21. Dezember 2015 2 Likes

„Wir haben seinen Stern gesehen …“

Arthur C. Clarkes etwas andere Weihnachtsgeschichte „Der Stern“ erzählt von einem kosmischen Ereignis

Lesezeit: 12 min.

Seit jeher ist der Blick hinauf in den Sternenhimmel eng verbunden gewesen mit der großen Frage nach dem Ursprung des Kosmos. Immer wieder hat sich die Menschheit dabei auch mit ihrem Bezug zum Göttlichen auseinandergesetzt – und hier, an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Religion wurde auch in der Literatur über unseren Platz im Universum gerätselt und gerungen. Ob bei Galileis Auseinandersetzung mit der Kirche im 17. Jahrhundert oder in den Traktaten britischer Astronomen über die theologische Notwendigkeit außerirdischen Lebens im 19. Jahrhundert bis hin zu den Science-Fiction-Romanen und des 20. Jahrhunderts wie etwa Mary Doria Russells „Der Sperling“ oder Dan Simmonsʼ „Hyperion-Gesänge“ – immer wieder prallen bei der Betrachtung der Sterne Staunen und Wissen, Glaube und Zweifel aufeinander. Arthur C. Clarke, einer der Großmeister des Genres, hat sich in einigen seiner Romane und Kurzgeschichten dieser Thematik gewidmet. Ein Kleinod seiner Erzählkunst ist die Geschichte „Der Stern“. Sie erzählt vom Flug eines jesuitischen Astronomen zu den Überresten einer Sternenexplosion – und sie erzählt vom Preis der Entdeckungen …

 

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Arthur C. Clarke

DER STERN

 

Dreitausend Lichtjahre weit sind wir vom Vatikan weg. Ich habe einmal geglaubt, dass die Entfernung keine Macht über den Glauben haben könnte. Genau wie ich glaubte, dass die Himmel den Ruhm von Gottes Werken verkündeten. Jetzt habe ich diese Werke gesehen, und mein Glaube ist schmerzlich erschüttert.

Ich starre das Kruzifix an, das über dem Mark VI Computer an der Kajütenwand hängt, und frage mich zum ersten Mal in meinem Leben, ob es nicht nur ein leeres Symbol ist.

Ich habe es noch niemandem gesagt, aber die Wahrheit lässt sich nicht verheimlichen. Jeder hat Zugang zu den Daten, die auf den unzähligen Meilen von Magnetband gespeichert und auf den Tausenden von Fotografien aufgezeichnet sind, die wir zur Erde zurückbringen. Andere Wissenschaftler können sie ebenso leicht interpretieren wie ich – noch leichter höchstwahrscheinlich. Ich eigne mich nicht dazu, die Verfälschungen der Wahrheit zu entschuldigen, die meinem Orden in alten Zeiten so oft einen schlechten Ruf eintrugen.

Die Mannschaft ist schon bedrückt genug, ich frage mich, wie sie diese letzte Ironie aufnehmen wird. Wenige von den Leuten haben irgendeinen Glauben, und doch wird es ihnen keinen Spaß machen, diese letzte Waffe in ihrem Feldzug gegen mich einzusetzen – in diesem privaten, gutmütigen, aber im Grunde ernstgemeinten Krieg, der schon seit der Erde andauert. Es belustigte sie, einen Jesuiten als Chefastrophysiker zu haben: Dr. Chandler kam zum Beispiel nie darüber hinweg (Warum sind Mediziner eigentlich so notorische Atheisten?). Manchmal besuchte er mich auf dem Beobachtungsdeck, wo die Beleuchtung immer ganz schwach ist, damit die Sterne in unverminderter Pracht erstrahlen können. Dann trat er in der Dämmerung an mich heran, stellte sich neben mich und starrte aus der großen, ovalen Luke hinaus, wo die Himmel langsam an uns vorbeikrochen, während sich das Schiff durch den Restdrall, den wir nie korrigiert hatten, um seine Längsachse drehte.

