27. September 2023

„The Creator“ – Träumen Androiden immer noch von elektrischen Schafen?

Gareth Edwards KI-Phantasie sieht fantastisch aus, verwendet aber schwammige Allegorien

Lesezeit: 4 min.

Fast schon prophetisch muten die ersten Minuten von „The Creator“ an, eine Montagesequenz berichtet davon, wie Künstliche Intelligenzen in immer mehr Bereichen des menschlichen Lebens zum Einsatz kamen, immer mächtiger wurden und sich schließlich selbstständig machten. Was folgte war ein Krieg, der mit dem Abwurf einer Atombombe über Los Angeles ein vorläufiges Ende fand. Doch im fernen Land Neu-Asien haben sich versprengte Gruppen von Androiden in Widerstandsgruppen zusammengefunden und werden von den Menschen mit brutaler Unerbittlichkeit bekämpft. Hauptziel ist ein nur als Nirmata bekanntes Wesen, benannt nach dem hinduistischen Wort für Architekt, also Erschaffer. Dieser geniale Erfinder hat besonders mächtige KIs entworfen, KIs, die in der Lage wären die U.S.S. Nomad zu zerstören, eine über den Städten schwebende Superwaffe, mit der die Menschheit – also vor allem die Amerikaner – den Krieg gegen die KI endgültig gewinnen wollen.

Ein Mann ist es nun, der auf die Spur von Nirmata gesetzt wurde, der Spezialagent Joshua (John David Washington), doch die Liebe kam dazwischen: Sein Kontakt Maya (Gemma Chan) wurde Joshuas große Liebe, kam jedoch bei einem Angriff der Nomad scheinbar ums Leben, ebenso wie das gemeinsame ungeborene Kind. Fünf Jahre später, im Jahre 2070, wird Joshua – der durch seine Bein und Schulter-Prothese als eine Art Hybridwesen zu sehen ist – reaktiviert und auf die Spur der Rebellen gesetzt, die dabei sind eine Wunderwaffe zu entwickeln. Bald entdeckt er jedoch, dass die Waffe das Androidwesen Alfie (Madeleine Yuna Voyles) ist, ein kleines Mädchen, das wächst – und mit ihr ihre Fähigkeiten.

Uff, viel Kontext war das, viel Text um einen kurzen Einblick in die Welt zu geben, die Gareth Edwards in einem Film entwirft, der allein schon deswegen beachtenswert ist, da er kein Remake, keine Fortsetzung, keine Verfilmung eines Romans oder einer bekannten Marke ist. Der andererseits aber doch nicht wirklich originell wirkt, denn was will man schon erzählen, wenn man Menschen gegen Androiden stellt? Einmal mehr geht es um die nicht erst seit „Blade Runner rauf und runter diskutierte Frage, wann und wie sich künstliche Wesen, Androiden oder Roboter menschlich genug verhalten, so dass sie nicht einfach nur als Maschinen gesehen werden dürfen, die man nach belieben abschalten kann, anders gesagt: wann das Abschalten zum Töten wird.

Edwards diskutiert diese Frage in einem allegorischen Konstrukt, das auf den ersten Blick spannend, auf den zweiten jedoch ein wenig wirr wirkt. Schauplatz ist größtenteils ein Land namens Neu-Asien, das unverkennbar an das Vietnam der späten 60er Jahre erinnert, also der Ära des Vietnam-Krieges. Wenn man so will sind die KI also die Vietcong und die Menschen die Amerikaner, die den Fremden, die das Fremde, mit aller Macht, mit aller Brutalität vernichten wollen. Stilistisch schafft Edwards Bilder, die direkte Zitate aus Vietnam-Filmen sind, moderne Fluggeräte etwa, die über sattgrüne Felder schweben, Soldaten an Bordkanonen, die fliehende Androiden niedermähen, nur aus dem Bordlautsprecher dröhnt nicht Wagners Walkürenritt sondern sinnigerweise Radioheads „Everything in it’s Right Place“, ein Song über die Identitätssuche eines Mannes.

Dieser Mann ist hier natürlich Joshua, der sich zwischen den Seiten entscheiden muss, was allerdings nicht so wahnsinnig schwer fällt, sind die Menschen doch brutal und aggressiv, die KI im besten buddhistischen Sinne friedlich, leben in einfachen Hütten auf dem Land und kommen so putzig daher wie die kleine Alfie mit ihren großen Kulleraugen.

Fast schon ironisch, vielleicht auch masochistisch, mutet es also an, das ein (vermutlich) von Menschen geleitetes Filmstudio wie 20th Century Studio einen nicht ganz billigen Film produziert, in dem künstliche Intelligenzen nicht nur als dem Menschen gleichgestellt, sondern eher überlegen gezeigt werden. Einen Ausgleich zwischen den Spezies scheint es nicht geben zu können, es kann nur eine geben, sozusagen, was dann allerdings zur Frage führt: Wie werden die Androiden mit ihrer Macht über die Menschen umgehen, gerade da sie den Vietcong nachgeahmt sind, die zwar einen ehrenwerten Kampf gegen die vom amerikanischen Imperialisten unterstütze, reaktionäre Armee Südvietnams führten, die aber, als sie an der Macht waren, auch schwerste Verbrechen begingen?

So hübsch Gareth Edwards Allegorien zunächst auch wirken – und im Kontrast der atemberaubenden Natur des Drehortes Thailand und futuristischen Elementen für spektakuläre Bilder sorgt – am Ende scheinen sie etwas zu bemüht, etwas zu konstruiert, um wirklich zu überzeugen. Es bleibt eben die Krux von Filmen über Roboter oder Androiden, dass sie am Ende doch fast immer nur danach fragen, ob Androiden von elektrischen Schafen träumen.

„The Creator“ • USA 2023 • Regie: Gareth Edwards, Darsteller: John David Washington, Gemma Chan, Madeleine Yuna Voyles • Kinostart: 28. September 2023

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