7. Oktober 2025

„Ich bin ein Magnet für alle Verrückten“ – Das Genie als Privatperson

Ein kleiner Band präsentiert spät wiederentdeckte Telefonnotizen von Albert Einstein

Lesezeit: 3 min.

Es dürfte wenige Menschen der jüngeren Zeitgeschichte geben, die einerseits so bekannt sind wie Albert Einstein, deren Errungenschaften aber kaum jemand wirklich erklären kann. Das Schlagwort „Relativitätstheorie“ wird den meisten beim Namen Einstein einfallen, auch die Formel E=mc² ist sicherlich vielen ein Begriff, doch wem gelänge es auch nur ansatzweise zu erklären, was sich dahinter verbirgt?

Mehr denn als theoretischer Physiker dürfte Albert Einsein als mahnende Stimme bekannt sein, der bis zu seinem Tod im Jahre 1955 vor dem Wettrüsten der Supermächte, vor den Gefahren der Atombombe warnte, zu der er mit seinen Formeln und Überlegungen einen wichtigen Grundstein legte. Ein Bild, das auch durch Christopher Nolans Film „Oppenheimer“ bestätigt wurde, in dem Einstein zwar nur eine kleine, aber doch sehr wichtige Nebenrolle spielte.

Vielleicht hat auch dieser Film dazu beigetragen, dass das Interesse an theoretischer Physik, an den Gefahren der Atomenergie und an Einstein selber wieder größer wurde, so dass nun mit „Ich bin ein Magnet für alle Verrückten“ (im Shop) ein kleiner Band erscheinen konnte, den der Verlag etwas großspurig als „Einsteins spätes Tagebuch“ ankündigt. Das stimmt nur sehr bedingt, auch wenn die gut 70 Seiten, die das Herz des Buches ausmachen, Einträge sind, die den Charakter eines Tagebuchs haben. Sie beginnen im Oktober 1953 und enden am 12. April 1955 und damit sechs Tage vor Einsteins Tod.

Notiert hat sie jedoch nicht Einstein selbst, sondern Johanna Fantova, eine um 22 Jahre jüngere Frau, die in der Universitätsstadt Princeton, wo Einstein die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, als Bibliothekarin arbeitete, Freundin und vermutlich auch Geliebte des Physikers war. Fast täglich telefonierten die beiden und Fantova notierte, vermutlich ohne das Wissen Einsteins, was dieser von sich gab. Persönliches oder gar Intimes bleibt dezent ausgespart, meist sind es nur wenige Zeilen, was den Notizen etwas Kursorisches verleiht.

Und vielleicht erklärt, warum es Fantova nach Einsteins Tod nicht gelang, einen Verlag zu finden, der sich zu einer Veröffentlichung durchringen konnte. Jahrelang verschwanden die Notizen daher in einem Ordner, wurden 2004, mehr als zwei Jahrzehnte nach Fantovas Tod, wiederentdeckt und bilden nun den Mittelteil eines Bandes, den der deutsche Publizist Peter von Becker veröffentlicht.

Fast banal wirkt es oft, wie Einstein seine Tage beschreibt, berichtet, wer ihm geschrieben, wer mit einer Bitte an ihn herangetreten ist. Berühmte Menschen sind darunter, der Schriftsteller Upton Sinclair schickt ein Manuskript zur Begutachtung, mal kommt der damalige Präsidentschaftskandidat Adlai Stevenson zu Besuch, dann der indische Premierminister Jawaharlal Nehru.

Auch Robert Oppenheimer, Einsteins Kollege in Princeton, findet des Öfteren Erwähnung, denn genau zu diesem Zeitpunkt tagt die Untersuchungskommission, die dem „Vater der Atombombe“ die Sicherheitsfreigabe entziehen sollte, eine Entscheidung, die Einstein scharf kritisiert. Bis zum Ende beweist Einstein Haltung, scheut nicht vor Kritik an der amerikanischen Regierung zurück, bleibt fest in seinem Entschluss, nie wieder deutschen Boden zu betreten, keine Auszeichnung aus seinem Geburtsland anzunehmen, das ihn, den jüdischen Deutschen, schon Anfang der 30er Jahre vertrieb. Und auch seiner kritischen Haltung gegenüber dem damals noch jungen Staat Israel bleibt Einstein konsequent, sagt etwa nach einer Verurteilung Israels durch die UN wegen des Massakers in Qibya, „das war aber gut so, sie haben es verdient.“

Interessanter als diese losen Gesprächsnotizen sind allerdings die beiden langen Essays, die den Rahmen des Buches bilden. In ihnen skizziert Peter von Becker Leben und Wirken Einsteins, nicht zuletzt aber auch sein Nachleben als Figur der Zeitgeschichte. Gerade das berühmte Foto mit der rausgetreckten Zunge machte Einstein zu einer Ikone, zeigte den Wissenschaftler mit den „typisch“ wilden Haaren als widerspenstigen Geist, der sich nicht um Regeln und Konventionen scherte. Und vermutlich ist es genau das, was Einstein auch sieben Jahrzehnte nach seinem Tod noch so faszinierend macht und auch den eher kursorischen Gesprächsnotizen des Genies einen Wert verleihen.

Peter von Becker: „Ich bin ein Magnet für alle Verrückten“ Die Einstein-Protokolle – Sein Leben, seine letzte Liebe, sein Vermächtnis • Sachbuch • Heyne, München 2025 • 256 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: 24,00 € • im Shop

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