5. Mai 2020

Welcome to Dreamland!

Ryan Murphy entwickelt in „Hollywood“ eine alternative Realität der Traumfabrik

Lesezeit: 3 min.

Die 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts gelten als Goldene Ära von Hollywood: Nie entstanden so viele Klassiker, nie strahlten die Stars mehr, nach dem Zweiten Weltkrieg dominierten amerikanische Filme den Weltmarkt wie nie zuvor und nie wieder danach. Doch unter der strahlenden Oberfläche herrschten Vorurteile, wurden anders denkende, anders aussehende, anders liebende Menschen zumindest unterdrückt, mussten sich verstellen, wenn sie Erfolg haben wollten. Wenn man dann noch bedenkt, dass auf der Casting Couch Hochbetrieb herrschte und alte, weiße Männer das Sagen hatten, nähert man sich dem Ansatz des Gedankenspiels, das Ryan Murphy und Ian Brennan in ihrer siebenteiliger Mini-Serie „Hollywood“ spielen.

Die ersten Folgen wirken wie eine auf Hochglanz polierte Historienserie: Junge, attraktive Menschen kommen nach Hollywood, um in der Traumfabrik Erfolg zu haben. Der Schauspieler Jack Costello (David Corenswet), der bald an der Tankstelle von Ernie (Dylan McDermott) arbeitet und nicht nur Benzin pumpt. Der schwarze Autor Archie (Jeremy Pope), der versucht, ein brillantes Buch über den tragischen Fall der Schauspielerin Peg Entwistle zu verkaufen, die sich vom berühmten Hollywood-Zeichen stürzte. Archie beginnt eine Affäre mit dem sehr hölzernen Möchtegern-Schauspieler Roy Fitzgerald (Jake Picking), der bald an den schmierigen Agenten Henra Willson (Jim Parsons) gerät, der ihm den Künstlernamen Rock Hudson verpasst und danach unmissverständlich fordert, seinem Klienten einen Blow Job zu geben.

Letzteres zählt zu den wahren Begebenheiten einer Serie, die gleichzeitig sehr genau ihre Ära – das Jahr 1947 – wiedergibt, sie andererseits aber bald ins Feld der alternativen Realität führt. Und gerade die Frage, was passiert wäre, wenn die Realität nur ein wenig anders verlaufen wäre, macht „Hollywood“ so spannend. Was wäre passiert, wenn sich ein schwuler Schauspieler wie Rock Hudson nicht dazu bereiterklärt hätte, seine Sexualität zu verbergen, um Erfolg zu haben? Oder wenn die Hauptrolle nicht an die hübscheste Schauspielerin gegangen wäre, sondern an die für die Rolle Geeignetste? Oder wenn Hollywood schon damals Filme mit und für Minderheiten gedreht hätte? Oder wenn eine Frau ein großes Studio geleitet hätte?

Je länger „Hollywood“ dauert, um so fantastischer wird die Szenerie, allein der Mut, sich gegen Widerstände zur Wehr zu setzen, reicht hier aus, um die Welt zu ändern. Unzweifelhaft ist das eine liberale Phantasie, die deutlich von Geist unserer Zeit geprägt ist, vom Glaube daran, dass die Welt sich wandeln kann, wenn man nur daran glaubt und kämpft. Und das macht „Hollywood“ letztlich zu einer geradezu idealtypischen Version des klassischen Hollywoods: Utopisch, optimistisch, an die Kraft der Phantasie glaubend, eine Traumfabrik eben. Dass die alternative Realität von „Hollywood“ am Ende weiter ist als das reale Hollywood der Gegenwart, zeigt dann am Ende überdeutlich, wie sehr es Zeit ist, dass sich die Dinge ändern, auch, aber nicht nur in Hollywood.

Hollywood • Creator: Ryan Murphy & Ian Brennan • Darsteller: David Corenswet, Darren Criss, Jeremy Pope, Laura Harrier, Samara Weaving, Dylan McDermott, Holland Taylor, Patti LuPone, Jim Parsons, Jake Picking, Joe Mantello, Maude Apatow • Sieben Folgen, bei Netflix

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