Benedict Cumberbatch liest Kurt Vonnegut
Brief an die Zukunft
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Planet in eine Katastrophe rauscht, die die Erde und das Leben darauf drastisch verändern wird. Die großen Stichworte waren und sind Überbevölkerung und Klimawandel, aber es ließen sich noch 1000 weitere, kleinteiligere Wörter finden. Aber da die Katastrophe nun mal nicht mit der punktgenauen Wucht eines Erdbebens daherkommt, konnte, kann und wird man sie vermutlich auch weiterhin mehr oder weniger ignorieren. Man wird die negativen Folgen achselzuckend in Kauf nehmen, mit dem Finger auf andere zeigen und etliche werden darin eine Chance sehen, um Geld zu verdienen.
Zu den ungehörten Mahnern zählte 1988 auch Schriftsteller Kurt Vonnegut, der von Volkswagen (!) darum gebeten wurde, einen Brief an die Menschen des Jahres 2088 zu schreiben, um ihnen ein paar Tipps aus der Vergangenheit zu geben. Dieser Brief ist seither immer wieder mal aufgetaucht, und 2019 hat ihn Schauspieler Benedict Cumberbatch im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Letters Live“ in der Londoner Union Chapel, gelesen – und das kann man nun auch offiziell auf YouTube sehen und hören (s.u.).
Vonneguts Brief mündet in sieben „Geboten“:
1. Reduce and stabilize your population.
2. Stop poisoning the air, the water, and the topsoil.
3. Stop preparing for war and start dealing with your real problems.
4. Teach your kids, and yourselves, too, while you’re at it, how to inhabit a small planet without helping to kill it.
5. Stop thinking science can fix anything if you give it a trillion dollars.
6. Stop thinking your grandchildren will be OK no matter how wasteful or destructive you may be, since they can go to a nice new planet on a spaceship. That is really mean, and stupid.
7. And so on. Or else.
Dieser Brief war schon 1988 keine Propheterie, sondern literarische Aufbereitung von Fakten, aber nun, da uns allmählich dämmert, dass wir in präapokalyptischen Zeiten leben – und vielleicht mit einer gewissen Lust am Untergang die täglichen Schreckensmeldungen wahrnehmen, solange es uns noch nicht selbst betrifft – bekommt dieser Brief auch einen fast schon melancholischen Touch, weil seine deutliche Warnung selbstverständlich verhallte. Aber Vonnegut war natürlich schon 1988 klar, dass niemand auf ihn (oder sonst wen) hören würde. Von einem „Unterton“ kann da keine Rede sein. Das hat was von einer vorgezogenen, sarkastischen Grabrede.
Und 2088? Wie wird sich das dann wohl anfühlen, diese Worte zu lesen? Man möchte es sich nicht wirklich ausmalen.
Eine deutsche Übersetzung des Briefs kann man zum Beispiel hier in der Stuttgarter Zeitung lesen.
Abb.: Letters Live/YouTube
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