10. Juni 2014

Für den ungewöhnlichen Kaffeetisch

Guillermo del Toros „Cabinet of Curiosities“

Lesezeit: 2 min.

Apropos The Strain: Aus der Fülle von Kaffeetisch-Büchern, die das Schaffen von Filmemachern dokumentierend, hintergrundwissenvermittelnd und schmückend begleiten, sticht Guillermo del TorosCabinet of Curiosities nun wirklich überdeutlich hervor.

Was für ein prächtiger Schinken! Was für ein unglaublicher Typ! Und vor allem: Was für eine unglaubliche Bude! „Bleak House“ nennt sich del Toros südkalifornisches Arbeitsdomizil, eine Mischung aus Studio, Museum und der Apotheose dessen, was sich sämtliche nach Science-Fiction, Fantasy und Horror verrückte Geeks des Planeten in ihren allerfeuchtesten Träumen unter dem Paradies vorstellen. Es enthält nicht nur bestsortierte Genrebibliotheken, Requisiten oder Unmengen fantastischer Originalkunst (Basil Gogos, Bernie Wrightson, H.R. Giger…), sondern auch lebensgroße und -echte Repliken von del Toros eigenen Geschöpfen, H.P. Lovecraft, Schlitzie aus Tod Brownings Freaks und Boris Karloff im Schminkstuhl von Jack Pierce.

Entlang thematisch eingegrenzter Gespräche mit Marc Scott Zicree, dem Ko-Autor des Buchs, bewegt man sich durch del Toros dunkelprächtiges und unermüdlich kreativ expandierendes Kopfreich – bildkünstlerische Inspirationen, kinematografische Einflüsse und literarischer Kanon sind die wesentlichen Stationen der Reise, bevor Stück für Stück die Filmografie abgearbeitet wird, von Cronos bis zu (bislang) nicht realisierten Projekten wie der Lovecraft-Adaption At the Mountains of Madness.

Das Verblüffendste und Materialreichste, gewissermaßen den eigentlichen Museumsführer durch del Toros Kuriositätenkabinett bilden dabei die in üppiger Seitenmenge reproduzierten Notizbücher, die im Falle des mexikanischen Fantastik-Auteurs ihrer eigenen Gattung zu einer geradezu monströs großen Ehre gereichen. Del Toro scheint beinahe pausenlos zu schreiben, zu zeichnen und zu malen; er ist ein spektakulär reifer und sicherer visueller Künstler, und hier und da wird betrübend deutlich, wie viel seinen Ideen verlorengeht, wenn sie mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Unterhaltungsindustrie kollidieren.


Da kommt das also alles her. Oder mit den (Vor-)Worten eines Kollegen: „The artifact you hold in your hands is an unprecedented portal into the clockworks of a wondrous mind.“ Wort, James Cameron.

Guillermo del Toro and Marc Scott Zicree: Cabinet of Curiosities. My Notebooks, Collections, and Other Obsessions · Harper Design, New York 2013 · 264 Seiten · $ 60,-

Innenansichten aus Guillermo del Toros „Cabinet of Curiosities“

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