20. Juli 2020 2 Likes

„Das Gottesspiel“ von Danny Tobey: Diese erweiterte Realität ist kein Spiel

Ein SF-Roman für Fans von „Pokémon GO“, „Riverdale“ und „Ready Player One“

Lesezeit: 3 min.

Spätestens seit man mit dem Smartphone an jeder Straßenecke Pokémon einfangen kann, ist die Verschmelzung von virtueller Realität und handfester Wirklichkeit für uns keine Science-Fiction mehr, sondern ein abgefahrenes, aber vertrautes Stück Normalität. In seinem Roman „Das Gottesspiel“ treibt der Amerikaner Danny Tobey (im Shop) das Spiel mit der superschlauen KI und der erweiterten, interaktiven Realität auf die Spitze.

An ihrer High School sind Charlie, Peter, Vanhi, Alex und Kenny die größten Programmier-Cracks – mit einem ironischen Blick auf die Hacker-Kollektive und Computer-Clubs der Vergangenheit gaben sie sich sogar den Namen Vindicators. Doch trotz ihrer Brillanz und der gestiegenen Akzeptanz gegenüber Nerds und nerdigem Verhalten, haben Charlie und seine Freunde so einige Probleme: ein Elternteil verloren, verliebt in das falsche Mädchen, eine für die Unibewerbung wichtige Prüfung verhauen, von Bullys schikaniert, Depressionen. Und dann wird auch noch das mysteriös-mächtige Virtual-Reality-Game Das Gottesspiel Teil ihres Lebens.

Selbst im Internet erfährt man nur wenig über dieses komplexe, von den großen Weltreligionen inspirierte Spiel, das mit der Wirklichkeit interagiert und dessen KI krasse Aufgaben und Forderungen stellt. Die Vindicators spielen erst mit dem Smartphone, dann mit VR-Brillen und bald noch auf viele andere Wege und Weisen. Denn Charlie, Alex und die anderen stellen früh fest, dass das Spiel es todernst meint und jede Menge unbegreifliche Geheimnisse, aber auch greifbare Gewalt in ihren Alltag bringt. Zumal die Vindicators nicht die einzigen sind, die im Gottesspiel mitmischen, mit der gruseligen KI dahinter interagieren und wegen des Games in der Realität Dinge tun, die bis vor Kurzem für sie noch unvorstellbar gewesen wären. Dinge, die ihrer aller Leben in Gefahr bringen …


Danny Tobey. Foto: Allison V. Smith

Während des Studiums war der Texaner Danny Tobey Autor und Redakteur des traditionsreichen Uni-Satiremagazins „The Harvard Lampoon“, dessen Macher in den letzten Jahrzehnten als Autoren erheblichen Einfluss auf moderne TV-Highlights wie „Saturday Night Live“, „Die Simpsons“, „30 Rock“ oder „Friends“ hatten. In jüngerer Vergangenheit wurde Tobey aufgrund seiner Arbeit als Anwalt und als Experte für künstliche Intelligenz von der Library of Congress sogar mit dem Burton Award ausgezeichnet. In seinem SF-Thriller über die Computer-Nerds, die buchstäblich ein gefährliches Spiel spielen, vermischt Danny Tobey Coming-of-Age- und Künstliche-Intelligenz-Horror zu einer kurzweiligen Geschichte. Die Technik, auf die er dabei zurückgreift, ist bereits so in unserer Welt angekommen, dass man die Schritte, die Tobey zusätzlich macht, voll und ganz nachvollziehen kann.

Der religiöse Subtext seines fiktiven, furiosen VR-Games stört nie so sehr, wie er könnte, und die Handlung ist immer angenehm flott, obwohl viele Elemente und Figurentypen unübersehbar dem klassischen amerikanischen Highschool-Drama entnommen sind. Nicht zuletzt deshalb ist „Das Gottesspiel“ ein zeitgenössischer, zeitgemäßer Cyberpunk-Thriller für die Generation „Pokémon GO“, „Riverdale“ und „Ready Player One“. Sind die Film- oder -Fernsehrechte schon verkauft? Es würde einem nicht allzu unwirklich erscheinen, ließen sich Hollywood oder Netflix auf das Gottesspiel ein.

Danny Tobey: Das Gottesspiel • Heyne, München 2020 • 558 Seiten • E-Book: € 13,99 (im Shop)

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