9. Mai 2023

„Silo“ – Und noch eine Dystopie ...

Die Serien-Adaption von Hugh Howeys Reihe beginnt dennoch vielversprechend

Lesezeit: 3 min.

Vielleicht werden in 20, 30 Jahren Aufsätze darüber geschrieben, warum sich in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts dystopische Geschichten solch immenser Beliebtheit erfreuten. Vielleicht werden sich diese Geschichten – je nach dem in welche Richtung sich die Welt entwickelt – auch als prophetisch erweisen oder gar angesichts der im Jahre 2060 oder 2070 möglicherweise viel extremeren Realität als lachhaft harmonisch erscheinen.

Besonders schwer vorstellbar mutet die Welt von „Silo“ jedenfalls nicht an, einer zehnteiligen Serie, die nun bei Apple+ zu sehen ist. Vorlage war der erste Band von Hugh Howeys „Wool“-Romanserie, die der amerikanische Autor bei Amazon ohne Verlag veröffentlichte. Als Showrunner fungiert Graham Yost, der zuletzt die schöne, atmosphärische Agentenserie „Slow Horses“ auf die Beine stellte, Regie bei den ersten Folgen führte der Norweger Morten Tyldum, der mit „The Imitation Game“ einigen Erfolg hatte und sich bei „Passengers“ schon einmal an einem Science-Fiction-Konzept auf sehr begrenztem Raum versuchte.

War es dort ein einsames Raumschiff in den Tiefen des Alls, ist es bei „Silo“, genau, ein Silo. Dieses beherbergt einige tausend Menschen, die letzten Überlebenden der Menschheit, die nach einer undefinierten Katastrophe Zuflucht im hunderte Etagen umfassenden Silo finden. Seit 140 Jahren leben sie dort, die Außenwelt ist verseucht, allein ein großes Panoramafenster ermöglicht den Blick nach Außen, aber stimmt das wirklich?

In der ersten Folge liegt der Fokus auf Becker (David Oyelowo), dem Sheriff der Gemeinschaft, und seiner Frau Allison (Rashida Jones). Schon zum dritten Mal bekommt das Paar die Erlaubnis, Kinder zu bekommen, doch es will nicht klappen. Während Becker den Regeln des Sytems und der Bürgermeisterin Ruth (Geraldine James) (noch) treu ergeben ist, beginnt Allison mehr und mehr zu zweifeln.

Doch Zweifel sind nicht vorgesehen, sämtliche Informationen über das Davor, über die Zeit, bevor die Menschen das Silo bewohnten, sind verloren gegangen, angeblich im Krieg. Nun bekommt Allison jedoch Zugriff auf alte Daten, gespeichert auf antiken Festplatten, die ihr Weltbild aus den Fugen geraten lassen. Nach einem Akt der Rebellion lässt sie sich freiwillig als Putzkraft ins Außen schicken, fest davon überzeugt, dass dieses Außen in keiner Weise so gefährlich ist, wie den Bewohnern eingebläut wird.

Ein gleichermaßen spannender wie konventioneller Ansatz für eine Dsytopie, dem Kenner der Materie stehen sofort unterschiedliche Narrative vor Augen, in denen die Geschichte weitergehen könnte. Einmal mehr wird es also nicht darauf ankommen, was erzählt wird, sondern wie. Ein überraschender Aspekt von „Silo“ zeigt sich dann schon in Folge zwei, in der der Fokus der Erzählung nicht mehr auf Allison bzw. ihrem im Silo zurückgebliebenen Mann Becker liegt, sondern auf der Technikerin Juliette (Rebecca Ferguson), die auf ganz eigene Weise Zweifel an der Realität der Silo-Welt entwickelt.

Ob dieses episodische Erzählkonzept auch in den verbleibenden acht Folgen der ersten Staffel beibehalten wird, bleibt abzuwarten. Stilistisch jedenfalls gibt es an „Silo“ nichts auszusetzen: Die Ausstattung, der allerdings bislang noch recht beschränkten Welt überzeugt ebenso wie die Schauspieler. Ob allerdings das Problem der Utopie-Müdigkeit was Streamer-Serien angeht mit überraschenden Wendungen verhindert werden kann, bleibt abzuwarten. Zumindest Apple scheint vom Erfolg überzeugt zu sein, eine zweite Staffel wird schon gedreht.

Silo • USA 2023 • Showrunner: Graham Yost • Darsteller: Rebecca Ferguson, David Oyelowo, Geraldine James • Jeden Freitag eine neue Folge bei AppleTV+

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