10. November 2020 2 Likes

„Grey Skies: A War of the Worlds Story“

Das Action-Adventure zum Roman von H.G. Wells im Test

Lesezeit: 5 min.

Eigentlich überraschend: Trotz ungebrochener Liebe der Spieleindustrie zur Science-Fiction mit all ihren Ausprägungen, existieren verhältnismäßig wenig Adaptionen zum Werk von Kultautor H.G. Wells (man denke nur im Vergleich etwa an die zahlreichen Titel zu H.P. Lovecraft). Das dachte sich wohl auch das bislang nur für seinen mittelmäßigen Horror-Ausflug Welcome to Hanwell bekannte Studio Steel Arts Software und brachte am 5. November mit Grey Skies: A War of the Worlds Story digital für PS4, Xbox One und PC (zum Preis von rund 15 Euro bzw. auf PC etwas günstiger) ein Action-Adventure auf den Markt, das sich – wie der Name schon sagt – mit einer eigenen Randstory dezidiert in den Kosmos von Wells epochalem Krieg der Welten-Kosmos einschreibt. Dies geschieht in Form einer recht frei erzählten, in der Gegenwart angesiedelten Story über eine junge Frau namens Harper, die sich nach dem Angriff der Außerirdischen auf der Erde allein in all dem Chaos durchschlagen muss. Ob das Ergebnis etwas taugt?

Der Einstieg verspricht zu Beginn scheinbar stimmungsvolle Invasion-Unterhaltung. Nach einem längeren Prolog mitsamt Off-Erzähler über die Bedrohung der Erde, erleben wir die erste von vielen Merkwürdigkeiten des Gamedesigns. Denn einer dramatischen Flugzeugabsturzcutscene folgt ein Besuch mit Harper in einem Lebensmittelladen, in dem wir völlig unmotiviert mehrere angezeigte Artikel anklicken und bis auf eine weitere Frau vor einem Regal nichts weiter finden. Verlassen wir das sterile Geschäft mitsamt seiner sich ständig wiederholenden Regalprodukte, zeigt uns eine weitere Cutscene, wie ein lebloser Körper in einem Nebenraum von Blitzen zum Zucken gebracht wird, ehe wir uns dann wiederum mit Harper an der Absturzstelle des Flugzeugs wiederfinden. Das ebenfalls grafisch völlig detailarme und von schlecht bis gar nicht inszenierten Rauchnebeleffekten überzogene Gebiet müssen wir nun minutenlang mit unserer verlangsamten, weil angeschlagenen Spielfigur durchqueren, wobei wir einfach immer nur geradeaus laufen und es nichts zu sehen gibt außer vernebelten, schlecht inszenierten Flugzeugteilen – wie fad ist das denn bitte!

Haben wir diesen wirren Einstieg überstanden geht es in das erste richtige Gebiet, nämlich eine verlassene Farm bei Nacht. Dort lernen wir Harpers Fähigkeiten wie Rennen (was wir zuvor dringend gegen die Langeweile gebraucht hätten), Bücken, Gegenstände orten oder das sehr simple Craftingsystem kennen, mit denen wir das auf Stealth ausgerichtete Action-Adventure bestreiten müssen. Harper kann sich folglich vor Feinden nur verstecken, sie mit gezielt geworfenen Gegenständen wie Steinen auf Fensterscheiben ablenken oder schlicht wegrennen, ehe die zombiesken Fieslinge ihre Spur verlieren. Letzteres wird aufgrund der schlecht balancierten Gegner-KI oder der hakeligen Steuerung, die uns immer wieder an Gegenständen „anecken“ lässt, allerdings selbst auf Easy öfter nötig sein als einem lieb ist.