»Nun, Pater«, sagte er dann schließlich. »Es geht immer und immer so weiter, und vielleicht hat ›Etwas‹ es gemacht. Aber wie Sie glauben können, dass dieses Etwas ein besonderes Interesse an uns und unserer elenden kleinen Welt hat – das geht einfach über meinen Horizont.« Dann ging die Diskussion los, während die Sterne und Sternennebel in schweigenden, endlosen Bögen vor der makellos klaren Plastikscheibe des Beobachtungsluks vorbeischwebten.

Es war, glaube ich, die scheinbare Widersprüchlichkeit meiner Position, die die Mannschaft … ja, die sie belustigte. Vergeblich wies ich auf meine drei Aufsätze in der ›Zeitschrift für Astrophysik‹ hin, auf die fünf Arbeiten in den ›Monatsnotizen der Königlichen Astronomischen Gesellschaft‹. Ich erinnerte sie daran, dass unser Orden schon seit langem für seine wissenschaftliche Arbeit berühmt ist. Vielleicht sind wir jetzt nur noch wenige, aber wir haben seit dem achtzehnten Jahrhundert immer Beiträge zu Astronomie und Geophysik geleistet, die in keinem Verhältnis zu unserer Anzahl standen.

Wird mein Bericht über den Phoenixnebel das Ende unserer tausendjährigen Geschichte bedeuten? Ich fürchte, er wird noch viel mehr beenden.

Ich weiß nicht, wer dem Nebel seinen Namen gab, der mir sehr schlecht gewählt scheint. Wenn er eine Prophezeiung enthält, dann ist es eine, die noch auf mehrere tausend Millionen Jahre hinaus nicht in Erfüllung gehen kann. Sogar das Wort Nebel ist irreführend: dieses System ist viel kleiner als jene gewaltigen Staubwolken – der Grundstoff für ungeborene Sterne –, die überall in der Milchstraße verstreut sind. Nach kosmischem Maßstab ist der Phoenixnebel sogar winzig – eine zarte Gashülle, die einen einzigen Stern umgibt.

Oder das, was von dem Stern noch übrig ist …

 

Der Rubensstich von Loyola scheint sich über mich lustig zu machen, wie er da so über den Aufzeichnungen des Spektrophotometers hängt. Was hättest du, Vater, aus dem Wissen gemacht, das in meine Hände gelangte, so weit entfernt von der kleinen Welt, die das ganze Universum war, das du kanntest? Hätte dein Glaube dieser Herausforderung standgehalten, so wie es dem meinen nicht gelungen ist?

Du blickst in die Ferne, Vater, aber ich bin in Fernen gereist, die du dir niemals hättest vorstellen können, als du vor tausend Jahren deinen Orden gründetest. Kein anderes Beobachtungsschiff hat sich je so weit von der Erde entfernt: wir sind direkt an den Grenzen des erforschten Universums. Wir sind aufgebrochen, um den Phoenixnebel zu erreichen, es ist uns gelungen, jetzt sind wir mit unserer Wissenslast auf dem Heimweg. Ich wünschte, diese Last würde mir von den Schultern genommen, aber ich rufe vergeblich nach dir, über die Jahrhunderte und die Lichtjahre hinweg, die zwischen uns liegen.

Auf dem Buch, das du in der Hand hältst, ist die Aufschrift deutlich zu lesen. AD MAJOREM DEI GLORIAM heißt die Botschaft, aber es ist eine Botschaft, an die ich nicht länger zu glauben vermag. Würdest du noch daran glauben, wenn du sehen könntest, was wir gefunden haben?

Wir wussten natürlich, was der Phoenixnebel war. Jedes Jahr explodieren allein in unserer Galaxis mehr als einhundert Sterne, sie erstrahlen ein paar Stunden oder Tage lang in einem Licht, das mehrere tausendmal so stark ist wie normal, dann sinken sie zurück in Tod und Finsternis. Das sind die gewöhnlichen Novae – die alltäglichen Katastrophen des Universums. Ich habe von Dutzenden die Spektrogramme und Lichtkurven aufgezeichnet, seitdem ich anfing, im Mondobservatorium zu arbeiten.

Aber drei- oder viermal in jedem Jahrtausend geschieht etwas, das sogar eine Nova zu völliger Bedeutungslosigkeit verblassen lässt.

