8. Oktober 2016 1 Likes

Ein letztes triumphales Erwachen

„Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords“ im Test

Lesezeit: 5 min.

Am 20. September 2016 erschien weltweit das neueste – und offiziell letzte – große Add-On für den MMO-FPS (Massively Multiplayer Online First Person Shooter) „Destiny“. Beinahe auf den Tag genau ist vor zwei Jahren das Hauptspiel erschienen, welches mit 500 Millionen Dollar Entwicklungskosten das bis dato teuerste Videospiel der Geschichte ist und die MMO-Szene revolutionieren sollte. Dies gelang Entwickler Bungie („Halo“) damals zwar nicht, aber in den zwei Jahren seither hat sich viel getan.

Zunächst erschienen die Erweiterungen „Dunkelheit lauert“ und „Haus der Wölfe“, welche zum ersten großen Add-On führten: „König des Besessenen“. Und spätestens seit letzterem ist „Destiny“ kaum mehr wiederzuerkennen. Das Spielgefühl wurde deutlich schnittiger, das Loot-System komplett überarbeitet und mit implementierten „Questreihen“-System. Gerade letzteres sorgte bei vielen Spielern für immense Erleichterung. Jetzt waren gewünschte Waffen und Ausrüstungsgegenstände nicht mehr dem Zufallsprinzip des Loot-Glücksspiels überlassen, sondern konnten vom Spieler gezielt erarbeitet werden. Industrie-Veteran Bungie nahm sich die Wünsche und Klagen der Spieler sehr zu Herzen und agierte gekonnt darauf. Mit „König der Besessenen“ wurde „Destiny“ endlich zu dem Spiel, das es von Anfang an hätte sein sollen. Und langer Vorrede kurzer Sinn: „Das Erwachen der Eisernen Lords“ macht vom großen Feintuning Gebrauch und macht vieles sogar nochmals besser!

Oryx, König der Besessenen ist tot, aber damit sind noch lange nicht alle Gefahren für die Galaxis gebannt. Tief im alten Russland schlummert ein anderes Grauen in Form des Technovirus’ SIVA, das sich die Geächteten zu Nutze machen wollen, diese jedoch auch komplett verändert. Auch der Kosmodrom hat sein Antlitz verändert, seit wir das Spiel zuletzt besuchten: Überall schlängeln sich rote Kabel, die wie Adern wirken, und SIVA-Blüten versprühen das tödliche Virus durch die verschneite Landschaft. Lord Saladin, den die meisten Spieler aus dem PVP-Modus „Eisenbanner“ kennen dürften, stellt sich gegen das Übel und in seinem Auftrag sollen wir den Geächteten Spleißern, einer Art Wissenschaftlersparte der Rasse, den Garaus machen.

Die Story wird in fünf recht kurzen Missionen zu einem jähen Ende gebracht, bevor die Bedrohung überhaupt wirklich ausbrechen kann. Neben dem wirklich tollen Soundtrack hat Bungie aber leider immer noch nichts in Sachen Erzählkunst aus dem Hauptspiel gelernt. Einige Zwischensequenzen sind zwar sehr hübsch animiert, bei so manchen Aussagen der Figuren und scheinbaren „Bad-Ass“-Momenten lief jedoch vor Fremdscham so mancher Schauer über den Rücken. Aber sei’s drum, jeder geneigte Spieler weiß inzwischen, dass die Story-Missionen „Destinys“ nur Aufwärmübung sind. Der wahre Kern und Reiz stecken in den Strikes, der neuen Arena „Archon Schmiede“ und natürlich dem heißerwarteten Raid „Zorn der Maschine“. Und dort kann „Das Erwachen der Eisernen Lords“ auftrumpfen. Eine gewisse Anzahl alter Strikes wurde neu überarbeitet und SIVA-spezifisch angepasst und neuer Mechaniken unterzogen. So erhält man mit einer geringen Wahrscheinlichkeit einen „Skelettschlüssel“ mit dem man in jedem Strike einzigartige Loot-Gegenstände erhalten kann, wenn man die Truhe ganz am Ende damit öffnet. So wurde das Spiel erneut deutlich Neudeutsch „gestreamlined“. Wenn der Spieler eine gewisse Waffe oder Klassenitem will, so kann er dieses oder jenes unter gegebenen Umständen gezielt in den Strikes „farmen“.

