25. November 2022

„Mad Heidi“ – You fucked with the wrong Heidi

Schweizer Komödie mit Blut, Brüsten und definitiv zuviel Käse

Lesezeit: 4 min.

„Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge. Heidi, Heidi, denn hier oben bist du zu Haus. Dunkle Tannen, grüne Wiesen im Sonnenschein. Heidi, Heidi, brauchst du zum Glücklichsein!“ – selbst der weltabgewandteste Griesgram dürfte wenigstens einmal im Leben über Johanna Spyris 1880 und 1881 veröffentlichte Kinderbücher „Heidis Lehr- und Wanderjahre“ und „Heidi kann brauchen, was es gelernt hat“ (in weiteren Auflagen meist einfach unter „Heidi“ in einem Band) gestolpert sein, die von den Erlebnissen des kleinen Waisenmädchens Heidi erzählen. Und wenn nicht über die Bücher, dann über die zahlreichen auf Spyris Vorlage basierenden Zeichentrickfilm- und serien, Kinofilme, Comics, Musicals und und und.

„Heidi“ gehört zu den bekanntesten Schweizer Literaturerzeugnissen der Welt und ist im Ursprungsland natürlich ein Nationalheiligtum, es gibt sogar ein Heididorf. Aber auch in vielen anderen Ländern ist „Heidi“ ein Begriff, sogar in der Türkei und in Japan genießt die Schöpfung der 1901 verstorbenen Kind- und Jugendbuchautorin eine große Beliebtheit.

„Heidi“ ist aber nicht nur ein absoluter Konsens-Klassiker, sondern zudem maßgeblich für ein tiefromantisches und äußerst idyllisches Bild der Schweiz verantwortlich. Beides lädt natürlich absolut dazu ein, mit schwarzhumoriger Lust attackiert zu werden. Und so legt „Mad Heidi“ (der bei Schweizer Bruggore Festival die Tage Premiere feierte und dort amüsanterweise mit der fast schon obszön harmlosen Spyri-Verfilmung „Heidi und Peter“ von 1955 als Double-Feature gezeigt wurde) vom Start weg entsprechend los.

Das Debüt der Regisseure Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein spielt in naher, natürlich düsterer Zukunft: Der skrupellose Käse-Mogul Meili (Casper Van Dien) hat sich an die Macht geputscht und regiert die Schweiz mit eiserner Faust, was sich besonders darin äußert, dass Laktoseintolerante als Staatfeinde gelten und laktosefreier Käse nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen ist. Bei einem der illegalen Käsehersteller handelt es sich um Ziegenpeter (Kel Matsena), der großen Liebe von Heidi (Alice Lucy). Doch eines Tages werden Ziegenpeter und der Großvater (David Schofield) von Meilis Truppen unter der Führung des ultrabrutalen Kommandanten Knorr (Max Rüdlinger) getötet. Heidi wird in ein Frauengefängnis verfrachtet, das von einer Oberaufseherin mit dem aussagekräftigen Namen Rottweiler geleitet wird, und muss dort allerlei Schikanen über sich ergehen lassen: Sie kriegt Elektroschocks verpasst, immer wieder den Kopf in die Kloschlüssel gedrückt und muss permanent Meilis Käse essen. Doch Heidi gibt nicht auf, sie flieht und kehrt nach einem Kampfsporttraining nach Rache dürstend wieder …

„Mad Heidi“ entspringt dem Geist des letztjährigen Maximaldebakels „Sky Sharks: Es handelt sich um einen unabhängig produzierten Fanfilm mit Blut und Brüsten, und wie „Sky Sharks“ hat „Mad Heidi“ das Problem, dass die Grundidee zwar sehr aufmerksamkeitserregend ist, aber eben keinen ganzen Spielfilm trägt. So amüsant das anfängliche gegen den Strich Bürsten der Vorlage und das Veralbern von Schweiz-Klischees sein mögen – nach ungefähr der Hälfte der Laufzeit ist man der unzähligen Käse-Gags überdrüssig und ein bisschen froh, dass das Geschehen zusehends actionlastiger wird, was allerdings zwar ganz ordentlich choreographiert, aber nicht spektakulär genug ist, um so richtig davon abzulenken, dass der Abspann eigentlich viel zu spät einsetzt.

Der größte Pluspunkt von „Mad Heidi“ ist, neben der alles in einem erfreulich professionellen Machart (der Film sieht für ein Film, der zugleich dem Bahnhofskino der 1960er- und 1970er-Jahre huldigt, eigentlich schon wieder etwas zu gut aus), die motivierte Besetzung, von der besonders ein Schauspieler hervorsticht: So wacker sich Newcomerin Alice Lucy in der Titelrolle auch schlägt, so genießerisch fies Max Rüdlinger den Kommandanten Knorr auch gibt: Wenn Caspar von Dien, einstiger Star von Paul Verhoevens Kultfilm „Starship Troopers“ und mittlerweile Fließbandkurbler aus der dritten bis vierten Reihe, als stets unter Dampf stehender Käse-Diktator Meili, entweder im knallroten Trainingsanzug oder in einer an Gaddafi erinnernden Uniform die Szenerie betritt, haben die Krümel Pause. Da hatte mal jemand so richtig Bock, so hat man den Schauspieler lange nicht mehr, wahrscheinlich noch nie, erlebt – nicht unbedingt subtile Schauspielkunst, aber ein herrlich wüster, dem Kontext absolut angemessener Auftritt, an den man noch eine Weile denken wird.

Die Regisseure liebäugeln natürlich bereits mit einem Sequel und man muss schon sagen: Auch wenn das Debüt noch etwas arg rumpelt, unsympathisch ist es nicht und man ist nach dem Abspann durchaus gewillt, den beiden noch eine weitere Chancen zu geben.

„Mad Heidi“ läuft ab dem 24.11.2022 mit einer heillos übertriebenen FSK-18-Freigabe im Kino.

Mad Heidi (Schweiz 2022) • Regie: Johannes Hartmann, Sandro Klopfstein • Darsteller: Alice Lucy, Casper von Dien, David Schofield, Rebecca Dyson-Smith, Katja Kolm, Leon Herbert

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