„Megalopolis“ – Grandios und/oder gescheitert?
Francis Ford Coppola erfüllt sich einen Traum
Bescheidenheit war noch nie Francis Ford Coppolas Stärke. Als er 1979 mit einem Rohschnitt von „Apocalypse Now“ nach Cannes kam, behauptete er: „Dieser Film handelt nicht von Vietnam, er IST Vietnam!“ Ein paar Tage später gab es dafür die zweite Goldene Palme und den endgültigen Aufstieg in den Olymp des Kino. In den Jahrzehnten danach entstanden noch manche gefeierte Filme, aber viele, die vor allem Unverständnis hervorriefen, von „Jack“ bis „Youth without Youth.“ Doch einen roten Faden hatte diese Werke, sie handelten von der Zeit. Es ging um Vergänglichkeit, um den Wunsch, das Leben noch einmal zu leben, mit der Erfahrung des Älteren, um die Frage, was man hinterlässt, was überdauert. Fragen, die sich nun auch durch „Megalopolis“ ziehen, ein Film, der einerseits eine 120 Millionen Dollar teure Großproduktion ist, andererseits auch ein persönlicher Experimentalfilm.
Schauplatz ist New Rome, eine Metropole, die unzweideutig als New York zu erkennen ist. Gleich in der ersten Szene hält der visionäre Architekt Cesar Catilina (Adam Driver) für einen Moment die Zeit an, doch unweigerlich läuft sie weiter. Cesar hat nur eine Hoffnung für seine Stadt, die von Exzessen, Korruption und dem Verfall der Moral gebeutelt scheint: Eine neue Stadt soll entstehen, gebaut mit dem Mineral Megalo, eine Stadt, die von Schönheit und Ästhetik geprägt ist und durch ihre schiere visionäre Kraft die Menschen inspiriert. Megalopolis soll sie heißen, doch sein Gegenspieler, Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito), hat andere Pläne. Aber auch eine schöne Tochter namens Julia (Nathalie Emmanuel), die sich bald auf Cesars Seite schlägt.
Weniger Charaktere als Symbole scheinen diese Figuren zu sein, der Finanzhai Hamilton Crassus III (Jon Voight) etwa, der in Momenten ebenso an Donald Trump und seine Exzesse erinnert wie sein Enkel Clodio (Shia LaBeouf), ein oberflächlicher Playboy, den es in die Politik zieht. Dass Coppola ein Faible für sprechende Namen hat, zeigt auch die Finanzjournalistin Wow Platinum (Aubrey Plaza) oder die Witwe von Cesar, der er immer noch hinterhertrauert: Sunny Hope (Haley Sims) heißt sie, und man mag hier an Eleanor Coppola denken, die langjährige Ehefrau des Regisseurs, die kurz vor der Premiere von „Megalopolis“ verstarb. Denn das Coppola Cesar als Alter Ego intendiert hat, liegt auf der Hand: Ein visionärer Künstler, der alles seiner Arbeit unterwirft und Werke schafft, die die Fähigkeit haben, zu transzendieren. Wie gesagt: Bescheiden war Coppola noch nie.
Aber auch ikonoklastisch. Die beschriebene Handlung mag sich zwar durchaus nachvollziehbar anhören: Konventionell aber ist kein Moment in „Megalopolis.“ Mitunter wirkt es so, als habe Coppola bewusst jede Regel eines normalen Hollywood-Films brechen wollen, Spannungsmomente, Plot Points, Wendepunkte gibt es nicht, statt dessen stehen lose Szenen nebeneinander, verbunden weniger durch Handlung als durch Ideen, Anspielungen und Bezügen.
Ob „Megalopolis“ die oder zumindest eine Zukunft des Kinos darstellt, das Medium zu neuen Formen führt und alte Zöpfe durchtrennt, bleibt abzuwarten. Herkömmliche Regeln zu brechen ist zwar nicht zwangsläufig ein Wert an sich, wie hier ein über 80jähriger Regisseur, der schon alles erreicht hat, sich noch einmal neu erfindet, nötigt jedoch unbedingt Respekt ab.
Abb. © Lionsgate/Constantin Film
Megalopolis • USA 2024 • Regie: Francis Ford Coppela • Darsteller: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Aubrey Plaza, Shia LaBeouf, Jon Voight, Laurence Fishburne, Talia Shire, Jason Schwartzman • ab 26. September im Kino
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