29. Juli 2021 1 Likes

„Alles ist Eins, außer der 0“ – Über die Anfänge des Chaos Computer Clubs

Nicht nur 80er Jahre Nostalgie, sondern hochaktuelles Kino

Lesezeit: 2 min.

„Bin ich schon drin oder was?“ fragte einst Boris Becker in einer legendären AOL-Werbung, und wer weiß, was AOL, BTX und Modems sind, für den ist der Dokumentarfilm „Alles ist Eins, außer der 0“ wie gemacht. Doch auch für Spätgeborene, die mit Computern, dem Internet oder gar Smart Phones groß geworden sind, ist der Film von Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf Pflichtprogramm, will man verstehen, wie wenig sich in den letzten Jahrzehnten geändert hat.

Der Untertitel „Dr. Waus Chaos Computer Club Film“ deutet es an: Hier geht es um den legendären CCC und ihren Mitgründer Wau Holland, die seit 40 Jahren die Entwicklung von Informationstechnologie kritisch begleiten und die Öffentlichkeit auf die Möglichkeit von Überwachung, Betrug und Missbrauch aufmerksam machen. Zumindest versuchen sie es, denn das Unwissen der breiten Maße über die Technologie, die inzwischen essentieller Teil des Lebens geworden ist, mutet oft haarsträubend an: Während eine nützliche Einrichtung wie die Corona-Warn-App wegen Datenschutzbedenken fast zur Unbrauchbarkeit kompromitiert wird, geben Menschen im Internet meist wahllos persönliche Daten preis, Hauptsache es gibt – scheinbar – etwas umsonst.

Wie ein Kampf gegen Windmühlen mag den Mitgliedern des CCC ihre Arbeit erscheinen, die sich, auch das zeigt die Dokumentation, im Laufe der Jahre kaum geändert hat. Gut, die Monitore sind schärfer, das Internet komfortabler geworden, doch die Hacker trieben und treiben sich ja ohnehin nicht auf der glatten Oberfläche herum, sondern in den für Laien nicht zu entschlüsselnden Zahlen- und Buchstabenkaskaden der Quellcodes.


CCC-Urgesteine: Steffen Wernéry (links) und Wau Holland (rechts)

Anfangs trieb sie jugendlicher Ehrgeiz an, in möglichst geheime Systeme einzudringen, doch gerade Wau Holland gab bald die Richtung vor, die den CCC zum von Sicherheitsbehörden gefürchteten, aber wohl auch geachteten Gegner machte. Dem Ethos von White-Hat-Hackern folgend, die nicht zum eigenen Profit oder mit bloßer Zerstörungswut hackten, sondern um die Allgemeinheit zu informieren und auf Sicherheitslücken aufmerksam zu machen, agierte der CCC. Anfangs im antiken System des Bildschirmtexts, später im Internet, aber auch im Bereich von Sim-Karten und anderen Technologien.

Auch wenn die Bildercollagen von „Alles ist Eins, außer der 0“ wie aus lang vergangener Zeit anmuten, grobkörnige TV-Aufnahmen aus den 80ern und kaum schärfere 8mm und Video-Bilder kombiniert, könnte der Inhalt kaum zeitgemäßer sein. Was Wau und seine Kollegen schon Mitte der 80er befürchteten ist längst Wirklichkeit geworden: Die komplette Überwachung der Informationsströme, der völlige Verlust von Privatheit, wie sie durch Geheimdienste, aber auch durch Unternehmen wie Facebook oder Google verfolgt werden. Im Kern hat sich seit Mitte der 80er nichts geändert, die immer dichter werdende Vernetzung macht es im Gegenteil sogar leichter, zu überwachen. So nostalgisch „Alles ist Eins, außer der 0“ also auch anmutet: Aktueller könnte ein Dokumentarfilm kaum sein.

Abb.: Neue Visionen Filmverleih

Alles ist Eins, außer der 0 • Deutschland 2020 • Regie: Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf • Kinostart: 29. Juli 2021

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