12. Februar 2015 2 Likes

Uns bleibt nur der Treppenlift

Kleinanzeigen zeugen davon, wie hoffnungsvoll man einst in die Zukunft blickte – Eine Kolumne von Hartmut Kasper

Lesezeit: 3 min.

In meinen Archiven lagern etliche Heftromane mit Science-Fiction-Geschichten, Beiträge zur größten Weltraum-Serie von allen, aber auch einzelne Rex-Corda-Hefte (Rex Corda, dem nur 38 Nummern blieben, um die Erde zu retten, der dafür aber mit den quietschknallbuntvergnügten Action-Titelbildern von Hans Möller ausgerüstet war) und hier und da ein Abenteuer der Terranauten (bislang noch ungelesen, aber wer weiß).

 

Ich darf unterstellen, dass, wer nach solchen Lektüren griff, zukunftshungriger war als die Fans von Fury, Flipper oder Daktari – Serien, die eher das Tier in uns ansprachen.

Nun weiß man, dass es allzumal die Werbefritzen sind, die ihr Ohr am Puls der Zeit haben und wissen, wie man möglichst passgenau Reklame macht. Und keine Frage, dass die Leser technisch-utopischer Fantasien am technisch-utopischen Lösungen interessierter sein könnten als derjenige, der sich einen zwölfteiligen Starschnitt von Lassie an die Tür klebt, oder?

Werfen wir also einmal einen Blick auf die Werbeseiten der utopischen Hefte älteren Semesters. Auf der Innenseite von Perry Rhodan Nummer 100 ‒ „Der Zielstern“ ‒ beispielsweise trägt man mir unter anderem an: 

„Haarsorgen! … Schuppen, Schwund, brechendes, spaltendes, glanzloses Haar? … Ausgekämmte Haare und 20 Pfg. Porto an: Haarkosmetisches Labor, 6 Frankfurt/M 1“. Ferner im Angebot: „“Schön anliegende Ohren“ und „vollendet schöne … Brüste“. Die vollendet schönen Brüste im Hollywood-Format gibt es gegen Einsendung von DM 24,75 beim Format-Versand in Braunschweig („Kein Schaumgummi“!); die schönen Ohren schon für DM 10,80 (plus Nachname) aus dem A-O-BE-Labor in Essen. Rein rechnerisch konnte sich also, wer auf einen Hollywood-Busen verzichtete, viermal die Ohren anlegen lassen!

„Haben Sie Hemmungen?“, fragt mich eine weitere Kleinanzeige. Und zwar Hemmungen vor höhergestellten Personen, in Gesellschaft, vor dem anderen Geschlecht? Dann soll ich einen Brief nach Regen schreiben und zwar an die geheimnisvolle „Abt. E – 4“. Für DM 22,50 gibt es aus der Abteilung KM zu München, Sendlingerstraße 13, den Heim-Expander, mit dem ich mir den Brustumfang erweitern, breite Schultern und stahlharte Muskeln antrainieren kann.

Und wäre ich hemmungslos, mit schön anliegenden Ohren, ebenso schönen wie stahlharten Brüsten und glänzendem Haar jemandem unter die Augen getreten, der (die) sich weder von meiner Hemmungslosigkeit, den schön anliegenden Ohren noch dem unzerbrechlichen Haar beeindruckt gezeigt hätte?

Auch kein Problem!

Dann hätte unfehlbar „Neu! Hypnotisieren schnell und leicht mit ‚Garantie‘ erlernbar! Verblüffende Erfolge!“ geholfen, zuständig die Abt. 4 in Regen/Bayern (identisch oder nicht mit der Abt. E – 4, der ich den Abbau meiner Hemmungen verdankt hätte?).

Wie hat man sich damals von Seiten der Werbestrategen den Leser utopischer Heftliteratur vorgestellt? Offenbar als schwachbrüstigen Segelohrträger mit Haarproblemen, der in Anwesenheit des anderen wie eigenen Geschlechts zu erröten pflegte. Nun, das traf in meinem Fall voll und ganz zu. Leider ging in jenen Tagen mein Taschengeld ja schon für die wöchentlich auf den Markt geworfenen Heftromane der großen Weltraum-Serie drauf. Heute hätte ich das Geld ‒ aber sitzt denn in der Sendlinger Straße 13 noch die famose Heim-Expanderie zur Brustmuskelverstählung?

Ich habe gegoogelt: In der Sendlinger Straße präsentieren sich heute unter anderem Shops (gerne auch Flagship-Stores) mit Outdoormode für Männer, mit Brautaccessoires, Küchen-Accessoires, Wohnaccessoires, Accessoires für die ganze Familie. Das hat seine Logik: Kommt der Mann aus dem Outdoor ins Indoor, benötigt er diverse Accessoires (zu Deutsch: Zubehörteile) – Bräute, Küchen und dergleichen. Aber just für die Nummer 13 vermeldet die Suchmaschine: Leerstand.

Wenn ich A-O-BE-Labor googele, werde ich auf ein obskures „Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik“ verwiesen. Wer braucht denn so was? Kennt das wer? Und bei der Stichwortreihe „Vollendet schöne Brüste im Hollywood-Format“ erscheint: „Perry Rhodan Nummer 100“. Was sonst?

Wie hoffnungsfroh, wie verheißungsvoll man damals in die Zukunft schaute, wie man sie beherzt, mit wehendem Haupthaar und windschnittigen Ohren, bei den festen, nicht mit Schaumstoff ausgestopften Brüsten fassen wollte! Heute dagegen? Bietet man uns Treppenlifte feil, Wundermittel gegen Schlaflosigkeit, Vergesslichkeit, Harndrang und Verstopfung.

Dabei gab es einmal eine Zeit, in der es noch nicht mit dem Treppenlift in Richtung Zukunft ging. Das abschließende Bild möge diese Tatsache in Erinnerung rufen – man beachte vor allem das volle, glänzende, nicht gespaltene Haar des Sternenflottenoffiziers mit den eng anliegenden Ohren zur Linken …

 

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