Kann ein Bot kriminell sein?
Der „Random Darknet Shopper“ kaufte im Rahmen eines Kunstprojekts Drogen im Darknet
Was mit Menschen passiert, die Drogen kaufen und dabei erwischt werden, weiß jeder. Was aber soll man mit einem Shopping-Bot machen, der neben anderen Produkten auch 10 Ecstasy-Pillen via Mailorder bestellt? Kann ein Bot überhaupt belangt werden, weil solche Transaktionen wissentlich oder aus Versehen in seinem Code vorgesehen sind? Oder sein Programmierer, weil dieser ihm den Kauf von Drogen nicht „untersagt“ hat? Und wie ist es eigentlich, wenn das Ganze auch noch im Rahmen einer Kunstausstellung passiert? Dieser Frage geht seit dem 12. Januar die Staatsanwaltschaft in St. Gallen nach.
Die beiden Gründer des Künstlerkollektiv !Mediengruppe Bitnik (zu der auch Heyne-Autor Daniel Ryser gehört), Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo, hatten im Rahmen einer Ausstellung in der Kunsthalle St. Gallen mit dem Titel „The Darknet – From Memes from to Onionland. An Exploration“ den Random Darknet Shopper, einen Shopping-Bot, der im Darknet einmal pro Woche einkaufen sollte, programmiert. Limits setzten ihm dabei nur die Finanzen: pro Woche hatte der Bot $100 in Bitcoin zur Verfügung. Er kaufte verschiedene Artikel, von denen die Programmierer selbst vorher nicht wussten, was es sein würde, und ließ sie dann an die Kunsthalle in St. Gallen liefern (die direkt neben einer Polizeistation liegt), wo sie ausgestellt wurden. So wollte man einen Querschnitt durch das Darknet erstellen und die Aufmerksamkeit auf verschiedene Fragen lenken, etwa wie in anonymen Netzwerken Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer hergestellt wird und inwiefern es so etwas wie ein gesellschaftliches Bedürfnis nach diesen anonymen Räumen gibt. Derzeit, so !Mediengruppe-Bitnik-Gründerin Carmen Weisskopf in einem Interview mit The Guardian, würde nur auf die illegalen Märkte reagiert, aber nicht wirklich über die philosophischen und ethischen Fragen dahinter nachgedacht. Möglich war die Ausstellung auch deswegen, weil es in der Offline-Welt so etwas wie das Postgeheimnis noch gäbe, so Weisskopf in einem weiteren Interview.
Der Bot kaufte drei Monate lang, was ihm auch immer in den algorithmischen Kram passte: Unter anderem bestellte er einen Satz Universalschlüssel der britischen Feuerwehr, die „Herr der Ringe“-Trilogie im E-Book, offenbar per Hand gescannt, steuerfreie Chesterfield-Zigaretten, billige Markenklamotten, eine Visa Platin Card und die zehn Ecstasy-Pillen, gefolgt von einem gefälschten ungarischen Pass. Am 12.1.2015, einen Tag, nachdem die Ausstellung in der Kunsthalle beendet worden war, konfiszierte die Staatsanwaltschaft St. Gallen die Ausstellungsstücke. Dass das nicht schon früher passiert ist, wundert alle Beteiligten, denn immerhin war über den „kriminellen“ Bot bereits im Oktober 2014 im Netz berichtet worden.
Wie sollen die Behörden jetzt damit umgehen? Einerseits hatten die Künstler den Shopping-Bot so programmiert, dass er irgendwas kaufte und sie im Vorfeld nicht wussten, was es sein würde. Andererseits ließen Weisskopf und Smoljo ihren Bot bewusst in einer Umgebung einkaufen, in dem er durchaus Drogen (oder gar Snuff-Filme oder einen Auftragskiller, was zum Glück nicht passiert ist) würde erwerben können. Das alleine würde jedenfalls nicht für einen Straftatbestand ausreichen, immerhin kann man niemanden zu Tode wünschen, wie der amerikanische Jura-Professor Ryan Calo im Onlinemagazin fusion.net zu bedenken gab. Weisskopf und Smoljo erklärten, dass sie die volle Verantwortung für alles, was der Bot getan hat, übernehmen würden, sehen sich allerdings durch die Freiheit der Kunst abgesichert (zumal sich die Beamtenseele in mir fragt, inwiefern ein Bot überhaupt einen Kaufvertrag abschließen kann. Blieben damit die Drogen und gefälschten Pässe nicht Eigentum des Verlkäufers?). Wie wir also in Zukunft mit kriminellen Robotern umgehen sollen, bleibt vorerst noch offen.
Weitere Artikel zum Thema gibt es auf motherboard.vice.com und watson.ch. Die gekauften Produkte kann man auf der Internetseite der !Mediengruppe Bitnik bewundern.
Bildquelle: !Mediengruppe Bitnik
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