1. Juli 2015 1 Likes

Wie, was, wann und warum?

Ein kleiner Überblick über die derzeitige Lage auf und um den Kometen „Tschuri“

Lesezeit: 4 min.

Als Philae nach sieben Monaten Winterschlaf auf 67P/Churyumov-Gerasimenko wieder aufgewacht ist und sich bei der Muttersonde Rosetta gemeldet hat, war die Freude groß. Schnell stelle sich jedoch heraus, dass der Lander offenbar keinen dauerhaften, stabilen Kontakt herstellen konnte, was an den jeweiligen Positionen von Rosetta und Philae liegen könnte. Seit dem ersten Signal am 13. Juni wurden inzwischen sieben weitere erfolgreiche Kontakte bestätigt, die zwischen 20 Sekunden und zwei Minuten lang dauerten, aber nicht stabil waren. Auf dem Rosetta Blog der ESA wurden jetzt die wichtigsten Fragen und Antworten zur Lage zusammengefasst.

Der Komet, den Philae derzeit sein Zuhause nennt, rotiert alle 12,4 Stunden um seine Achse, was bedeutet, dass Philae und Rosetta nicht immer Sichtkontakt herstellen können. An jedem Erdentag gibt es Kommunikationsfenster zwischen Philae und Rosetta. Ob eine stabile Verbindung zustande kommt, hängt allerdings von den Richtungen ab, in die die dazu benötigten Antennen zeigen, sowie die Position Rosettas auf ihrem Orbit um den Kometen. Philae steht nicht permanent im Sonnenlicht und ist daher nicht immer in der Lage, ausreichend Energie für eine Kontaktaufnahme zu erzeugen. Derzeit geht man von Kontaktfenstern zwischen einigen Minuten und maximal drei Stunden Länge aus. Im Idealfall nähme dann ein voll aufgeladener Lander Kontakt zur optimal positionierten Raumsonde auf, an die er dann die Daten überträgt. Rosetta wiederum schickt diese Datenpakete dann zur Erde. Um die Daten komplett zu übertragen, bräuchte man Schätzungen zufolge eine stabile Verbindung von mindestens 50 Minuten Dauer. Nachdem aber auch neue Befehle an den Lander hochgeladen werden sollen, ist es mit dieser knappen Stunde nicht getan.

Abgesehen von der Orientierung der Antenne und der nicht optimalen Energieversorgung könnte auch der Komet selbst ein Hindernis für die Kontaktaufnahme sein, weil das umliegende Gestein das Signal verzerren könnte. Weitere mögliche Ursachen wären Fehlfunktionen in Philaes Systemen, die eine Kontaktaufnahme verhindern. Seitens des Orbiters Rosetta spielen die Entfernung zum Kometen, die Umlaufbahn (die man anpassen will) sowie die Orientierung eine Rolle. Wenn Rosettas starre Antennen nicht in Richtung Komet zeigen, wird das Signal beim Empfang deutlich abgeschwächt. Einige Untersuchungen, die Rosetta durchzuführen hat, erfordern allerdings ein Abwenden vom Kometen. Der Missionsplan wird derzeit so angepasst, dass das nicht während der errechneten Kontaktfenster passiert. Derzeit konzentriert man sich darauf, den Orbiter so zu fliegen, dass möglichst bald eine stabile Verbindung zum Lander hergestellt werden kann. Nachdem der Komet aber mit größerer Annäherung an die Sonne immer aktiver wird und Partikel ausstößt, die den Orbiter gefährden könnten, ist das für die Sonde nicht ganz ungefährlich.

Um in ihrer Bahn um Tschuri zu navigieren und die Instrumente auszurichten, orientiert sich Rosetta an den Sternen. Mit zunehmender Aktivität des Kometen allerdings kann es (wie im März) vorkommen, dass die Instrumente Rosettas Staubpartikel mit Sternen verwechseln. Wenn Rosettas Instrumente erkennen, dass keine eindeutige Navigation möglich ist, schaltet die Sonde in einen „Safe Mode“ und geht auf einen Flucht-Orbit. Wenn dabei der Funkkontakt zur Erde unterbrochen wird, kann es Tage oder gar Wochen dauern, bis die ESA die Sonde wieder einfangen kann. Rosetta war zuletzt auf Distanz zu Tschuri gegangen, um genau das zu verhindern, und befindet sich obendrein auf einer Bahn am Terminator, also der Tag- und Nachtgrenze des Kometen, entlang, um so wenig wie möglich in den Partikelstrahl zu kommen. Jetzt fliegt man die Sonde langsam näher an den Kometen heran und überwacht dabei ständig das Navigationssystem. Derzeit befindet Rosetta sich rund 165 Kilometer von Tschuri entfernt, und der Staub droht erneut zu einem Problem zu werden. Wenn sich das nicht bessert, muss Rosetta sich wieder zurückziehen. Nachdem man versucht, die Sonde gewissermaßen auf den Lander hin auszurichten, dessen Position man aber immer noch nicht genau kennt, wird Rosettas Flugbahn immer wieder kurzfristig angepasst und optimiert.

Rosettas Mission wurde letzte Woche um weitere neun Monate bis 2016 verlängert. Die Wissenschaftler können also Tschuris Bahn um die Sonne weiter verfolgen. Am 13. August erreicht der Komet seinen sonnennächsten Punkt, das Perihelion, danach soll die Abnahme der Kometenaktivität beobachtet werden. Somit ergibt sich für die Wissenschaftler ein Vorher-Nachher-Bild und damit ein einzigartiger Einblick in das Leben eines Kometen. Bevor Rosetta dann der Treibstoff ausgeht und sie zu weit von der Sonne entfernt ist, um ausreichend Energie mit den Solarzellen aufzufangen, will das Team versuchen, den Orbiter auf dem Kometen zu landen. Ob das klappt, entscheidet sich nach dem Zustand des Orbiters gegen Ende seiner Mission. Denn in den nächsten neun Monaten werden die Wissenschaftler Rosetta riskantere Manöver zumuten, wie Flüge über die Nachtseite des Kometen und das Auffangen von Material, das aus dem Kometenkern ausgeschleudert wurde.

 

Quelle: Blogs.esa.int/rosetta

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