13. Oktober 2015 3 Likes 4

„Der Marsianer“ im Reality-Check, Teil 1

Könnte ein „echter“ Mark Watney wirklich Kartoffeln auf dem Mars anbauen?

Lesezeit: 4 min.

Die Geschichte um den auf dem Mars gestrandeten Astronauten Mark Watney begeistert derzeit die Kinogänger. Ridley Scotts Der Marsianer, der auf dem gleichnamigen Roman von Andy Weir (im Shop) basiert, zeigt den Überlebenskampf eines einsamen Helden, verkörpert von Matt Damon. Dafür muss er sich „mit Wissenschaft aus der Sch***e ziehen“ und sich einiges einfallen lassen, um ganz unterschiedliche Probleme zu lösen. Stellt sich die Frage, ob das, was uns Film und Roman zeigen, wirklich plausibel ist? Könnte es in der Realität auch funktionieren?

 

Achtung: Marsianer-Spoiler direkt voraus! Weiterlesen auf eigene Gefahr!

 

Eines der vielen Probleme, mit denen Mark Watney sich herumschlagen muss, ist die Versorgung mit Lebensmitteln. Obwohl er Vorräte hat, die für eine sechsköpfige Crew ausgelegt sind, werden sie nicht reichen, um ihn bis zur Landung der nächsten Mars-Mission am Leben zu erhalten. Zum Glück sind die Astronauten über Thanksgiving auf dem Mars, deswegen hat die NASA ihnen eine besondere Leckerei eingepackt: Kartoffeln. Wantey beschließt, sich Marsboden ins Habitat zu holen, ein Gewächshaus zu errichten, den Boden mit Fäkalien zu düngen und schließlich die Kartoffeln einzupflanzen. Aber würde das in Wirklichkeit auch so funktionieren?

Der Boden auf dem Mars besteht aus sogenanntem Regolith, einer Schicht aus Sand, Staub und Steinen unterschiedlicher Größe. Regolith entsteht nicht durch Verwitterung, sondern wurde etwa bei Meteoriteneinschlägen aus dem Fels herausgesprengt. Die Mars-Sonden Curiosity und Phoenix haben festgestellt, dass der Marsregolith einige Grundvoraussetzungen mitbringt, um Pflanzen wachsen zu lassen: Er enthält Magnesium, Natrium, Kalium und Chlorid. Pflanzen brauchen außerdem Stickstoff, der auf der Erde meistens in organisch gebundener Form, also beispielsweise als Überreste abgestorbener Pflanzen, vorhanden ist, sowie Bakterien und Nährstoffe, die von Tieren in den Boden gebracht werden. Der Marsboden enthält außerdem Perchlorate, die ihn so salzig machen können, dass irdische Mikroorganismen absterben, und ist extrem trocken.

Für den marsianischen Ackerbau wäre es zuerst notwendig, die Perchlorate aus dem Boden zu entfernen. Die lassen sich zum Glück recht leicht auswaschen. Die organischen Komponenten erweisen sich als komplizierter: Menschlicher „Dünger“ alleine reicht nicht aus. Im Roman hat Watney etwas bessere Voraussetzungen, denn er hat für seine botanischen Experimente ein wenig Humus dabei, und der wiederum ist voller Nährstoffe und Bakterien. Humus, Fäkalien und Marsregolith bilden eine gute Grundlage für eine marsianische Kartoffelfarm. Hinzu kommen Essensreste in einem Komposthaufen, die irgendwann den Boden weiter anreichern können. Für den dringend benötigten organisch gebundenen Stickstoff im Boden sorgt Urin. Mit Fäkalien, auch den eignen, seine Nutzpflanzen zu düngen, birgt ein erhöhtes Krankheitsrisiko, aber in Watneys „Friss-oder-stirb“-Situation führt kein Weg daran vorbei. An die Frage, was eigentlich passieren könnte, sollte die Fruchtbarkeitsbehandlung im Boden schlummernde Marsmirkoben „aufwecken“ - ein Szenario, das als unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich gilt -, darf man beim Genuss der ersten Ernte auch lieber nicht denken. 

