13. März 2021 1 Likes

TV-Tipp: „Beforeigners“ - Migranten aus der Vergangenheit

Eine großartige norwegische Serie von den „Lilyhammer“-Machern

Lesezeit: 3 min.

Was für eine Serie! Allein der Titel, der schon viel verrät: „Beforereigners“, ein Kunstwort, das aus before und foreigners zusammengesetzt ist, aus vorher oder früher und Fremde. Und darum geht es in dieser norwegischen Serie, die nun in der ARD arg lieblos mitten in der Nacht versendet wird (Samstag, 13. März, ab 23.40 Uhr) und anschließend in der Mediathek hoffentlich viele Zuschauer findet: um Fremde von früher.

Ganz plötzlich tauchen sie auf, im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Besucher aus der Vergangenheit tauchen im reichhaltigen Wasser der Hauptstadt Oslo auf, einfach so, aus mehr oder weniger fernen Zeiten. Manche stammen aus der Steinzeit, andere aus der Zeit Anfang des 11. Jahrhunderts, als man noch Felle trug und mit Speeren auf die Jagd ging, andere aus dem schon weiter entwickelten 18. Jahrhundert, als man Zylinderhüte trug und distinguiert agierte.

Ein paar Jahre später kommen regelmäßig immer noch neue Besucher an, die längst in professionellen Auffangzentren landen und integriert werden. Mehr oder weniger. Denn während manche der Besucher Teil der Gesellschaft werden, sich mit den Eigenheiten einer westlichen Kultur am Beginn des 21. Jahrhunderts zurechtfinden, leben andere in baufälligen Hütten am Rande der Gesellschaft oder führen in ihren Sozialwohnungen blutige Tieropfer durch.


Cool, wenn man nicht mehr am Schnitt in den Finger stirbt …

Zeitmigranten werden diese Menschen genannt und fungieren natürlich als Metapher für die Migrationsbewegungen der Gegenwart. Manche Menschen der Gegenwart akzeptieren die Neuen, manche sind sogar begeistert von der archaischen Männlichkeit eines Cro-Magnons, der mit bloßen Händen einen Hasen tötet und auf unnötige Kleidung verzichtet. Meist jedoch herrschen Skepsis und Vorurteile, dabei sind die Fremden streng genommen ja gar nicht wirklich fremd, sondern die Vorfahren der heutigen Norweger.

Mit großem Witz und feiner Beobachtung zeigen die Serienmacher Anne Bjørnstad und Eilif Skodvin diese Welt, die ein wenig an John Carpenters „Sie leben“ erinnern. Dort waren die Aliens tatsächlich Aliens, auch dort gab es ein unfreiwilliges Ermittler-Duo, das hier aus der Wikinger-Frau Alfhildr Enginnsdottir (Krista Kosonen) und dem „einheimischen“ Polizisten Lars Haaland (Nicolai Cleve Broch) besteht. Während Haalands Frau mit einem Zeitmigranten durchgebrannt ist, ist Enginnsdottir die erste Polizistin ihrer Art. Gemeinsam ermitteln sie in einem Mordfall an einer Zeitmigrantin und stoßen bald auf ein Netz aus Entführung und Prostitution.


Eher uncool, wenn man die Zeitimigranten zweissprachig zum Teufel wünscht

Doch nicht die Krimihandlung ist zumindest in den ersten beiden Folgen der sechsteiligen ersten Staffel das Spannendste, sondern die gleichermaßen deutliche wie subtile Metaphorik. Ganz beiläufig inszeniert Regisseur Jens Lien („Anderland“) den Zusammenprall der Kulturen, deutet Konflikte an, die immer wieder die Gegenwart jedes westlichen Landes spiegeln. Dass die Serie dabei nicht vor Differenzierung zurückschreckt ist ihre große Stärke: Nicht alles was die Fremden an Traditionen oder Gebräuchen mitbringen ist nachvollziehbar, manches stört eindeutig die Ordnung, anderes ist fraglos kriminell. Manches wiederum bereichert die Gegenwart, hält ihr einen notwendigen Spiegel vor. Gerade angesichts der heutzutage oft viel zu oft praktizierten schwarz-weiß-Malerei, nach der man etwa hundertprozentig für die Aufnahme von Flüchtlingen sein muss, will man nicht Gefahr laufen, als Rassist dazustehen, ist so eine differenzierte Darstellung von Notwendigkeit, Gewinn, aber auch Problemen von Migration eine Wohltat.

Wer nach diesen sechs Folgen auf den Geschmack gekommen ist: Eine zweite Staffel ist schon in Arbeit.

Beforeigners (Norwegen 2019) • Creator: Anne Bjørnstad & Eilif Skodvin • Darsteller: Nicolai Cleve Broch, Krista Kosonen • ARD, 13. März, 23.40 Uhr, danach in der Mediathek

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