Schon auf der Farm zeigt das Gameplay einige seiner weiteren eklatanten Schwächen. Wir wissen oft gar nicht, was wir im Detail eigentlich tun sollen, da die Tutorials zu ungenau ausfallen und wir weder eine Map noch sonstige Markierungen neben typischen Umgebungshinweisen wie Lichtern vorfinden. So laufen wir einfach herum und hoffen, irgendetwas Nützliches in den Ecken oder auf Tischen zu finden, um dann ein im Grunde billiges Rätsel zu lösen wie die „Abschaltung“ eines Stromgenerators mithilfe einer zuvor von uns zusammengebastelten Wasserflasche. Dass wir diesen Trick in der Folge öfter wiederholen und sich Harpers freischaltbare Skill- und Craftingmöglichkeiten im Vergleich zu fast jedem kontemporären Spiel mit ähnlicher Anlage geradezu läppisch ausnehmen (von einem Vergleich zu Perlen wie The Last of Us wollen wir ja gar nicht erst reden), passt da nur ins Bild. Gleiches gilt für die vielen Logikfehler, wenn wir selbst minimale Hindernisse ohne von den Machern vorgesehene Tastenfunktion nicht überwinden, an bereits besuchte Orte wie Häuser innerhalb eines Levelgebiets nicht zurückkehren oder eine bestimmte Fensterscheibe dann doch nicht einschlagen können.

Haben wir die Farm letztlich doch mithilfe des vorgegebenen Wagens verlassen, bleiben wir einige Minuten später – nach der Durchquerung einer erneut völlig sterilen Umgebungslandschaft – einfach liegen und erkunden eine Tankstelle, wo uns der erste von den Aliens übernommene Feind in Gestalt eines schlagfertigen Mechanikers erwartet. Dieser Typus wiederholt sich auch in den folgenden Abschnitten wie einem Stadtgebiet, einer Höhlenanlage oder einer Militärstation, wobei Grey Skies hier einige Elemente der Vorlage zitiert und es tatsächlich plötzlich eine Begegnung mit den ikonischen Tripod-Riesenrobotern gibt, von denen uns ein Exemplar in einer recht happigen Wettlaufsequenz mit ihrem Laserstrahl verfolgt. Hierbei müssen wir uns etwa hinter Felsen verstecken, bis der Strahl diesen sprengt und der Laser einige Sekunden braucht, bis er uns erneut mit voller Kraft ins Visier nimmt. Klingt eigentlich ganz spannend, erweist sich in der Praxis aber als eher frustrierender Abschnitt mit fragwürdiger Trefferabfrage und einem bis dahin schon gewohnt abrupten Ende ohne Tiefe oder Auswirkungen auf unsere emotional nahezu anteilslose Heldin.

Wer nach dem bisher Skizzierten tatsächlich noch Zweifel haben sollte: Nein, dieser reine Solotitel ist wirklich miserabel und krankt an so vielen Fehlern, dass man die bislang veranschlagten 15 Euro Kaufpreis fast schon als Unverschämtheit brandmarken muss. Die Steuerung geht mit ihrer Ungenauigkeit richtig auf die Nerven, die immer gleichen Rätsel und Versteckspiele vor den nur leicht variierten, einerseits richtig dummen, aber dann plötzlich viel zu zielstrebigen Gegnertypen langweilen und die Technik erreicht höchstens PS3-Niveau. Nachladende, grausam schwache Texturen und extrem steife Animationen, eine völlig kahle und furchtbar leblose Welt (so rennt z.B. auf der Farm ein einziges Schwein herum, was dann geradezu unfreiwillig komisch wirkt) und dazu eine Protagonistin, deren wirr bis gar nicht erzähltes Schicksal im Verbund mit einigen lächerlich lapidaren NPC-Begegnungen völlig kalt lässt.

Spätestens nach der Tripod-Flucht hat man das „Highlight“ dieses schlecht zusammengeflickten Machwerks gesehen und fragt sich, warum man Harper eigentlich noch durch diese grafisch öde Spielwelt durchzuckeln sollte. Wer wirklich noch etwas Positives benennen will, verweist auf die immerhin akzeptablen englischen Sprecher und den teils tatsächlich guten Soundtrack, der einige schmissige Rocksongs in petto hat. Vielleicht könnte man auch im Ansatz das Bemühen der Programmierer loben, mit Rätseln, Schleichen, Craften, Fahren oder Erkunden spielerische Abwechslung zumindest vorgehabt zu haben – aber bei einer so grottigen Umsetzung sind selbst gute Vorsätze letztlich egal.

Fazit

Technisch furchtbares, teilweise unfassbar ödes und spielerisch viel zu unausgegorenes Action-Adventure-Machwerk zum Krieg der Welten-Kosmos, das man selbst absoluten Überfans der Vorlage nicht empfehlen kann.

Grey Skies: A War of the Worlds Story • Steel Arts Software • Action-Adventure • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Steel Arts Software

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