24. März 2013

Wo Götter wandeln…

„Supergod“ von Warren Ellis und Garrie Gastonny

Lesezeit: 3 min.

Supergod ist eine Alternativwelt-Geschichte. Sie erzählt von einem Krieg aller gegen alle, in dem die Haupt- und Erstschlagwaffen keine Bomben sind, sondern messianische Überwesen. – Ellis und Gastonny erzählen ihre Geschichte aus der Retrospektive: Die Apokalypse zieht auf, die Welt endet, und Simon Reddin, einer der Wissenschaftler, die in der Götterwaffenforschung tätig waren, berichtet, wie alles gekommen ist: »Einen mündlichen Bericht über unser Ableben. Vielleicht gefällt das in ein paar Milliarden Jahren ja ein paar hochentwickelten Kakerlaken … Tut mir leid, wenn ich Stuss rede. Die letzten Tage waren anstrengend, und ich zünde mir jetzt eine ziemlich große Marihuana-Zigarette an.«

Da alles unrettbar verloren ist, kann es ja losgehen – Supergötter!

»Die ganze Religionsgeschichte dreht sich nur um unseren Versuch, fantastische Wesen zu basteln, die die Welt retten«, so die durchaus religionskritische These, die Mr. Reddin seinem Bericht als Prolog vorausschickt.

Die Nationen basteln, schnitzen, klonen sich ihre Metawesen selbst. Wir erfahren, dass es (in jener Alternativwelt) dem britischen MI 6 gelungen ist, Kopien der Raketenpläne Wernher von Brauns anzufertigen und ein Raumschiff ins All zu schicken. Im Jahr 1955 ist es so weit. Zwei Männer, eine Frau jagen durchs Weltall; die Abschirmung des Schiffes ist suboptimal, Raumstrahlung, kosmische Sporen & Simsalabim durchdringen die Wandung – und, voilà!, »unsere drei Astronauten waren zu einer fremdartigen mykologischen Masse verschmolzen«.

Und die britischen Wissenschaftler tun im Angesicht dieses Dreigestirns, was man von Wissenschaftlern erwartet (jedenfalls in dieser Alternativwelt): Sie fallen vor dem Schmelzpilzwesen auf die Knie und onanieren.

Nun wollen auch andere Staaten einen eigenen Gott, mindestens aber einen lokalpatriotischen Übermenschen haben, zumal die Inder. Warum? »Indien stand wirklich unter Druck. Wohin mit all den Menschen? Wie sollte man verhindern, dass man am eigenen Müll erstickt?« Da liegt die Lösung nahe: Ein Übermensch muss her! Der alsbald ins Licht der Welt tretende indische Pseudo-Gott hat blaue Haut und nennt sich Krishna. Das Müllproblem löst er wie folgt: Er packt das Müllübel an der Wurzel und rottet die Bevölkerung aus. In einer Nebenhandlung wird Pakistan ausgelöscht, kurz darauf kommt Iran mit einem eigenen Superhuman Being auf den Markt – geplant war das iranische Metawesen als Engel; dann ziehen die Afrikaner nach, und da wollen auch die US-Amerikaner nicht hintanstehen. Und da, wie man weiß, in Amerika alles super ist, kreieren sie den Supergott.

Der amerikanische Supergott heißt Jerry Craven. Der iranische Supergott heißt Malak. Der chinesische Supergott heißt Maitreya. Der russische Supergott heißt Perun. Der Supergott von Disneyland heißt bekanntlich Supergoof, aber der spielt bei diesen olympischen Spielen der Supergötter nicht mit.

Irgendwann sucht Reddin das Gespräch mit der britischen Weltraumpilzgottheit, die ihm mächtig die Leviten liest beziehungsweise über die Historie der Menschheit aufklärt wie folgt:

»Ihr erfindet Regeln, um die Gruppe zu organisieren und zu verteidigen. 200000 Jahre später sorgt ihr dafür, dass Hitler an die Macht kommt. Denn ihr seid eben nur Affen.«

Zu solch messerscharfen Analysen ist freilich nur eine Gottheit fähig.

Schließlich tun die Supergötter, was Superhelden wohl immer tun müssen: Sie prügeln aufeinander ein. Die Erde versinkt im Chaos, der Weltuntergang kommt als Kollateralschaden.

Wo Götter wandeln, haben Menschen mit ihren kleinkrämerischen Interessen zu schweigen: Spannungsbogen? Dramaturgie? Glaubwürdige Figuren? Um so etwas kann sich nicht kümmern, wer Götter hordenweise über den Planeten spazieren führt.

Ich persönlich finde diese Geschichte so spannend wie Eierkuchen, so intelligent wie Champions und so notwendig wie ein Toffifee in der Rindsroulade.

Aber was heißt das schon?

Denn erstens ist Supergod laut Mr. Reddin unter dem Einfluss bewusstseinsverstörenden Schmauchs einer ziemlich großen Marihuana-Zigarette entstanden, und zweitens besteht die eigentliche Zielgruppe ja, wie wir uns erinnern, aus den hochentwickelten Kakerlaken der fernen Zukunft. Die aber werden, daran zweifle ich keinen Augenblick, an Supergod ihre helle Freude haben.

Warren Ellis/Garrie Gastonny: Supergod • Panini, Stuttgart 2012 · 136 Seiten · € 16,95

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