„Erde 0“ von Micaiah Johnson

Menschen, die sich mit Elric, Doctor Who, DC, Marvel und anderem beschäftigen, ist das Konzept des Multiversums bestens vertraut – also die Vorstellung eines Kosmos mit vielen parallel existierenden Universen, Welten und Realitäten, in denen die Dinge und Personen ganz anders sein können. Durch „Loki“ und „What if…?“ auf Disney+ dürfte die multiversale Kirche unlängst weitere Anhänger gewonnen haben. Für alte und neue Fans der Viele-Welten-Theorie bietet „Erde 0“, das 2020 als „The Space Between Worlds“ erschienene und völlig zurecht für den Hugo Award nominierte Science-Fiction-Romandebüt von US-Autorin Micaiah Johnson, extrem lohnende und packende Lektüre.

Ich-Erzählerin Cara stammt aus armen Verhältnissen in den Slums der lebensfeindlichen Wüste, ist jedoch eine wertvolle Traverserin für ihre mächtige Firma in der glänzenden, in die Höhe gebauten Stadt unter der Kuppel und hinter der Mauer. Denn Caras jeweilige Gegenstücke sind in den meisten der fast 400 Parallelerden, die man von ihrer Erde 0 aus per Sprung in den Raum zwischen den Welten erreichen kann, tot. Deshalb kann sie ohne tödliches Paradox zum Abrufen von Daten in diese alternativen Wirklichkeiten springen und ihrem Arbeitgeber damit den Abbau von Ressourcen ermöglichen. Doch Cara hat ein krasses, finsteres Geheimnis – allerdings gilt das auch für andere Menschen in ihrem Umfeld und auf den mit ihrem Schicksal verbunden Erden …

Micaiah Johnson fesselt von der ersten Seite an mit ihrem Ansatz, ihrem Sound und ihrem Konzept. Vor allem dass Erde 0 kein einfaches Spiegelbild unserer Realität ist, sondern ganz andere klimatische, soziale, dystopisch-postapokalyptische Verhältnisse samt Klassenkampf und Slum-Warlords mit Mad-Max-Allüren kennt, macht „Erde 0“ zu einem höchst innovativen Roman über altbekannte Themen. Außerdem ist Johnsons Geschichte immer auf reizvolle Art komplex, smart, fordernd und überraschend. Ein Highlight.

Micaiah Johnson: Erde 0 • Knaur, München 2021 • 415 Seiten • Paperback: 10,99 Euro