Der Boden ist bereitet – aber wie steht es um das, was da wachsen soll? Die Kartoffeln, die Mark Watney zur Verfügung stehen, haben einiges hinter sich. Sie wurden luftdicht verpackt und vor dem Abflug bestrahlt, um sie haltbarer zu machen. Höchstwahrscheinlich wären die Kartoffeln eines „echten“ Astronauten so tot wie der Marsregolith, in dem sie wachsen sollen. Aber selbst wenn nicht: Pflanzen brauchen außerdem Wasser und Licht. Ersteres kann Watney durch einen nicht ganz ungefährlichen chemischen Prozess in ausreichenden Mengen erzeugen. Letzteres ist problematischer. Nutzpflanzen wir Kartoffeln brauchen, im Gegensatz zu Zimmerpflanzen, viel Sonnenlicht. Der Mars ist weiter von der Sonne entfernt als die Erde, deswegen ist die Lichtintensität dort nur 40% geringer. Watneys aufblasbares Habitat hat zwar kleine Fenster und ein lichtdurchlässiges Dach, aber das reicht nicht aus, um seine Kartoffeln mit ausreichend Licht zu versorgen. Praktisch züchtet der selbsternannte beste Botaniker auf dem Mars Kartoffeln bei Bürobeleuchtung – was in der Realität unmöglich ist. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems wären spezielle Lampen, wie sie beispielsweise zur Salatzucht auf der ISS benutzt werden. Eine andere wäre, das Sonnenlicht mit Spiegeln zu bündeln und es dann durch eine Fiberoptik ins Gewächshaus zu leiten. Astrobiologen wie Bruce Bugbee haben berechnet, dass mit gebündeltem Sonnenlicht und unter optimalen Umweltbedingungen auf 25 Quadratmetern ausreichend Nahrung angebaut werden könnte, um einen Menschen versorgen zu können.

Die letzte große Hürde ist die Strahlung. Weil dem Mars eine Ozonschicht fehlt und er nur eine sehr dünne Atmosphäre hat, gelangen mehr schädliche Strahlen auf seine Oberfläche. Die Astronauten (und deren Kartoffeln) auf dem Flug wie auf dem Mars vor Strahlung zu schützen ist eine der größten Herausforderungen in der bemannten Raumfahrt. Firmen wie Bigelow Aerospace erforschen derzeit die Strahlenbelastung in aufblasbaren Habitaten auf der ISS. Aber von einem wirklich wirksamen Strahlenschutz sind wir noch weit entfernt.

Der Weg zum MarsKartoffelzucht auf dem Mars ist möglich – und sogar wahrscheinlich. Die ersten Astronauten, die ihren Fuß auf unseren Nachbarplaneten setzen, werden sich damit wohl noch nicht befassen. Aber die ersten dauerhaften Kolonisten kommen an Kartoffeln so schnell nicht vorbei, denn die Knollen liefern Kohlenhydrate und sagenhafte 770 Kalorien pro Kilo. Inwiefern Watneys Diät aus Proteinriegeln, Vitaminpillen und Kartoffeln auf Dauer gesund ist, steht auf einem anderen Blatt. Wir essen jede Woche Produkte, die aus über hundert verschiedenen Pflanzen hergestellt wurden. Was passiert, wenn man das auf fünfzig oder zehn Sorten reduziert? Um das herauszufinden, müsste man Versuche in einem sehr kontrollierten System durchführen. Aber wer würde schon bei so einem Versuch mitmachen wollen?

Mehr Informationen rund um Ridley Scotts Film Der Marsianer und der Romanvorlage von Andy Weir (im Shop) finden Sie unter dem #RettetMarkWatney. Wie die erste bemannte Mars-Mission sehr wahrscheinlich funktionieren wird, erklärt das Sachbuch Der Weg zum Mars (im Shop).

Kommentare

Bild des Benutzers Jens Serowy

Wenn es so einen Versuche gäbe, würde ich mich sofort freiwillig melden.

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Wirklich? Ich finde, das klingt alles andere als verlockend ...

Bild des Benutzers Horusauge

Aber immerhin hätte Mark das Salz gleich in der Kartoffel ;)
Je mehr ich lese, umso interessanter wird sogar für mich der Film

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Hehe, du solltest erst einmal sehen, was Mark tut, als ihm das Ketchup ausgeht ... ;-)

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