Eine Zukunft, von der wir nicht einmal zu träumen wagen
Peter Watts neuester Roman „Echopraxia“ ist auf Deutsch erschienen
In der Zukunftsforschung bezeichnet man den Moment, ab dem sich Maschinen mithilfe der Künstlichen Intelligenz selbst verbessern können, als Singularität. Hat sich die Singularität erst einmal ereignet, ist der technologische Fortschritt nicht mehr aufzuhalten. Doch was passiert dann mit dem Schöpfer der Maschinen, dem Menschen? Wird der Mensch dann noch benötigt, wenn sich seine Geschöpfe um sich selbst kümmern können?
In Peter Watts jüngstem Roman „Echopraxia“ (im Shop) ist das bereits passiert. Zu Beginn des 22. Jahrhunderts hat sich die Menschheit in eine neue digitale Spezies verwandelt: Wissenschaft und Glaube durchdringen einander, der Unterschied zwischen Künstlichen Intelligenzen und genetisch optimierten Menschen wird immer kleiner und Evolution ist zum Alltagsprodukt geworden. Normale Menschen? Gibt es eigentlich nicht mehr – bis auf Daniel Brüks, einen Biologen, der der neuen Menschheit den Rücken gekehrt und sich in die Wüste von Oregon zurückgezogen hat. Dort betreibt er seine Wissenschaft auf die gute alte Methode – indem er Schlangen seziert. Seine Routine wird jedoch an dem Tag unterbrochen, an dem er sich an Bord eines Raumschiffes wiederfindet, zusammen mit einem Vampir, einer Gruppe Untoter, einem von Trauer zerfressenen Soldaten, der die Stimme seines toten Sohnes in seinem Kopf hört, und einer Horde Mönche. Ihre Reise führt sie ins Zentrum unseres Sonnensystems, wo sie den sogenannten „Engeln der Asteroiden“ begegnen. Eine Begegnung, die Brüks Verständnis der Menschheitsgeschichte für immer verändert.
„Echopraxia“ spielt in derselben Zukunftswelt wie „Blindflug“ (im Shop), der Erfolgsroman des kanadischen Autors Peter Watts, mit dem er 2006 für den Hugo Award und den Locus Award nominiert war. Obwohl die beiden Romane im selben Universum spielen, erzählt „Echopraxia“ die Geschichte von „Blindflug“ nicht einfach fort, vielmehr greift der Roman die Themen seines Vorgängers, wie das menschliche Bewusstsein, Transhumanismus und Evolution, wieder auf und setzt ihnen noch einen drauf: Denn Peter Watts beschäftigt sich in „Echopraxia“ mit nichts Geringerem als dem Wesen Gottes. Und das ist es schließlich, was einen genialen Science-Fiction-Autor ausmacht – er versucht, dem Wesen aller Dinge auf den Grund zu gehen und uns einen neuen Blickwinkel auf die Welt zu eröffnen, in der wir leben.
Peter Watts: „Echopraxia“ ∙ Roman ∙ Aus dem Amerikanischen von Birgit Herden ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 ∙ 560 Seiten ∙ € 8,99 (im Shop)
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