12. August 2016 2 Likes

Süßer kleiner Schrotthaufen

Deborah Installs Roman „Der Roboter, der Herzen hören konnte“

Lesezeit: 3 min.

In ihrem Romandebüt „Der Roboter, der Herzen hören konnte“, der im englischsprachigen Original als „A Robot in the Garden“ erschienen ist und nun bei Fischer Krüger als Hardcover, E-Book und Hörbuch vorliegt, erzählt Deborah Install von einer ungewöhnlichen Freundschaft. Nach dem Unfalltod seiner Eltern hat der Engländer Ben Chambers sein Studium der Tiermedizin auf Eis gelegt. Außerdem gelingt es ihm, seine Ehe mit der erfolgreichen Anwältin Amy in eine Sackgasse zu steuern und dort an die Wand zu fahren. Eines Morgens sitzt dann auch noch ein kleiner Roboter im Garten hinter Bens und Amys Haus – ein ramponierter, alter, wie aus der Zeit gefallen wirkender Schrottkasten, und keiner der aktuell so gefragten Androiden, die von anderen Paaren im Haushalt eingesetzt werden. Obendrein scheint der kleine Roboter, der nur wenige Wörter beherrscht und eigenen Aussagen zufolge auf den Namen Tang hört, kaputt zu sein. Amy möchte, dass Ben ihn fortschafft oder am Besten gleich entsorgt – Ben hat allerdings das Gefühl, sich um den kleinen Kerl kümmern und ihm helfen zu müssen. Als Amy ihn verlässt, tritt der sonst so antriebslose Ben mit Tang zu einer Weltreise an. Obwohl sich der anhängliche Roboter häufig wie ein trotziges Kind verhält, das alles über emotionale Erpressung weiß, kommt das ungewöhnliche Duo weit herum auf der Suche nach Tangs Erbauer oder sonst jemandem, der ihn zumindest reparieren kann. Die schlecht geplante Reise führt Ben mit Rucksack und Roboter nach San Francisco, Houston, Tokio und auf den Inselstaat Palau. Unterwegs wird das Band zwischen Ben und Tang, der eine Vorliebe für Diesel, Sportwagen, Ausflugboote, Socken, singende U-Bahnen und IKEA hegt, fester und fester …

Es ist immer schwierig, wenn sich der Mainstream ein Science-Fiction-Thema schnappt und daraus ein ‚typisches Werk’ nach den Gesetzen des Marktes macht. Als SF-Fan kann man da hoch droben auf dem Balkon des Elfenbeinturms im Genre-Ghetto nur die Augenbrauen lupfen und sich der Skepsis hingeben. Und natürlich will „Der Roboter, der Herzen hören konnte“ kein grandioser, detailverliebter SF-Roman in der Genre-Abteilung sein, der um den Hugo und den Philip K. Dick Award kämpft, sondern eines dieser Bücher, die in den Buchhandlungen stapelweise ausliegen und in rauen Mengen von allen möglichen Arten von Lesern im Vorbeigehen in die Hand genommen und gekauft werden. Das richtige Cover dafür hat die deutsche Ausgabe allemal. Wenig verwunderlich also, dass die nahe Zukunft im Roman eher inkonsequent durchdacht wirkt und oberflächlich geschildert wird, das Setting nie über Haushaltsandroiden, Bordelle für KI-Liebhaber, personalisierte Lieferdrohnen oder Fahrkartenschalterandroiden hinausgeht. Dafür hat Deborah Installs Geschichte bei aller Einfachheit und allem Kitsch andere Qualitäten – allen voran Tang, den süßen kleinen Schrotthaufen mit der Gehäuseklappe, die von Klebeband zusammengehalten wird, den Greifzangen-Ärmchen sowie dem beständig wachsenden Wortschatz und Gefühlsspektrum, der das Herz seiner Leser mit kleinkindlichem Kalkül (dass Install den Roman kurz nach der Geburt ihres Kindes schrieb, hatte gehörigen Einfluss auf Tangs Körpersprache und Verhalten) im Sturm erobert. Da verzeiht man manch eine gefühlsduselige Entgleisung oder Wendung aus dem Handbuch für Schmonzetten.

„Der Roboter, der Herzen hören konnte“ bietet seichte, leichte und leichtherzige Lektüre – in einer Verfilmung würde Ashton Kutcher Bens Part übernehmen, Katherine Heigl dürfte Amy mimen, und die Nebenrolle der Roboter- und NASA-Historikerin wäre wie gemacht für jemanden wie Yvonne Strahovski. Als versierter Film-Kenner geht man für gewöhnlich ungern damit hausieren, dass man sich den einen oder anderen dieser Streifen nach dem Reinzappen sogar ganz vergnügt angeschaut hat. So ähnlich verhält es sich, wenn man als gestandener Science-Fiction-Enthusiast „Der Roboter, der Herzen hören konnte“ liest. Was nichts daran ändert, dass Bens und Tangs Weltreise ein wirklich süßes, kalorienarmes Buch für zwischendurch ist. Auf keinen Fall mehr, aber auch nicht weniger.

Deborah Install: Der Roboter, der Herzen hören konnte • Krüger, Berlin 2016 • 336 Seiten • Hardcover: 17,99 Euro

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