3. Oktober 2024

„Joker 2: Folie à Deux“ – Ein Anti-Joker Joker-Film

Nach dem gigantischen Erfolg des ersten Teils, verhebt sich Todd Philips diesmal

Lesezeit: 3 min.

Gerade sehr gut gemachte Filme sind oft volatile Artefakte, deren Interpretation von den Filmemachern nicht zu beeinflussen ist: So war Oliver Stones „Wall Street“ eigentlich als Kritik des Raubtierkapitalismus gedacht, inspirierte dennoch zahllose junge Männer, Banker zu werden, um die Regeln des Systems zu umgehen – und auch die Finanzkrise von 2007 auszulösen. Oder Francis Ford Coppolas „Der Pate“, der von manchen als unkritische Ode an die Mafia wahrgenommen wurde, eine Lesart, die Coppola mit dem viel düsteren, fast schon nihilistischen zweiten Teil zu widerlegen suchte.

In diesem Sinne könnte man Todd PhilipsJoker 2: Folie à Deux“ als Versuch verstehen, den vor sechs Jahren mit überwältigendem Erfolg gelaufenen „Joker“ geradezurücken, den allzu viele als positives Angebot verstanden, wie sie sich aus ihrer angeblichen Unterdrückung befreien könnten. Dabei war es schon damals eigentlich unmissverständlich, dass der von Joaquin Phoenix grandios verkörperte Arthur Fleck, der sich gerne zum Clown schminkte und dann als Joker Gotham unsicher machte, alles andere als ein Held und selbst als Antiheld nicht zu gebrauchen war.

Doch wenn Anarchie und Exzess so mitreißend inszeniert werden – und Philips ist ein sehr starker Regisseur, der auch in der Fortsetzung oft soghafte Bilder auf die Leinwand wirft – fällt es schwer, sich gleichzeitig von ihnen zu distanzieren. So wirkt „Joker 2: Folie à Deux“ wie der Versuch, den Joker zu dekonstruieren und betont uncharismatisch zu zeigen, auf das sich bloß niemand mit ihm und seinen Wahnsinnstaten identifiziert.

Was in gewisser Weise wie ein nobler Ansatz erscheint, aber leider zu einem meist bemerkenswert langweiligen Film führt, der zumal über 138 Minuten ein Nichts von Handlung erzählt: Nach den Taten aus Teil 1 wartet Arthur Fleck im Arkham Asylum auf seinen Prozess, bei dem seine Anwältin Maryanne Steart (Catherine Keener) auf Unschuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit plädieren will. Die Mitinsassin Lee Quinn (Lady Gaga) dagegen stachelt Arthur an, die Rolle des Jokers anzunehmen. Eine intensive, aber größtenteils imaginierte Liebe beginnt, die sich in den viel kolportierten Musical-Nummern abspielt, in denen Lady Gaga ihrem Hauptberuf entsprechend sehr überzeugend agiert, Phoenix dagegen zeigt, dass er zwar ein bemerkenswerter Schauspieler ist, der allerdings so gar nicht singen kann.

Noch anstrengender als Phoenix Gesang wirkt allerdings die arg schematische Medienkritik. Ob es ein Reporter ist, der Fleck im Gefängnis interviewt, eine Animationssequenz in klassischer Looney Toons-Manier oder die Kameras, die immer wieder ins Bild gerückt werden: Das Leben als Bühne, diese Metapher verwendete einst schon Shakespeare, in der heutigen Zeit, in der ein Pseudo-Politiker wie Donald Trump sich rund um die Uhr wie ein (schlechter) Schauspieler geriert, stellt sich immer häufiger die Frage, was denn nun echt und was inszeniert ist.

Diesen zunehmend ins Chaos abdriftenden Zustand der Welt zu spiegeln gelang Todd Philips in „Joker“ auf spektakuläre Weise, doch der Erfolg, die Begeisterung auch von nicht gewünschter Seite hat ihn vielleicht selbst verängstigt. Die Fortsetzung mutet nun wie ein bewusst distanzierender Anti-Joker Joker-Film an, der einer ikonischen Figur jedes Charisma austreibt. Wie gesagt: Eigentlich kein schlechter Ansatz, der allerdings so erfolgreich umgesetzt wird, das „Joker 2: Folie à Deux“ weitestgehend spannungsfrei abläuft.

Abb. © Warner Bros.

Joker 2: Folie à Deux • USA 2024 • Regie: Todd Philips • Darsteller: Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Catherine Keener, Brendan Gleeson • ab 3. Oktober im Kino

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