22. April 2020 2 Likes 1

„Wir können das Richtige tun.“

Jasper Fforde („Eiswelt“) über Corona und Klimawandel

Lesezeit: 3 min.

Der britische Autor Jasper Fforde (im Shop) begeisterte viele Leser mit der „Thursday Next“-Romanserie – und drehte in seinem jüngsten Alternativwelt-Roman „Eiswelt“ den Klimawandel einfach um, sodass die Menschen sogar Winterschlaf halten. Hier findet sich eine Rezension, hier ein Interview. Für diezukunft.de beantwortet Jasper Fforde die Frage, ob nach Corona alle nur noch an den wirtschaftlichen Wiederaufbau denken werden und der Kampf gegen den Klimawandel dann wieder in den Hintergrund treten wird.

Zunächst einmal zeigt die Pandemie, dass wir eigentlich gar keine Promis brauchen – viele von ihnen durchleiden die Unbill der reduzierten Relevanz, was sich, wie ich hoffe, in erneuerter Menschlichkeit widerspiegeln wird, wenn das alles vorbei ist, obwohl ich es irgendwie bezweifle. Zudem und mit mehr Ernst betrachtet zeigt die Pandemie, dass Menschen wirklich nur mit einer Existenziellen Bedrohung auf einmal umgehen können.

Doch es ist nicht alles schlecht.

Die gegenwärtige Pandemie hat uns auch gezeigt, dass die übliche Missachtung von Experten schnell aufgegeben wird, sobald eine „mögliche Bedrohung“ eine „tatsächliche Bedrohung“ wird. Hier im Vereinigten Königreich hört die Regierung auf einmal wieder auf Experten und „folgt der Wissenschaft“. Das Treffen von Entscheidungen aufgrund von Beweisen ist wieder in Mode, weil es funktioniert.

Mag dieser plötzliche Ausbruch von reifem Denken nach der Pandemie noch für Klimawissenschaften bereitstehen? Ist das unser Moment des Aufwachens? Während selbst der eisernste Optimist nicht in Erwägung ziehen würde, dass wir so weit gehen, bietet sich hier doch eine Gelegenheit, ähnlich der weitreichenden Ideen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden: die Vereinten Nationen, die Erklärung der Menschenrechte und die Europäische Union, um nur drei zu nennen.

Und während „der Wiederaufbau der Wirtschaft“ als Weckruf überall von Politikern zu hören ist, kommt es mir so vor, als wäre die „Rückkehr zur Normalität“, für die sie sich einsetzen, lediglich eine „Normalität“, die jene begünstigt, welche bereitstehen, die meisten Gewinne zu machen, und jene, die an der Macht sind und diese behalten wollen. Die Pandemie hat veranschaulicht, dass die am schlechtesten bezahlten Arbeiter in Wahrheit diejenigen sind, ohne die wir nicht können; dass nationale Gesundheitssysteme unschätzbar wertvolle Juwelen sind; und dass die Kapitäne der Industrie, von denen so viele blumige Worte geschrieben wurden, sich auf Geringverdiener verlassen, um sich – und in der Betrachtung auch die Nation – sagenhaft wohlhabend zu halten. Wenn linksgeneigte Anführer aus der derzeitigen Stimmung auf dem Planeten keinen Vorteil schlagen, um Klimawandel und Vermögensungleichheit anzugehen, dann verpassen sie die Gelegenheit ihres Lebens.

Unser größter, bedauernswertester Fehler mag nicht das Zulassen des Klimawandels gewesen sein, sondern dass wir eine Gelegenheit hatten, ihn zu bekämpfen – und wegen kurzfristigem Eigennutz und blanker Faulheit entschieden haben, dass es einfach zu schwierig war, das Richtige zu tun. Aber wir können das Richtige tun. Diese Pandemie hat uns ebenfalls gezeigt, dass wir höchst anpassungsfähig sind und in Sekundenschnelle gewaltige Veränderungen in unseren Lebensstilen vornehmen können – und die Kapazität für so viel Altruismus haben.

Menschen zeigen sich immer von ihrer besten Seite, wenn die Dinge am schlimmsten sind.

Ich gebe die Hoffnung nie auf.

Autorenfoto: Mari Fforde; Übersetzung & Redaktion: Christian Endres

Jasper Fforde: Eiswelt Aus dem Englischen von Kirsten Borchardt • Heyne, München 2018 • Paperback • 656 Seiten • E-Book: € 11,99 (im Shop)

Kommentare

Bild des Benutzers Ayhan

Den Klimawandel nicht zuzulassen, wäre wider der Natur (was aber per se nicht negativ sein muss) - einen Klimawandel hat es schon immer gegeben. (Abgesehen davon war es mir in Deutschland schon immer etwas zu kalt.)

Die derzeitige Stimmung auf dem Planeten kenne zumindest ich nicht. Gibt es tatsächlich so etwas? Sind wir nicht (auch) Individuen?

Ich kann nur hoffen, dass "linksgeneigte Anführer" aus der derzeitigen Stimmung auf dem Planeten keinen Vorteil (Profit) schlagen. Denn nur diese selbst würden profitieren, siehe Venezuela. (Und die kapitalistische USA sind auch weiterhin bevorzugtes Ziel von Menschen aus aller Welt.)

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