Wenn ein Stern zu einer Supernova wird, kann er eine kleine Weile alle Sonnen der Galaxis zusammen überstrahlen. Die chinesischen Astronomen beobachteten ein solches Ereignis im Jahre 1054 n. Chr., ohne zu wissen, was sie da eigentlich sahen. Fünfhundert Jahre später, 1572, flammte in der Kassiopeia eine Supernova so strahlend hell auf, dass sie bei Tageslicht am Himmel zu sehen war. In den tausend Jahren, die seitdem vergangen sind, hat es noch weitere drei davon gegeben.

Unsere Aufgabe war es, die Überreste einer solchen Katastrophe aufzusuchen, die Ereignisse zu rekonstruieren, die dazu führten, und wenn möglich, die Ursache dafür in Erfahrung zu bringen. Wir kamen langsam durch die konzentrischen Gashüllen, die sechstausend Jahre vorher ausgeschleudert worden waren, sich aber immer noch ausdehnten. Sie waren unermesslich heiß und strahlten noch immer ein scharf violettes Licht aus, waren aber viel zu dünn, um uns irgendwelchen Schaden zuzufügen. Als der Stern explodierte, waren seine äußeren Schichten mit solcher Geschwindigkeit hinausgeschleudert worden, dass sie vollständig aus seinem Anziehungsbereich geraten waren. Nun bildeten sie eine Hohlkugel, die groß genug war, um tausend Sonnensysteme aufzunehmen, und in deren Mitte glühte der winzige, fantastische Gegenstand, zu dem der Stern jetzt geworden war – ein weißer Zwerg, kleiner als die Erde, aber Millionen Mal so schwer. Wir waren ringsum von glühenden Gasschichten umgeben, sie verdrängten die normale Finsternis des interstellaren Raumes. Wir flogen in das Zentrum einer kosmischen Bombe, die vor Jahrtausenden explodiert war, und deren weißglühende Bruchstücke immer noch auseinanderrasten. Die unermessliche Größe der Explosion und die Tatsache, dass ihre Trümmer schon jetzt ein Volumen von vielen Milliarden Kilometern erfüllten, bewirkten, dass man in dieser Szenerie keinerlei Bewegung erkennen konnte. Es würde Jahrzehnte dauern, ehe das Auge ohne Hilfsmittel in diesen sich drehenden Gasfetzen und -wirbeln irgendeine Bewegung entdecken könnte, aber das Gefühl rasender Ausweitung war überwältigend.

 

Wir hatten Stunden zuvor unseren Primärantrieb gedrosselt und schwebten jetzt langsam auf den grellen, kleinen Stern vor uns zu. Einst war er eine Sonne wie die unsere gewesen, aber er hatte innerhalb von ein paar Stunden die Energie vergeudet, mit der er eine Million Jahre lang hätte leuchten sollen. Jetzt war er ein zusammengeschrumpfter Geizhals, der seine letzten Reserven hortete, als wolle er seine zügellose Jugend wiedergutmachen.

Niemand erwartete ernsthaft, Planeten zu finden. Wenn es vor der Explosion welche gegeben hatte, wären sie zu Wolken verdampft worden und ihre Masse wäre in den größeren Trümmern des eigentlichen Sterns untergegangen. Aber wir leiteten die automatische Suchaktion ein, wie wir es immer tun, wenn wir uns einer unbekannten Sonne nähern, und schließlich fanden wir eine einzelne kleine Welt, die den Stern in gewaltiger Entfernung umkreiste. Sie musste der Pluto dieses verschwundenen Sonnensystems gewesen sein und an den Grenzen der Nacht ihre Umlaufbahn gehabt haben. Der Planet war zu weit entfernt vom Sonnenzentrum, um je Leben gekannt zu haben, und seine Ferne hatte ihn vor dem Schicksal all seiner verschwundenen Gefährten bewahrt.

Die vorbeiziehenden Feuerbrände hatten seine Felsen versengt und die Schicht aus gefrorenem Gas weggebrannt, die ihn in der Zeit vor der Katastrophe bedeckt haben musste. Wir landeten und fanden das Gewölbe.

