Genre auf der Berlinale 2021
Heute Abend Eröffnung des Summer-Special-Freiluftfestivals
Nachdem die Berlinale im letzten Jahr so gerade daran vorbei schrammte, ein Corona-Superspreading-Event zu werden, traf das Festival die Pandemie dieses Jahr ins Mark. Leicht nach hinten verschoben vom üblichen Februar-Termin fand Anfang März ein so genanntes Industrie-Event statt, bei dem Medienvertreter via Stream das abgespeckte Programm am heimischen TV (oder Beamer) sichten konnten, während kleine Jurys in den Kinos saßen und die Preise vergaben. Ab heute Abend (und bis zum 20. Juni) findet nun trotz stetig sinkender Fallzahlen ebenfalls nur ein abgespecktes Festival statt und zwar ausschließlich als Freiluftveranstaltung in den zahlreichen Berliner Freiluftkinos. Einige Genre-Filme finden sich auch unter der diesjährigen Auswahl, sogar im Wettbewerb.
• „Ich bin Dein Mensch“ heißt der Film von Maria Schrader, der ursprünglich für die vom SWR initiierte Reihe mit Science-Fiction-Stoffen konzipiert war, über die wir anlässlich von „Exit“ schon berichtet hatten. Schraders Filme wurde für gut genug befunden, im Wettbewerb zu laufen, wo Hauptdarstellerin Maren Eggert mit dem Preis für die Beste Darstellung ausgezeichnet wurde. Durchaus zurecht, denn sie und ihr Partner Dan Stevens sind das sehenswerteste an einem Film, der inhaltlich eine Variation der Frage ist, wie menschlich ein humanoider Roboter sein kann. Bald auch regulär im Kino zu sehen.
• Auch „Tides“, ein weiterer deutscher Film im Hauptprogramm kommt nicht über bloßes variieren bekannter Muster hinaus. In diesem Fall ist das eine dystopische Zukunftsvision, die vom Hollywood erfahrenen Kameramann Markus Förderer („Independance Day 2“) eindrucksvoll bebildert wird. Gefilmt wurde vor allem in Wattlandschaften, was allerdings auch das originellste eines Films ist, der inhaltlich enttäuscht. Was besonders schade ist, da Regisseur Tim Fehlbaum mit seinem Debüt „Hell“ noch für ein deutsches Genre-Highlight sorgte. Doch hier fallen ihm und seiner Co-Autorin Mariko Minoguchi („Mein Ende. Dein Anfang.“) nicht mehr als Klischees ein, wenn sie erzählen wie in ferner Zukunft die Astronautin Blake zur Erde zurückkehrt um zu ergründen, ob der Planet inzwischen wieder bewohnbar ist. Natürlich haben sich inzwischen unterschiedliche Fraktionen unter den verbliebenen Menschen gebildet unter ihnen Blakes Tod geglaubter Vater. Schade um die schönen Bilder.
• Interessanter und vor allem ungewöhnlicher dagegen „Night Raiders“, der in der Sektion Panorama zu sehen ist und so etwas wie der erste indigene Science-Fiction-Film aus Kanada ist. Regisseur Danis Goulet ist selbst vom Stamm der Cree und erzählt hier mit der indigenen Schauspielerin Elle-Máijá Tailfeather in der Hauptrolle eine klassisch dystopische Geschichte, die auf unterschwellige Weise die Gegenwart spiegelt. Der nordamerikanische Kontinent ist vom Militär kontrolliert, Kinder gelten als staatlicher Besitz. Mit ihrer Tochter hat sich Niska im Wald versteckt, um den staatlichen Häschern zu entgehen. Doch als ihre Tochter gefangen und in ein Internierungslager gesteckt wird, schließt sich Niska einer First-Nation-Untergrundbewegung an, deren Kampf gegen die Repressionen unzweideutige Metapher für gegenwärtige Repressionen sind.
• Zum Abschluss sei noch auf ein absolutes Genre-Highlight verwiesen, den Polizei-Thriller „Limbo“ aus Hong Kong, ein harter, brutaler Film, in dem Soi Cheang in brillantem schwarz-weiß von der Jagd eines Polizisten auf einen Serienkiller erzählt. Ganz nebenbei geht es zudem um das Leben am Rand der Gesellschaft, in den Slums der Metropole, wo ein Leben wenig zählt.
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