1. August 2025

Marvel Comics Library. Hulk. 1962–1966

Wuchtiger Sammelband für wuchtigen Comichelden

Lesezeit: 4 min.

Unvergesslich die Szene im ersten „Avengers“-Film von 2013, als Loki Hulk anherrscht: „Genug! Ihr alle seid meiner nicht würdig. Ich bin ein Gott, du stumpfe Kreatur! Ich lass mich nicht malträtieren …“ – weiter kommt er nicht, denn der grüne Hüne beschließt die Konversation vorzeitig zu beenden, packt den überheblichen Adoptivsohn des Odin einfach bei den Füßen, haut ihn immer und immer wieder auf den Boden und stampft – verächtlich „Mickriger Gott!“ schnaubend – davon.

Die 1962 von Stan Lee und Jack Kirby entwickelte Hulk-Figur gehört nicht nur zu den populärsten Marvel-, sondern zu den beliebtesten Comicfiguren überhaupt und das wundert nicht wirklich, denn wahrscheinlich möchte jeder ab und an gerne ein bisschen Hulk sein. Dabei wirken seine Besonderheiten im Vergleich zu den Superheldenkollegen gar nicht mal so spektakulär: Er ist in erster Linie sehr groß, irre stark, irre sauer und kein Fan vieler Worte. Hulk ist eine Naturgewalt – wo der Koloss hinhaut, wächst kein Gras mehr.

Hulk ist aber nicht nur ein Haudrauf, er ist auch eine tragische Figur – seine Wurzeln liegen in der Literatur, genauer gesagt in der erstmals 1886 veröffentlichten Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ von Robert Louis Stevenson. Die handelt vom angesehenen Wissenschaftler Dr. Henry Jekyll, der ein Serum entwickelt hat, durch das er sich in den bösen, gewalttätigen Mr. Hyde, die dunkle Seite seines Ichs, verwandelt.

In Lees und Kirbys Variante wird der Nuklearphysiker Dr. Bruce Banner nach einem Unfall mit dem Prototyp einer Gamma-Bombe einer größeren Menge Gammastrahlung ausgesetzt und verwandelt sich seitdem bei jedem Gefühl von Wut in den Hulk. Doch obwohl der Hulk anfänglich noch eine wesentlich düstere Figur als die heute bekannte Version war, ein Mörder wie Mr. Hyde war er nie, er ist ein Monster, aber ein (meist) wohlwollendes Monster – Lee und Kirby kombinierten Stevensons Geschichte mit Mary Shelleys Jahrhundert-Klassiker „Frankenstein“, was dadurch deutlich wurde, dass Hulk schnell dem von Boris Karloff dargestellten, ikonischen Kunstmenschen aus der Romanverfilmung von 1931 ähnelte.

Die „Incredible Hulk“-Reihe fand zuerst nur wenig Anklang und wurde bereits nach sechs Heften wieder eingestellt. Kurz nach dem Ende bekamen die Macher allerdings einen Brief aus dem Studentenwohnheim eines Colleges und erfuhren, dass der Grüne dort als Maskottchen ausgewählt worden war, was zur Erkenntnis führte, dass die Reihe eben doch ein Publikum gefunden hatte, allerdings ein Älteres – Superheldencomics hatten sich bis dato nur an Kinder gerichtet.

Das Hulk bei Studenten ankam, wird aber nicht nur an den deutlich erkennbaren literarischen Vorbildern gelegen haben, sondern ebenso daran, dass die Figur während des kalten Krieges ins gedruckte Leben gerufen wurde: Ein Monster, das aus der Zerstörungskraft einer neuartigen Bombe geboren wird, spiegelte natürlich die zu dieser Zeit allgegenwärtigen Atombombenängste wieder. Hulk ist auf gewisse Weise auch ein Abkömmling von Japans, ein Jahrzehnt früher an den Start gegangenen, Lieblingsmonster Godzilla, das demselben Geist entsprang. Nur folgerichtig, dass Hulk und Godzilla später gemeinsam auf Cover- und Kunstmotiven zu sehen waren und im April dieses Jahres in „Godzilla vs. Hulk“ in ihrer ersten gemeinsamen Story zusammen ein anderes Monster platt machen.

In die Anfänge des nahezu unkaputtbaren Wüterichs kann man jetzt mit dem aktuellen Band der tollen „Marvel Comics Library“-Reihe vom Taschen-Verlag eintauchen, der „The Incredible Hulk“ Nr. 1-6 sowie die Auftritte in „Tales To Astonish“ enthält. Und mit „eintauchen“ ist wirklich eintauchen gemeint. Die Seiten der Originalhefte wurden nicht nur sorgfältig restauriert, man hat extra für diese Reihe zeitungspapierähnliches Papier entwickelt, das die Farben der ursprünglichen Veröffentlichungen originalgetreu wiedergibt. Zudem werden die Seiten natürlich erneut im Giga-Format 28 x 39,5 cm präsentiert, wodurch die Comics eine visuelle Wucht entfalten, die selbst Kennern der Originalausgaben Tränen der Ehrfurcht in die Augen treiben werden. Eigentlich möchte man Comics nur noch so erleben!

Der fast fünf Kilo schwere Band begeistert zudem noch mit einer 36-seitigen Einleitung von Douglas Wolk, der schon seit Jahrzehnten für unter anderem The New York Times, The Washington Post, Rolling Stone und anderen Publikationen über Comics und Musik schreibt und in Sachen Comic auch abseits der Printmedien extrem umtriebig ist, ja sogar Comicgeschichte an der Uni lehrt und dementsprechend durch einen äußerst kompetenten Text zur Geschichte des Hulk glänzt.

Final bleibt zu sagen, dass es schwierig ist bei Besprechungen zu den Comicveröffentlichungen von Taschen nicht wie gekauft zu klingen, aber es gibt hier nun mal ebenso absolut nichts zu bemängeln: Sicher, der Preis von 175€ mag erst mal abschreckend klingen, aber man kriegt nun mal wesentlich mehr als einfach nur einen Sammelband, sondern eine mit unheimlich viel Sorgfalt und Liebe gemachte Edition, die das originale Material schlichtweg um Längen übertrumpft. Selbst mein Papa war total begeistert und der kann mit Comics jetzt eher nicht soviel anfangen – ich glaub, eine größere Auszeichnung gibt’s nicht.

Abb.: Marvel, Taschen-Verlag

Marvel Comics Library. Hulk. 1962 -1966 Engl. Text • Taschen-Verlag, Köln 2025 • 670 Seiten • Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,92kg, Hardcover: 175€

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