Aber nicht nur das: So hat sich Bungie – wie erwähnt – die viele Kritik der Spieler zu Herzen genommen und neben der überarbeiteten Systeme auch ein besonderes Schmankerl in petto: Der übermächtige, exotische Fanlieblings-Raketenwerfer „Gjallahorn“ feiert im neuen Add-On sein Comeback – und ist dank freierhältlicher Questreihe auch für wirklich jeden Spieler zu ergattern. Neben dem revitalisierten „Gjallahorn“ sind auch noch drei weitere neue und alte exotische Waffen per Quest zu erhalten: Die nostalgische und aufgemotze „Khvostov 7G 0X“, welches das erste Gewehr ist, das der Spieler im ursprünglichen „Destiny“ bekommt; der Revolver „Dorn“ und das äußerst ausgefuchste Pulsgewehr „Ausbruch-Primus“. Gerade letzteres stellte sich für die Community als gewaltiges Rätsel heraus, denn es dauerte gut zehn Tage, bis Spieler herausfanden, wie man es erhält. Und dieser Schritt erforderte äußerste Teamarbeit und das Lösen von Zeilen diverser Binärcodes – kein Witz! Bei Interesse siehe man sich dieses Video an, welches die vier bis acht Stunden lange Quest Schritt für Schritt angibt. Was Bungie sich da aus dem Ärmel zauberte ist profan gesagt der irre Wahnsinn.

Das große Herzstück, wie auch damals bei „König des Besessenen“, ist jedoch der neue Raid „Zorn der Maschine“. Dieser verlangt den waghalsigen Spielern alles ab und erfordert erneut äußerstes Teamplay und eine beständige Kommunikation. Gerade nichts ahnende Ersteinsteiger müssen erst einmal die Mechaniken hinter dem Raid lösen, in dem es gilt gemeinsam Generatoren aufzuladen und Bosse mit SIVA-Bomben zu bewerfen und sogar ein gigantisches Gefährt in Stand zu setzen, das zeitgleich einen Boss darstellt und von Gegnern umringt wird. Besonders dieser Teil des Raids ist etwas, das es so wohl noch nie in einem MMO gab und bei gelungenem Versuch den Atem rauben kann. Es gibt aber letztlich kein vergleichbares Gefühl im Gaming, wie das eines gelungenen Abschlusses, wenn man nach mehrerer Stunden „Arbeit“ mit einem Team aus sechs Mann den letzten Boss fällt. Dieses immense Gefühl von Kameraderie und Errungenschaft ist jede Träne und jeden Tropfen Schweißes wert, die man vorher vergossen hat. Da hat Bungie wieder geklotzt und nicht gekleckert. Der Raid will aber gut vorbereitet sein. Das Team muss eingespielt sein und Kommunikation und Planung sind die wichtigsten Instrumente zum Sieg. Und so erreicht man dann auch das neue Lichtlevel, das von 335 auf 385 angehoben wurde. Mit dem gerade angekündigten „Schwer“-Modus des Raids wird die Lichtstufe sogar noch auf 400 erweitert werden. Dieser soll ab dem 18. Oktober zugänglich sein.

Neben den PVE-Instanzen (Player Versus Enemy), erhielt „Destiny“ aber auch einen neuen PVP-Modus, die sogenannte „Vorherrschaft“. In diesem taktischen Modus hinterlassen gefallene Spieler ein „Wappen“, das Punkte bringt. Diese Wappen können aber auch vom gegnerischen Spieler wieder eingesammelt und somit „verweigert“ werden. Dadurch gewinnt die PVP-Instanz an taktischer Tiefe und bloßes Vorpreschen und Schießen wird oft mit der Niederlage ausgezeichnet.

Jeder Spieler, der „Destiny“ ursprünglich mied, sollte vielleicht spätestens jetzt einen Blick hineinwerfen. Die große Vielfalt des gebotenen Inhalts und der Reiz immer neuerer und besserer Ausrüstung ist ein Paket, das dem geneigten MMO-ler großes Vergnügen bereiten wird. Denn Bungie hat aus den Fehlern gelernt und „Destiny“ wurde zum Spiel, das es ursprünglich hätte sein sollen. Rollenspielpuristen werden jedoch an „Destiny“ verzweifeln und nur verständnislos den Kopf schütteln. Wer anspruchsvolle Kunst zum Nachdenken sucht, dem sei etwas anderes ans Herz gelegt. Wer sich jedoch viele spaßige Stunden um die Ohren schlagen will, ohne sich dabei zu sehr den Kopf zu zerbrechen, dem sei gesagt: Jetzt oder nie! Und „Destiny 2“ steht schon in den Startlöchern, das Bungie nach jedoch „eine völlig neue Spielerfahrung“ bieten soll als der Erstling.

„Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords“ ist seit dem 20. September 2016 für XBox One und PS4 erhätlich.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.