29. Oktober 2021

„The Plane Effect“: Der lange Weg nach Hause

Ein dystopischer Plattformer nach Schema F

Lesezeit: 4 min.

Seinen letzten Arbeitstag zu bestreiten, würde wohl bei den meisten Arbeitnehmern positive Gefühle auslösen. So auch bei der Hauptfigur von The Plane Effect, dem jüngsten Indie-Adventure aus dem Hause Innovina in Zusammenarbeit mit StudioKiku, die zu Beginn gleich mal mit einem breiten Lächeln aufwacht. Dieses Gefühl vergeht ihm auch beim Frühstück mit seiner Familie nicht, doch als er dann tatsächlich nach Büroschluss seinen finalen Abgang aus den ziemlich düsteren Büroräumen seines Arbeitgebers antreten soll, schlägt die Stimmung komplett um. Denn die Welt von The Plane Effect (Ende September digital für Konsolen und PC für ca. 15 Euro erschienen) erweist sich als eine Mischung aus grauer Zukunftsvision und einer trotz des sehr abstrakt gehaltenen Grafikstils fast schon realistisch anmutenden Gegenwart, in der unser Solo genannter Protagonist plötzlich völlig allein und auf sich gestellt ist und der vermeintlich alltägliche Weg nach Hause zur surrealen Odyssee mutiert.

Während wir mit Solo aus der Isoperspektive unseren Weg nach Hause durch einzelne, recht kurze Kapitel bestreiten, begegnen uns neben öden Straßen, Tankstellen, Plantagen oder sogar Seen immer wieder Büro- und Fabrikanlagen, in denen wir jeweils vor typische Puzzleaufgaben gestellt werden. So heißt es in den abgegrenzten, jedoch nicht immer übersichtlich gehaltenen Arealen in der richtigen Reihenfolge nach anklickbaren Items Ausschau zu halten, um Schalter-, Schiebe- oder andere Physikrätsel zu lösen. Kleinere Fahr-, Hüpf und Schwimmeinlagen lockern das Geschehen zusätzlich auf, stellen allerdings mangels Tiefe nichts mehr als Beiwerk dar.

Mal müssen wir beispielsweise auf einer Straße aus einem Fass und einem Pfeil eine Sprungrampe für unser Auto basteln, mal die Energiezufuhr zum Öffnen elektrischer Türen regulieren oder mithilfe eines Schlauchboots an Haien und Wasserminen vorbeinavigieren. Dazu gesellen sich mehrfach völlig unerwartete Situationen, in denen wir plötzlich von einem schwarzen Skorpionwesen verfolgt oder von einem riesigen Wurm verschluckt werden – bei letzterem müssen wir dann sogar folgerichtig einen Weg aus dessen Magen finden.

Zwar klingt das alles sicher für viele Leser, die Indie-Titel wie Inside, Limbo, Monobot oder das sehr vergleichbare Mosaic (hier unser damaliger Test) kennen, zunächst sicher ganz spannend. Doch so sehr die surreale Atmosphäre zeitweise zünden mag, so sehr fallen gleichzeitig die Schwächen dieses Aufgusses nach Schema F auf. Die Steuerung (wir spielten auf PC) erweist sich als recht träge und auch die Spielführung bzw. die Anlage der Rätsel gestaltet sich oft genug unübersichtlich bis nervig unkonkret. Wer nicht den dankenswerterweise verfügbaren Hilfemodus aktiviert, wird meist viel zu sehr allein gelassen, sodass es unnötig lange dauert, überhaupt herauszufinden, was der jeweilige Rätselraum mit seinen eigentlich simplen Aufgaben überhaupt von uns will.

Dazu mag die Spielwelt zwar mit ihrer Leere und ihren Hinweisen auf eine – um nur ein mögliches Thema des Spiels zu skizzieren – aus den Fugen geratene Arbeits- und Wissenschaftswelt, in der Menschen offenbar ständig durch unnahbare Instanzen unter Beobachtung stehen, gerade aufgrund der eingängigen Inszenierung einigen Reiz aufbauen. Doch da es The Plane Effect komplett an Dialogen, (Audio-)Files oder weiteren Charakteren bis auf die ohnehin nur schemenhaft präsente Familie von Solo mangelt, verliert sich dieser Reiz über die maximal 4-5 Stunden Spielzeit bis zum Abspann. Da helfen auch Standardstrategien wie das Verwischen der Ebenen zwischen Traum und Realität wenig, denn unser Held und dessen Schicksal könnten einem mangels Identifikation kaum egaler sein.  

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Titel hat definitiv Qualitäten, überrascht immer wieder mit unerwarteten Twists in Richtung Fantastik oder Sci-Fi, lädt mit seiner Welt zur Interpretation der Andeutungen ein und garniert das Ganze mit einem dazu stimmig wabernden (Synthie-)Soundtrack. Doch die faden bis witzlos aneinandergereihten Rätsel, das zu leere Storytelling und die maue Spielführung bei letztlich auch noch durchschnittlicher Technik (so störten einige Bugs den Spielfluss) vergrätzen Spielern, die solche Indie-Titel in den letzten Jahren vielleicht auch schon zu oft in der immer gleichen Bauart vorgesetzt bekommen haben, die Lust am tieferen Eintauchen. Man könnte bilanzieren: Wer The Plane Effect auf YouTube und Co. einmal anschaut, anstatt es selbst zu spielen, hat eigentlich mehr davon, als es zu spielen. Für ein Spiel ist das eben leider keine gute Aussage.

Fazit

Was für Neulinge ein anregendes Erlebnis sein kann, ist für Genrekenner nur ein weiterer Aufguss längst bekannter Standards im Indie-Kosmos.

The Plane Effect • Innovina/StudioKiku • Adventure/Plattformer • PS5/Xbox Series X/PC

Abb. © PQube

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