshalb drehte George sich nach ihm um. Er konnte eben noch Chucks Gesicht erkennen, ein helles Oval, das dem Himmel zugewandt war.

»Schau«, flüsterte Chuck, und nun blickte auch George zum Himmel auf.

Irgendwann tut man alles zum letzten Mal.

Über ihnen erloschen die Sterne.

 

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