Seine Erbauer hatten dafür gesorgt, dass wir es fanden. Der Monolith, der als Wegweiser über dem Eingang stand, war jetzt ein zusammengeschmolzener Stummel, aber schon die ersten Fernaufnahmen zeigten, dass wir hier das Werk intelligenter Lebewesen vor uns hatten. Ein wenig später entdeckten wir das den ganzen Kontinent überspannende, radioaktive Muster, das in den Felsen eingegraben worden war. Selbst wenn der Pfeiler über dem Gewölbe zerstört gewesen wäre, das Muster wäre erhalten geblieben, ein beinahe ewiges Leuchtfeuer, das unzerstörbar zu den Sternen hinausrief. Unser Schiff schoss wie ein Pfeil auf dieses gigantische Scheibenzentrum zu.

Der Pfeiler musste zur Zeit seiner Erbauung einen Kilometer hoch gewesen sein, aber jetzt sah er aus wie eine Kerze, die zu einer Wachspfütze zusammengeschmolzen ist.

Wir brauchten eine Woche, um eine Öffnung in das zusammengeschmolzene Gestein zu bohren, da wir für eine solche Aufgabe nicht die richtigen Werkzeuge hatten. Wir waren Astronomen, keine Archäologen, aber wir konnten improvisieren. Unser ursprüngliches Programm war vergessen: Dieses einsame Monument, das mit solcher Mühe in der größtmöglichen Entfernung von der dem Untergang geweihten Sonne errichtet worden war, konnte nur eine Bedeutung haben. Eine Zivilisation, die wusste, dass sie bald sterben würde, hatte den letzten Versuch gemacht, unsterblich zu werden.

Wir werden Generationen brauchen, um all die Schätze zu erforschen, die in dem Gewölbe lagerten. Diese Wesen hatten viel Zeit gehabt, um Vorbereitungen zu treffen, denn ihre Sonne musste viele Jahre vor der endgültigen Detonation erste Warnzeichen gegeben haben. Alles, was sie hatten erhalten wollen, alle Früchte ihres Geistes, hatten sie in den Tagen vor dem Ende hier auf diese ferne Welt gebracht, in der Hoffnung, dass eine andere Rasse sie eines Tages finden, dass sie nicht völlig dem Vergessen anheimfallen würden.

Wenn sie nur ein wenig mehr Zeit gehabt hätten! Sie konnten ohne große Schwierigkeiten zwischen den Planeten ihrer eigenen Sonne hin- und herreisen, aber sie hatten noch nicht gelernt, die Abgründe zwischen den Sternen zu überqueren, und das nächste Sonnensystem war hundert Lichtjahre entfernt.

 

Selbst wenn sie nicht, wie ihre Plastiken zeigen, beunruhigend menschlich gewesen wären, wir hätten sie bewundern und um ihr Schicksal trauern müssen. Sie hinterließen Tausende von optischen Aufzeichnungen und die Geräte, um sie zu projizieren, zusammen mit detaillierten Anweisungen in Bildern, die es uns nicht schwer machen werden, ihre Schriftsprache zu entziffern. Wir haben viele dieser Aufzeichnungen untersucht und zum ersten Mal seit sechstausend Jahren die Wärme und Schönheit einer Zivilisation zum Leben erweckt, die unserer eigenen in vielem überlegen gewesen sein muss. Vielleicht zeigten sie uns nur ihre besten Seiten, und das kann man ihnen kaum vorwerfen. Aber ihre Welten waren herrlich, ihre Städte waren mit einer Anmut erbaut, die es mit allem aufnehmen kann, was wir haben. Wir haben ihnen bei der Arbeit und beim Spiel zugesehen und ihrer musikalischen Sprache gelauscht, die über die Jahrhunderte hinweg zu uns drang. Eine Szene steht immer noch vor meinem geistigen Auge – eine Gruppe von Kindern, die an einem Strand aus seltsam blauem Sand in den Wellen spielt, wie es auch die Kinder auf der Erde tun.

Und ins Meer sinkt, immer noch warm, freundlich und lebenspendend, die Sonne, die bald zum Verräter werden und all dieses unschuldige Glück ausrotten wird.

Vielleicht hätte uns das alles nicht so tief berührt, wenn wir nicht so weit fort von zu Hause und nicht so der Einsamkeit ausgesetzt gewesen wären. Viele von uns hatten schon die Trümmer uralter Zivilisationen auf anderen Welten gesehen, aber das war uns nie so sehr ans Herz gegangen.

Diese Tragödie war einzigartig. Wenn eine Rasse ihre Kräfte verliert und stirbt, wie es bei vielen Nationen und Kulturen auf der Erde der Fall war, so ist das eine Sache. Aber so völlig in der Blüte ihres Schaffens vernichtet zu werden, ohne Überlebende zu hinterlassen – wie war das mit Gottes Güte zu vereinbaren?

Das haben mich meine Kollegen gefragt, und ich habe ihnen geantwortet, so gut ich konnte. Vielleicht hättest du es besser gemacht, Vater Loyola, aber ich habe in den »Exercitia Spiritualia« nichts gefunden, was mir hier geholfen hätte. Es war kein schlechtes Volk: ich weiß nicht, welche Götter diese Leute verehrten, wenn sie überhaupt welche hatten. Aber ich habe sie über die Jahrhunderte hinweg gesehen, habe beobachtet, wie die Schönheit, die sie mit letzter Kraft zu bewahren suchten, im Licht ihrer geschrumpften Sonne wieder zum Leben erweckt wurde.

Ich weiß, welche Antworten meine Kollegen geben werden, wenn sie zur Erde zurückkommen. Sie werden sagen, dass es im Universum weder Sinn noch Plan gibt, dass in unserer Galaxis jedes Jahr hundert Sonnen explodieren, und dass daher genau in diesem Augenblick irgendwo in den Tiefen des Raums eine Rasse stirbt. Ob diese Rasse zu ihren Lebzeiten Gutes oder Böses getan hat, wird am Ende keinen Unterschied machen: es gibt keine göttliche Gerechtigkeit – DENN ES GIBT KEINEN GOTT.

Und doch beweist das, was wir bisher gesehen haben, nichts dergleichen. Jedermann, der so argumentiert, lässt sich von Emotionen leiten, nicht von Logik. Gott hat es nicht nötig, seine Handlungen vor dem Menschen zu rechtfertigen. Er, der das Universum baute, kann es auch wieder zerstören, wenn das sein Wille ist. Es ist Anmaßung – es grenzt gefährlich nahe an Blasphemie –, wenn wir sagen wollen, was er tun darf und was nicht.

Das hätte ich akzeptieren können, so schwer es auch ist, wenn man sieht, wie ganze Welten und Völker in den Feuerofen geworfen werden. Aber es gibt einen Punkt, an dem selbst der festeste Glaube ins Wanken geraten muss, und wenn ich jetzt meine Berechnungen ansehe, weiß ich, dass ich diesen Punkt schließlich erreicht habe.

 

Wir konnten, ehe wir den Nebel erreichten, nicht sagen, vor wie langer Zeit die Explosion stattgefunden hat. Jetzt konnte ich aus den astronomischen Zeugnissen und den Aufzeichnungen im Gestein dieses einen, übriggebliebenen Planeten den Zeitpunkt sehr genau feststellen. Ich weiß, in welchem Jahr das Licht dieser gewaltigen Feuersbrunst die Erde erreichte. Ich weiß, wie strahlend die Supernova, deren Leichnam jetzt hinter unserem immer schneller werdenden Schiff zusammenschrumpft, einst am irdischen Himmel leuchtete! Ich weiß, wie sie vor Sonnenaufgang tief im Osten gelodert haben muss wie ein Leuchtfeuer in jener orientalischen Dämmerung.

Es kann keinen vernünftigen Zweifel mehr geben: das uralte Geheimnis ist endlich gelöst. Und doch – o Gott, es gab so viele Sterne, die du hättest benützen können.

Warum war es nötig, dieses Volk ins Feuer zu werfen, damit das Symbol seines Untergangs über Bethlehem erstrahlen konnte?
 

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Arthur C. Clarke: Der Stern ∙ Aus dem Englischen von Irene Holicki ∙ Enthalten in der Kurzgeschichtensammlung „Die andere Seite des Himmels“ ∙ Wilhelm Heyne Verlag ∙ E-Book: € 3,99 (im Shop) ∙ Ab 2016 auch einzeln als E-Only erhältlich

Titelbild: Holzschnitt von Camille Flammarion (1888). Quelle: Wikipedia.de

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